Schlussbescheide Überbrückungshilfen: Haftungsgefahren

Die Phase der Schlussabrechnungen bei den Corona-Überbrückungshilfen wird für Steuerkanzleien zur Herausforderung: Zunehmend müssen sie sich mit Ablehnungs- und Rückforderungsbescheiden auseinandersetzen. Doch das Verwaltungsrecht ist für viele Steuerberater ein ungewohntes Gebiet und bringt neue Haftungsrisiken, die besondere Aufmerksamkeit erfordern.  

Verfahren außerhalb der Finanzgerichtsbarkeit

Ein grundlegender Irrtum besteht häufig in der Annahme, dass Rechtsmittel gegen Bescheide zu den Überbrückungshilfen nach den im Steuerrecht üblichen Verfahrensregeln einzulegen sind. Dies ist jedoch nicht der Fall: Bei den Corona-Überbrückungshilfen handelt es sich um Zuwendungen des Bundes, die im Rahmen des Verwaltungsrechts gewährt werden – nicht um steuerrechtliche Maßnahmen.

Bescheide zu den Überbrückungshilfen unterliegen somit nicht der Finanzgerichtsbarkeit, sondern der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Für diese gelten das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als zentrale Rechtsgrundlagen. Das VwVfG regelt dabei das behördliche Verfahren, während die VwGO die gerichtlichen Verfahren normiert.

Einspruch vs. Widerspruch: Ein folgenschwerer Unterschied

Eine besonders kritische Fehlerquelle liegt in der Terminologie: Während im Steuerrecht gegen Bescheide "Einspruch" eingelegt wird (§ 347 AO), ist im Verwaltungsrecht der "Widerspruch" das entsprechende Rechtsmittel (§ 68 VwGO). Viele Steuerberater erheben "Einsprüche" gegen Rückforderungsbescheide auch in Bundesländern, in denen nur die Klage vor dem Verwaltungsgericht statthaft ist (z. B. in Hessen oder Bayern).

In vielen Fällen werden diese in Klagen umgedeutet, in anderen Fällen sind die Schreiben aber formell derart unzureichend, dass eine Umdeutung in eine Klage ausscheidet.

Widerspruch und Klage im Verwaltungsrecht: Wesentliche Unterschiede zum Steuerrecht

Widerspruchsverfahren

Das Widerspruchsverfahren im Verwaltungsrecht weist einige Besonderheiten auf:

  • Es ist in der Regel ein obligatorischer Vorläufer der Klage (§ 68 VwGO). Ausnahme: Bundesländer, in denen das Widerspruchsverfahren bei den Überbrückungshilfen abgeschafft wurde (z. B. Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen). Bitte schauen Sie unbedingt in die Rechtsbehelfsbelehrungen der Bescheide!
  • Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheids (§ 70 VwGO).
  • Die Widerspruchsbehörde prüft den angefochtenen Verwaltungsakt in vollem Umfang auf Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit (§ 68 Abs. 1 Satz. 1 VwGO).

Wichtig: Der Widerspruch kann nicht per einfacher E-Mail erhoben werden. Das ist ein häufiger Fehler von Steuerberatern.

Klageverfahren

Die Klage vor dem Verwaltungsgericht unterscheidet sich in zahlreichen Punkten vom finanzgerichtlichen Verfahren:

  • Zuständig sind die Verwaltungsgerichte, nicht die Finanzgerichte.
  • Die Klagefrist beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des Bescheids bzw. nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (§ 74 VwGO).
  • Es besteht kein Vertretungszwang in der ersten Instanz (anders als vor dem Finanzgericht).
  • Die elektronische Kommunikation mit dem Gericht unterliegt besonderen Formerfordernissen gem.  § 55a VwGO.

Viele Steuerberater erheben formunwirksame Klagen, etwa weil sie nicht die elektronische Kommunikation mit dem Verwaltungsgericht über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (sog. beSt) führen.

Konkrete Haftungsgefahren für Steuerberater

Die aktuelle Rechtsprechung zu den Überbrückungshilfen zeigt, dass Steuerberater bei Widerspruchs- und Klageverfahren erheblichen Haftungsrisiken ausgesetzt sind, insbesondere in folgenden Bereichen:

1. Formelle Fehler bei der Verfahrensführung

Wie das Beispiel eines Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss v. 17.7.2023, 22 CS 23.1040) zeigt, können formelle Fehler bei der elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen zur Unzulässigkeit von Rechtsmitteln führen. In diesem Fall lehnte das Gericht eine Beschwerde ab, weil bei der elektronischen Übermittlung die erforderliche qualifizierte elektronische Signatur des Steuerberaters fehlte.

Seit dem 1.1.2023 gilt für Steuerberater die Verpflichtung, Schriftsätze als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 86d, § 157e StBerG). Die Nichtbeachtung dieser Formvorschriften kann zur Unwirksamkeit der Einreichung führen.

2. Fehlerhafte Unterzeichnung von Schriftsätzen

Ein weiteres Risiko besteht bei der Unterzeichnung von Schriftsätzen. Wenn beispielsweise ein angestellter Steuerberater einen Schriftsatz mit dem Zusatz "i. A." unterzeichnet, kann dies nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 27.2.2018 – XI ZR 452/16) so verstanden werden, dass er nur als Erklärungsbote auftreten will und nicht die Verantwortung für den Inhalt übernimmt – mit der Folge, dass der Schriftsatz formell unwirksam sein kann.

3. Inhaltliche Fehler in der Argumentation

Neben den formellen Anforderungen bestehen erhebliche Risiken bei der inhaltlichen Argumentation, etwa bei

  • der Auslegung des Begriffs des "coronabedingten Umsatzeinbruchs" (s. hierzu die News v. 19.2.2025),
  • der korrekten Einordnung eines "Unternehmensverbundes" im Sinne der EU-Definition (s. hierzu die News v. 12.2.2025),
  • die Beurteilung eines "Unternehmens in Schwierigkeiten".

Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zeigt, dass hier komplexe europarechtliche Begriffe und Regelungen maßgeblich sind, die spezielle juristische Expertise erfordern.

4. Versäumte Fristen

Ein klassisches Haftungsrisiko liegt in der Versäumung von Fristen. Bei Rückforderungs- oder Ablehnungsbescheiden muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Ausgangsbe-scheids bzw. nach dessen Zustellung Widerspruch eingelegt bzw. Klage erhoben werden (§ 74 VwGO). Werden diese Fristen versäumt, entfaltet der Bescheid Bestandskraft – selbst, wenn er rechtlich fehlerhaft sein sollte. Mit Zugang des Bescheids beim Steuerberater ist dieser gleichzeitige auch beim Antragsteller zugegangen.

Handlungsempfehlungen für Steuerberater

Angesichts dieser Risiken sollten Steuerberater folgende Aspekte beachten:

1. Mandanten zur Einschaltung eines Rechtsanwalts drängen

Die sicherste Option besteht darin, dem Mandanten zu empfehlen, für die Führung von Widerspruchs- und Klageverfahren einen im Verwaltungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu beauftragen. Verwaltungsprozessrecht erfordert spezielle Kenntnisse und Erfahrungen, die nicht zum Kernkompetenzbereich von Steuerberatern gehören. Sie sind als Steuerberater nicht berufsrechtlich verpflichtet, Ihre Mandanten auch in Klageverfahren zu vertreten. Dies wird sich in der Regel auch nicht aus der zivilrechtlichen Mandatsvereinbarung ergeben.

Als prüfender Dritter mussten Sie das Schlussabrechnungsverfahren betreuen. Mit dem Erlass der zugehörigen Bescheide müssen Sie zwar den Mandanten umfassend informieren, aber in der Regel besteht keine Pflicht, für den Mandanten auch Rechtsbehelfe zu erheben.

2. Klare Haftungsvereinbarungen treffen

Wenn Mandanten dennoch darauf bestehen, dass der Steuerberater sie im Verfahren begleitet, und Sie dazu entgegen den Empfehlungen hier bereit sind, ist jedenfalls eine präzise Haftungsvereinbarung unerlässlich. Diese sollte

  • klar definieren welche Aufgaben der Steuerberater übernimmt und welche in der Verantwortung des Mandanten liegen,
  • klarstestellen, dass der Steuerberater keine Erfolgsgarantie für das Verfahren gibt, und
  • eine Haftungsbegrenzung auf Fälle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (soweit rechtlich zulässig) enthalten.

Solche Vereinbarungen sollten schriftlich dokumentiert und vom Mandanten unterzeichnet werden. Ob solche Vereinbarungen dann aber tatsächlich am Ende vor einem Zivilgericht halten, ist offen. Auch vor diesem Hintergrund kann es nicht empfohlen werden, dass Steuerberater auch die Rechtsbehelfsverfahren betreuen.

Im Übrigen machen viele Mandanten den Steuerberater für Rückforderungen verantwortlich. Dieser Eindruck verstärkt sich dann noch, wenn auch das Rechtsbehelfsverfahren durch den Steuerberater erfolglos bleibt. Die Autoren kennen dies aus zahlreichen Anfragen von enttäuschten Unternehmern, die für die Rückforderung der Hilfen ihre Steuerberater in Anspruch nehmen wollen.

3. Umfassende Risikoaufklärung durchführen

Steuerberater müssen ihre Mandanten umfassend über die Risiken informieren, die mit Verfahren gegen Bescheide zu den Überbrückungshilfen verbunden sind:

  • Erläuterung der Erfolgsaussichten und möglicher Alternativstrategien,
  • Aufklärung über die Kosten des Verfahrens (Gerichtskosten, Anwaltskosten, mögliche Kostentragungspflicht bei Unterliegen),
  • Hinweis auf die Grenzen der eigenen Kompetenz als Steuerberater im Verwaltungsrecht,
  • transparente Darstellung der aktuellen Rechtsprechungstrends.

Die Risikoaufklärung sollte ebenfalls schriftlich dokumentiert werden, um spätere Beweisschwierigkeiten zu vermeiden.

4. Kooperation mit Verwaltungsrechtlern etablieren

Eine sinnvolle Strategie kann darin bestehen, Kooperationen mit auf Verwaltungsrecht spezialisierten Rechtsanwälten aufzubauen. So kann der Steuerberater einerseits seine umfassenden Kenntnisse des Falles einbringen, während andererseits die rechtliche Vertretung durch einen Fachanwalt erfolgt.

Fazit

Die rechtliche Auseinandersetzung mit Bescheiden zu den Corona-Überbrückungshilfen stellt für Steuerberater eine erhebliche Herausforderung dar, da sie in das Gebiet des Verwaltungsrechts führt. Die damit verbundenen Haftungsrisiken sollten nicht unterschätzt werden.

Die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass sowohl formelle als auch inhaltliche Fehler bei der Vertretung in Widerspruchs- und Klageverfahren erhebliche negative Konsequenzen haben können. Steuerberater sollten daher einerseits ihre Mandanten zur Einschaltung spezialisierter Rechtsanwälte ermutigen und andererseits – falls sie selbst tätig werden – durch klare Haftungsvereinbarungen und umfassende Risikoaufklärung vorsorgen.

Das Verwaltungsrecht folgt eigenen Regeln und Prozeduren, die sich grundlegend vom Steuerrecht unterscheiden. Diese Unterschiede zu kennen und zu beachten, ist nicht nur eine Frage der fachlichen Kompetenz, sondern auch des verantwortungsvollen Umgangs mit den Interessen der Mandanten und der eigenen Haftungssituation.

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