Rz. 1

Auf dem Kapitalmarkt liegen große Erwartungen, mit seinen Hebeln positiv auf die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft einwirken zu können.

Die Zeit zur wirksamen Bekämpfung der Klimakrise läuft uns zunehmend davon und damit steigt der Handlungsdruck für die Menschheit. Dem Kapitalmarkt wird mit seinen Einflussmöglichkeiten auf die Realwirtschaft die Fähigkeit zugesprochen, als zentraler Gestalter der Transformation in Richtung nachhaltigen Wirtschaftens zu agieren. Die Rolle der Kapitalmarktteilnehmer entwickelt sich kontinuierlich zum Treiber von Nachhaltigkeit weiter. Nachhaltigkeitsthemen werden in die Unternehmensbewertung integriert und deren finanzieller Impact auf die Bilanzen anerkannt. Diese Entwicklung zeigt sich auch im Wording von Gesetzestexten, in denen künftig nicht mehr von "Non-Financial Reporting Directive", sondern von "Corporate Sustainability Reporting Directive" gesprochen wird (die Begrifflichkeit "nichtfinanziell" fällt also weg). Längst hat sich der Kapitalmarkt von einer reinen Umweltbetrachtung (Green Finance) auf einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz (Sustainable Finance) emanzipiert. Auch das klassische Environmental-Social-Governance (ESG) Schubladendenken wird aufgrund der vielen Überschneidungen innerhalb dieser Cluster und Themenfelder zunehmend in eine ganzheitliche "Sustainability"-Betrachtung überführt.

 

Rz. 2

Unternehmen, welche die Transformation ihrer Geschäftsmodelle in Richtung nachhaltige Entwicklung nicht frühzeitig anstoßen, werden zunehmend als Teil des Problems verstanden und laufen Gefahr, die Stranded Assets von morgen zu werden. Der Kapitalmarkt fordert deshalb von kritischen Geschäftsmodellen ambitionierte Transformationsanstrengungen und setzt dafür zeitliche Grenzen.

1.1 Kapitalmarkt denkt bereits über das Thema Klima (Carbon) hinaus

 

Rz. 3

Die kontinuierliche Überschreitung der Belastungsgrenzen der Erde (planetare Grenzen) und die damit verbundene Gefährdung der Stabilität der Ökosysteme entziehen der Menschheit wie auch der Wirtschaft zunehmend die Lebens- bzw. Wirtschaftsgrundlage. Von der Pandemie kommend, über die durch den Ukraine-Krieg verstärkte Rezession mit Energie- und Materialkrise stellt aktuell die Klimakrise mit den damit verbundenen Auswirkungen das dominante Nachhaltigkeitsthema für den Kapitalmarkt dar. Doch zeichnet sich längst die nächste große Herausforderung ab. Experten erwarten, dass die Auswirkungen der Biodiversitätskrise mit dem rasanten Artensterben (Biodiversitätsverlust) nicht nur schneller eintreten werden als die des Klimawandels, sondern dass diese für die Gesellschaft und die Wirtschaft auch deutlich gravierender ausfallen werden.[1] Experten sprechen bildlich vom großen Bruder des Klimawandels und verweisen auf die untrennbar zusammenhängende Verflechtung dieser beiden Krisen. Die Klimakrise beschleunigt das Artensterben, zeitgleich zahlen Maßnahmen zur Vermeidung von CO2-Emissionen, wie der Umstieg auf erneuerbare Energien oder die Steigerung der Energieeffizienz in den Produktionsverfahren, aber nicht direkt auf das Thema Biodiversität ein. Der Kapitalmarkt fängt gerade erst an zu verstehen, was es für die Gesellschaft (Lebensraum und Resilienz) und die Wirtschaft (Standort und Ressourcenverfügbarkeit) bedeutet, wenn das Artensterben in der gleichen Geschwindigkeit wie bisher voranschreitet.

 

Rz. 4

Ein "Weiter wie bisher" (business as usual) bedeutet deshalb zunehmend die Zerstörung unserer eigenen Lebens- und Wirtschaftsgrundlage. Die Politik nimmt den Kapitalmarkt mit seinen Instrumenten für die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft deshalb in die Pflicht.

[1] Siehe The Economics of Biodiversity, Dasgupta Review, www.gov.uk/government/publications/final-report-the-economics-of-biodiversity-the-dasgupta-review, abgerufen am 3.1.2023.

1.2 Verantwortung des Kapitalmarkts

 

Rz. 5

Die Rolle des Kapitalmarkts bei der Transformation der Wirtschaft in Richtung nachhaltige Entwicklung hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Kapitalgeber wie Großinvestor BlackRock mit Larry Fink geben mit Visionen und CEO-Aufforderungen die Richtung vor. Auch Politik und Gesetzgeber haben die Handlungsnotwendigkeit für den europäischen Kontinent erkannt und nehmen die Wirtschaft durch immer strengere Offenlegungspflichten ins Visier. Beträchtliche Hoffnungen werden auf den Kapitalmarkt gesetzt, um mit seinen Mechanismen und Instrumenten große Hebel für das Thema Nachhaltigkeit bewegen zu können. Durch Maßnahmen wie den European Green Deal soll das für die Transformation der Wirtschaft notwendige Kapital mobilisiert und dort in die richtigen Bahnen gelenkt werden.

 

Rz. 6

Steigender Druck kommt durch die internationalen Aufsichtsbehörden wie die European Central Bank (EZB), die European Banking Authority (EBA) oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf nationaler Ebene, welche die Finanzmarktteilnehmer zur Integration von ESG-Risiken in das eigene Risikomanagement und Investitionsprozesse zwingen. Um die Compliance mit den Vorgaben der Aufsicht sicherzustellen, geben die Finanzinstitute die Anforderunge...

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