Bio als Blaupause

Jan Plagge sieht den Ökolandbau als Leitbild für die Zielerreichung des Green Deals. Er sagt: Auch andere Wirtschaftszweige wie etwa die Digitalwirtschaft können vom systemischen Lösungsansatz, der Rücksicht auf Umwelt und Mensch nimmt, profitieren.

Die EU will eine von Bürger:innen und Unternehmen selbstbestimmte ökologisch-soziale Transformation gestalten – der Green Deal bietet dafür den strategischen Rahmen. Seit über 50 Jahren arbeiten bereits Betriebe und Unternehmen mehrerer Sektoren an der Gestaltung eines funktionierenden Rahmens für einen ökologischen Umbau. Der Bio-Sektor ist einer von ihnen: Im Bereich von Landwirtschaft und Lebensmittel ist dieser für die EU-Kommission eine Blaupause und zugleich Leitbild für die Zielerreichung des Green Deals. 25 Prozent Bio soll bis 2030 erreicht werden – eine Notwendigkeit, um die Biodiversitäts- und Klimaziele zu erreichen.

Im Kern geht es um einen Wettbewerbsrahmen, der nachhaltige, souveräne und resiliente Systeme und deren Wertschöpfungsketten einen Vorteil verschafft und somit vor allem private Investitions- und Konsumentscheidungen stimuliert. Der heutige Rahmen und die darauf aufbauenden Strategien wie die Farm-To-Fork Strategie der EU-Kommission sind vor allem aus dem unternehmerischen, gesellschaftlichen und politischen Engagement der Akteur:innen selbst in Jahrzehnten gewachsen.

Bio als Blaupause für eine sektorübergreifende Transformation?

Wir brauchen eine sektorübergreifende Transformation, wenn wir morgen noch auf dieser Erde leben wollen. Unsere Lebensgrundlagen schützen wir am besten, indem wir die gesamte Wirtschaft ökologisieren. Dabei kommt der Land- und Ernährungswirtschaft eine tragende Rolle zu: Denn einerseits ist sie heute noch einer der Treiber für Klimakrise, Artensterben und Umweltschäden, andererseits hat sie mit dem Ökolandbau bereits ein funktionierendes, naturnahes und ressourcenschonendes System etabliert, an dem sich andere Wirtschaftszweige orientieren können.

Der Umbau unserer auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Wirtschaft zu einem System, das soziale und ökologische Aspekte in den Fokus rückt, braucht den unbedingten Willen zur Veränderung und mutiges sowie entschlossenes Handeln aller Beteiligten. Denn mit lange Zeit als unumstößlich geltenden Konventionen müssen wir brechen: In einer zukunftsfähigen Wirtschaft kann nicht mehr das unbegrenzte materielle Wachstum im Mittelpunkt stehen.

Dieses Denken hat uns erst in die jetzige Situation geführt, in der wir viele planetare Grenzen bereits überschritten haben und in der – auch bezogen auf die Landwirtschaft – stoffliche, energetische sowie soziale Kreisläufe aus dem Gleichgewicht geraten sind. Die Logik dahinter ist leicht verständlich: In einer Welt mit endlichen Ressourcen kann es kein unbegrenztes materielles Wachstum geben! Die sozial-ökologische Wirtschaft der Zukunft muss sich an anderen Parametern messen lassen, nämlich an Leistungen für Umwelt, Tier und Mensch.

„Höher, schneller, weiter“ muss einem systemischen Lösungsansatz weichen

Auch im Agrarsektor hieß die Devise in den letzten Jahrzehnten höher, schneller, weiter – und billiger. Auftretende Probleme hat man lange mehr gekittet als im Ansatz behoben. Und man neigt noch immer dazu: Neue Entwicklungen wie die Neue Gentechnik oder Laborfleisch gelten als problemlösende Wundermittel. Dabei sind sie technologisch vielleicht interessant, aber als isolierte Ansätze ohne funktionierendes Gesamtsystem völlig ungeeignet, um uns aus der Krise oder viel eher aus den Krisen herauszuführen.

Denn systemische Probleme kann man nur mit systemischen Lösungen bekämpfen. Und Technik muss zu einem tragfähigen System passen, nicht umgekehrt. Wir machen heute immer noch den Fehler, unsere Systeme der Technik anzupassen und steuern so in Sackgassen. Der Ökolandbau mit seinen Prinzipien, die Rücksicht auf Umwelt, Tier und Mensch nehmen, bietet einen solchen systemischen Lösungsansatz. Er ist damit völlig zurecht das Leitbild für eine zukunftsfähige Land- und Ernährungswirtschaft in Deutschland und der EU. Und er kann es auch für das gesamte Wirtschaftssystem werden.

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Jan Plagge spricht am 13.12.2023 im Panel „Transformations-Synergie: Wie Bio-Unternehmen und Digitalwirtschaft voneinander profitieren können“ auf dem Sustainable Economy Summit mit Martin Hubschneider und Berit Gölitzer.

Schlagworte zum Thema:  Digitalisierung, Kongress, Nachhaltigkeit