Zweifel an Umsatzsteuerpflicht für förmliche Zustellungen

Dem EuGH wird die Frage vorgelegt, ob die förmliche Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften eine steuerfreie Post-Universaldienstleistung ist.

Hintergrund: Postzustellungen durch einen Dienstleister

Die A-GmbH betrieb bis 2011 die Ausführung von Postzustellungsaufträgen im Inland. Sie hatte sich über ihre Muttergesellschaft gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) verpflichtet, flächendeckend im gesamten Bundesgebiet förmliche Zustellungen von Schriftstücken nach den Prozessordnungen und den Verwaltungszustellungsgesetzen zu erbringen. Die A-GmbH begehrte die Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b UStG über die USt-Befreiung dieser Dienstleistung und wies darauf hin, das Produkt "Postzustellungsauftrag" sei dem Post-Universaldienst zuzuordnen.

Das BZSt lehnte den Antrag ab. Ebenso entschied das FG. Bei unionsrechtskonformer Auslegung des § 4 Nr. 11b UStG gehöre ein Postzustellungsauftrag nicht zu den Post-Universaldienstleistungen. Mit der Revision wies die A-GmbH darauf hin, förmliche Zustellungen seien in allen EU-Mitgliedsstaaten – mit Ausnahme von Schweden – von der USt befreit.

Entscheidung: EuGH-Vorlage wegen zweifelhafter Unionsrechtslage

Der BFH hat das Revisionsverfahren ausgesetzt und die Problematik dem EuGH vorgelegt.

Zu klären ist zunächst die Frage, ob die Ausführung von förmlichen Zustellungen eine Universaldienstleistung im Sinne der Post-Richtlinie (Art. 3 Abs. 4 Post-RL) ist. Problematisch ist dabei, ob eine "Zustellung" nur vorliegt, wenn weitere Bearbeitungsschritte (vom Sortieren bis zur Aushändigung) übernommen werden, sowie ob förmliche Zustellungen zu den vom Post-Universaldienst umfassten Einschreib-Sendungen gehören (erste Vorlagefrage).

Sodann ist bei Bejahung der ersten Vorlagefrage zu entscheiden, ob die von der A-GmbH als "Anbieter von Universaldienstleistungen" i.S. von Art. 2 Nr. 13 Post-RL erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der MwStSystRL steuerfrei sein können (zweite Vorlagefrage). Denn die Voraussetzung der ständig flächendeckend zu erbringenden postalischen Dienstleistungen für alle Nutzer ist möglicherweise nicht erfüllt, wenn Auftraggeber bei förmlichen Zustellungen nicht "alle Nutzer", sondern in erster Linie Gerichte und Verwaltungsbehörden sind, so dass diese Form der Zustellung den Nutzern nur mittelbar zugutekommt. Der Einzelne kann die förmliche Zustellung nicht bei der Post oder einem anderen Dienstleister in Auftrag geben, sondern nur mittelbar über ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde. Das widerspricht möglicherweise dem Charakter einer allen Nutzern zur Verfügung stehenden Universaldienstleistung.

Hinweis: BFH tendiert zur Steuerfreiheit

Die Finanzverwaltung sieht derartige Leistungen allgemein als steuerpflichtig an. Aus Sicht des BFH spricht für die Steuerfreiheit, dass förmliche Zustellungen wie im behördlichen Postverkehr der nachprüfbaren Zustellung amtlicher Schreiben dienen. Sie ermöglichen die nachprüfbare Zustellung von Klage- und Antragsschriften oder die Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen, wodurch Rechtsmittelfristen in Lauf gesetzt werden. Förmliche Zustellungen sind unabdingbar für ein geordnetes Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren und tragen damit zu einer verlässlichen und ordnungsgemäßen Rechtspflege bei. Gleichwohl hat der BFH Zweifel an der zutreffenden Auslegung des Unionsrechts, so dass eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen war.

Die Aussetzung des Revisionsverfahrens beruht auf § 121 i.V. mit § 74 FGO. Die EuGH-Vorlage ergibt sich aus Art. 267 AEUV. In einer Parallelentscheidung hat der BFH die entsprechende Problematik zu einer früheren Fassung des § 4 Nr. 11b UStG dem EuGH vorgelegt (Beschluss v. 31.5.2017, V R 30/15).

BFH, Beschlüsse v. 31.5.2017, V R 8/16 und V R 30/15; veröffentlicht am 3.1.2018

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