Zahlung der Jugendhilfe über einen zwischengeschalteten freien Träger
Hintergrund: Betreuungshonorar von einem kommerziellen privaten Träger
X hatte ein Pflegekind in Vollzeitpflege in ihren Haushalt aufgenommen. Sie wurde von der T-GmbH, einem privaten Träger der freien Jugendhilfe, als freie Mitarbeiterin mit der Betreuung beauftragt. Zusätzlich schlossen X und die GmbH eine Übernahme- und Honorarvereinbarung.
Für ihre Leistungen erhielt X von der GmbH ein am Betreuungsbedarf orientiertes monatliches Honorar, eine Versorgungs- und Fortbildungspauschale sowie an das Pflegekind weiterzuleitendes Taschen- und Bekleidungsgeld.
Der Beauftragung der X durch die GmbH lag Folgendes zugrunde: Das Jugendamt legte (entsprechend einer abstrakten Rahmenvereinbarung) einen Pflegesatz zugrunde und beauftragte die GmbH mit der Betreuung des Kindes. In die Vereinbarung zwischen dem Jugendamt und der GmbH war die X nicht als Vertragspartnerin einbezogen. Das von der GmbH an die X zu zahlende Honorar und der Sachkostenersatz wurden von der GmbH und der X ohne Einbeziehung des Jugendamts ausgehandelt.
Die GmbH behielt aus den vom Jugendamt gezahlten Tagessätzen einen Eigenanteil zurück. Von dem Restbetrag zahlte sie an die X die vertraglich geschuldeten Honorare, den Sachkostenersatz und das an das Pflegekind weiterzuleitende Taschen- und Bekleidungsgeld aus. Eine Kontrolle der Mittelverwendung bei der GmbH durch das Jugendamt fand nicht statt. Das Jugendamt war nicht berechtigt, die Verwendung der Mittel seitens der GmbH zu kontrollieren.
X behandelte in ihrer Einnahmen-Überschussrechnung die Honorare als Einnahmen und die übrigen Beträge (Sachkostenpauschale, weitergeleitetes Taschen- und Bekleidungsgeld) als durchlaufende Posten.
X ging davon aus, die ihr von der GmbH gezahlten Honorare seien nach § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG steuerfrei, da die GmbH lediglich zwischengeschaltet sei.
Das FA folgte dem nicht und setzte den erklärten Gewinn bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit an.
Das FG wies die Klage ab. Es fehle eine öffentliche Kontrolle der Verwendung der Mittel durch den kommerziellen privaten Träger (die GmbH).
Entscheidung: Keine öffentlichen Mittel i.S.v. § 3 Nr. 11 EStG
Öffentliche Mittel i.S.v. § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind Mittel, die aus einem öffentlichen Haushalt stammen, d.h. haushaltsmäßig als Ausgaben festgelegt und verausgabt werden. Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn die ausgewiesenen Mittel nicht unmittelbar aus einer öffentlichen Kasse, sondern mittelbar über Dritte gezahlt werden, sofern über die Mittel nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften verfügt werden kann und ihre Verwendung im Einzelnen gesetzlich geregelter Kontrolle unterliegt (BFH v. 5.11.2014, VIII R 29/11, BStBl II 2017, 432).
Die zusätzlichen Kriterien des BMF sind nicht maßgeblich
Für eine Zahlung aus öffentlichen Mitteln ist - entgegen der Auffassung des BMF (Schreiben v. 22.10.2018, BStBl I 2018, 1109, unter E) - nicht erforderlich, dass die Zahlungen bei dem zwischengeschalteten Träger "durchlaufende Posten" sind, d.h. unverändert weitergeleitet werden. Dass das Pflegegeld der Pflegeperson durch das Jugendamt zu bewilligen ist und zusätzlich eine dreiseitige Vereinbarung zwischen der Pflegeperson, dem Jugendamt und dem freien Träger über die Betreuung geschlossen werden muss, wird vom BFH nicht verlangt. Ein zivilrechtlicher Pflegevertrag zwischen dem Jugendamt und den Pflegeeltern (z.B. BFH v. 5.11.2014, VIII R 29/11, BStBl II 2017, 432, Rz 26) oder zwischen dem freien Träger und den Pflegeeltern genügt (BFH v. 14.7.2020, VIII R 27/18, BFH/NV 2021, 105). Auch die vom BMF für erforderlich gehaltene Vollmacht ist nicht notwendig. Für die Kontrolle der zweckgerichteten Mittelverausgabung genügt es, wenn die Feststellung, ob die für ein bestimmtes Kind bereitgestellten Mittel tatsächlich an die Pflegeperson vollständig abgeflossen sind, anhand vom freien Träger vorzulegender Unterlagen möglich ist (BFH v. 5.11.2014, VIII R 29/11, BStBl II 2017, 432).
Konkretisierung der Kriterien durch den BFH
Dem Jugendamt ist diese Prüfung nur möglich, wenn es weiß, ob und in welcher Höhe der freie Träger vom bewilligten Tagessatz einen Eigenanteil einbehält, welchen Restbetrag die Pflegeperson für die Betreuung (für Honorar, Sachkostenersatz und weiterzuleitendes Taschen- und Bekleidungsgeld) erhält und es dies billigt. Dies ist anhand geeigneter Unterlagen, etwa in einer Vereinbarung zwischen dem Jugendamt und dem freien Träger, zu dokumentieren. Ferner kann das Jugendamt die Mittelverwendung durch den freien Träger nur kontrollieren, wenn ihm gegen diesen ein Anspruch zusteht, aufgrund dessen es eine Rechnungslegung und geeignete Nachweise verlangen kann. Die Kenntnis und Billigung der Honorarvereinbarung zwischen dem freien Träger und der Pflegeperson sowie der zumindest vertragliche Rechnungslegungskontrollanspruch des Jugendamts gegen den freien Träger müssen kumulativ gegeben sein.
Revision unbegründet
Hiervon ausgehend ist die Revision nicht begründet. Es handelt sich nicht um öffentliche Mittel i.S.v. § 3 Nr. 11 EStG. Denn dem Jugendamt war nicht bekannt, wie die der GmbH gezahlten Tagessätze in einen Eigenanteil der GmbH und die für die Betreuung des Kindes an die X gezahlten Mittel aufgeteilt wurden. Die Vergütung der X wurde zwischen ihr und der GmbH ausgehandelt und bedurfte keiner Genehmigung des Jugendamts.
Hinweis: Abweichung von der BMF-Auffassung
Der BFH bekräftigt mit dieser Entscheidung seine bereits im Eilverfahren (BFH v. 10.12.2019, VIII S 12/19 (AdV), BFH/NV 2020, 357) vertretene Auffassung, dass die vom BMF verlangten Kriterien für das Vorliegen öffentlicher Mittel i.S.v. § 3 Nr. 11 EStG nicht maßgeblich sind (BMF v. 22.10.2018, BStBl I 2018, 1109, unter E).
BFH Urteil vom 25.03.2021 - VIII R 37/19 (veröffentlicht am 10.06.2021)
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