Geringfügigkeit einer Teilauszahlung bei einer Abfindung

Die ermäßigte Besteuerung einer Abfindung setzt u. a. voraus, dass sie zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zugeflossen ist. Der Zufluss in mehreren Teilbeträgen ist grundsätzlich schädlich. Dies gilt nicht, soweit es sich um eine im Verhältnis zur Hauptleistung stehende geringfügige Zahlung handelt, die in einem anderen Veranlagungszeitraum zufließt.

Zu den tarifbegünstigten außerordentlichen Einkünften nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG zählen z. B. auch Entschädigungsleistungen nach § 24 Nr. 1 a EStG, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen (Abfindung) gezahlt werden. Eine ermäßigte Besteuerung ist  grundsätzlich nicht möglich, wenn die Auszahlung einer einheitlichen Abfindung in zwei Veranlagungszeiträumen erfolgt, weil Teilauszahlungen stets eine Progressionsmilderung bewirken.

Davon abweichend kann eine Auszahlung in zwei Teilbeträgen aber ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich die Teilzahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen und wenn die Nebenleistung geringfügig ist (BFH, Urteil v. 25.08.2009, IX R 11/09, Haufe Index 2239101). Wann von einer solchen unschädlichen geringfügigen Teilleistung auszugehen ist, bestimmt sich nach dem Vorliegen einer Ausnahmesituation in der individuellen Steuerbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen.

Eine starre Prozentgrenze sieht das Gesetz weder vor, noch kann eine solche die gesetzlich geforderte Prüfung der Außerordentlichkeit im Einzelfall ersetzen. Sind aber keine besonderen tatsächlichen Umstände erkennbar, die die Teilleistung bedingen oder prägen (z. B. soziale Motivation, persönliche Notlage), ist die Frage, ob eine Teilleistung in einem anderen Veranlagungszeitraum der Außerordentlichkeit der Hauptentschädigungszahlung entgegensteht, alleine ausgehend von der Höhe der Teilleistung zu beurteilen. 

Beispiel zu einer Teilauszahlung bei einer Abfindung

Der alleinstehende A war seit 35 Jahren bei demselben Arbeitgeber angestellt. Sein Bruttoarbeitslohn betrug zuletzt ca. 40.000 EUR. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 30.11.2013. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt A eine betriebliche Abfindung i. H. von 100.000 EUR sowie eine Tarifabfindung i. H. von 10.000 EUR. Sein Bruttoarbeitslohn 2013 betrug incl. der in 2013 geflossenen Tarifabfindung 47.000 EUR. Die betriebliche Abfindung i. H. von 100.000 EUR floss A in 2014 zu. Bei voller Besteuerung der Abfindung würde die Einkommensteuer 2014 39.588 EUR und unter Berücksichtigung der ermäßigten Besteuerung 27.233 EUR betragen.

Aus der Rechtsprechung des BFH geht hervor, dass nach allgemeinem Verständnis eine Teilleistung von über 10 % der Hauptleistung nicht mehr als geringfügig anzusehen ist (Urteil v. 8.4.2014, IX R 28/13, nach BFH-Beschluss vom 20.06.2011, IX B 59/11, Haufe Index 7200246)  ist eine Teilleistung von 10,2 % nicht mehr geringfügig). Nach Auffassung der Finanzverwaltung darf die Teilleistung sogar nur 5 % der Gesamtleistung nicht übersteigen (BMF v. 1.11.2013, BStBl 2013 I S. 1326, Haufe Index 5695903). Da der BFH lediglich auf das allgemeine Verständnis abgestellt hat, hat die Finanzverwaltung wohl bisher keine Veranlassung gesehen, die 5 %-Hürde zu überdenken.

Praxishinweis

Eine neue Entscheidung des BFH könnte dies nun ändern (Urteil v. 13.10.2015, IX R 46/14). Eine geringfügige Nebenleistung ist danach nicht mehr anzunehmen, wenn sie mehr als 10 % der Hauptleistung beträgt (im Beispiel genau 10 % der Hauptleistung bzw. wohl als Alternative im Zweifelsfall auch Berechnung von der Gesamtabfindung möglich, hier 9,09 %). Ergänzend ist zu berücksichtigen, wenn die Nebenleistung niedriger ist als die Steuerentlastung der Hauptleistung (im Beispiel 10.000 EUR Nebenleistung aber Steuerentlastung der Hauptleistung 39.588 – 27.233 = 12.355 EUR). Mit dieser Begründung hat der BFH zwar bislang nur eine sozial motivierte, nachträgliche Zusatzleistung des Arbeitgebers der Höhe nach als unschädlich erachtet.

Der Maßstab lässt sich jedoch zur Konkretisierung der bloßen Geringfügigkeit gleichermaßen heranziehen, weil es andernfalls in diesen Fällen günstiger wäre, wenn der Steuerpflichtige die Teilauszahlung nicht erhalten hätte. Die Teilauszahlung würde (vor Steuern) nämlich noch nicht einmal den steuerlichen Nachteil ausgleichen, den sie verursacht hat. Dieses Ergebnis würde zu wirtschaftlich unsinnigen Gestaltungen Veranlassung geben. Zusätzlich ist nach Auffassung des BFH für eine ermäßigte Besteuerung zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige keinen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Abfindung und die Modalitäten ihrer Auszahlung nehmen kann.

Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung die beiden Komponenten 10 %-Grenze und/i. V. m. Vergleichsrechnung in der Praxis umsetzen wird.

Nachtrag (9.3.2016): Die Finanzverwaltung hat sich der Sichtweise des BFH angeschlossen (BMF, Schreiben v. 04.03.2016, Az. IV C 4 -S 2290/07/10007: 031)