Verhältnis Grundlagenbescheid-Folgebescheid

Ein geänderter Grundlagenbescheid, der zugleich eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung enthält, ist wie eine erstmalige Feststellung in vollem Umfang in den Folgebescheid zu übernehmen. 

Hintergrund

Der Streit ging um die Berücksichtigung von Verlusten aus Spekulationsgeschäften. Zu entscheiden war, ob ein geänderter Feststellungsbescheid, mit dem zugleich der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, wie eine erstmalige Feststellung zu werten ist mit der Folge, dass sein Inhalt in vollem Umfang und ohne Bindung an in der Vergangenheit bereits erfolgte Übernahmen aus vorangegangenen Feststellungsbescheiden in den Folgebescheid zu übernehmen ist.

A war Gesellschafterin einer vermögensverwaltenden GbR. Diese erzielte in 1992 Verluste aus Spekulationsgeschäften (nunmehr: privaten Veräußerungsgeschäften). In dem bestandskräftigen Feststellungsbescheid wurde ihr in 1994 ein Verlust von 583.967 DM zugewiesen. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In dem 1995 ergangenen ESt-Bescheid und nachfolgenden bestandskräftigen Änderungsbescheiden blieb der Verlust wegen der seinerzeit geltenden Verlustbeschränkung (§ 23 Abs. 4 Satz 3 EStG a.F.) unberücksichtigt.

In 2000 erließ das Feststellungs-FA einen geänderten Feststellungsbescheid für 1992, in dem ein Spekulationsverlust von 588.378 DM enthalten war. In dem darauf in 2001 ergangenen ESt-Bescheid blieb der Spekulationsverlust weiterhin unberücksichtigt. Dagegen legte A Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens entschied der BFH, dass Spekulationsverluste aus den Jahren vor 1999 grundsätzlich uneingeschränkt ausgleichsfähig sind (BFH v. 1.6.2004, IX R 35/01, BStBl II 205, 26). In dem darauf in 2010 ergangenen ESt-Änderungsbescheid berücksichtigte das FA lediglich einen Spekulationsverlust von 4.413 (588.378 DM ./. 583.967 DM, rechnerisch 4.411 DM). Die dagegen erhobene Klage, mit dem A den Ansatz des Spekulationsverlusts in voller Höhe geltend machte, wurde vom FG zurückgewiesen.

Entscheidung

Der Erfolg der Klage hängt davon ab, ob der geänderte Feststellungsbescheid aus 2000 zugleich die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung enthielt. Denn in diesem Fall wäre er wie eine erstmalige Feststellung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften zu werten mit der Folge, dass die Besteuerungsgrundlagen in vollem Umfang (ohne Bindung an in der Vergangenheit bereits erfolgte Übernahmen aus vorangegangenen Feststellungsbescheiden) in den 2001 erlassenen und mit dem Einspruch angefochtenen Folgebescheid zu übernehmen wären.  

Der BFH führt grundsätzlich aus, dass die Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid keine Wiederaufrollung der gesamten Veranlagung rechtfertigt, sondern nur so weit reicht, wie es die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids verlangt. Ändert der Grundlagenbescheid einen bereits vollständig im Folgebescheid umgesetzten Grundlagenbescheid, greift die Änderungsbefugnis nur, soweit der geänderte Grundlagenbescheid über den bisherigen Grundlagenbescheid hinausgeht, d.h. nicht lediglich eine Wiederholung darstellt.

Anders ist es jedoch, wenn der geänderte Grundlagenbescheid zugleich eine Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung enthält. Er gilt dann als erstmalige Einzelfallregelung ohne wiederholenden Charakter. Die durch die Aufhebung des Vorbehalts entstandene Bindungswirkung umfasst folglich den gesamten Grundlagenbescheid. Auf die Frage, ob und in welchem Umfang Besteuerungsgrundlagen aus vorangegangenen (bestandskräftigen) Grundlagenbescheiden bereits in (bestandskräftigen) Folgebescheiden umgesetzt wurden, kommt es dann nicht an.

Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen. Dieses muss noch feststellen, ob mit dem geänderten Feststellungsbescheid aus 2000 zugleich ein im Feststellungsverfahren noch geltender Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde. Nur für diesen Fall würde hinsichtlich des Folgebescheids eine umfassende Anpassungsverpflichtung an den gesamten Regelungsinhalt des Feststellungsbescheids gelten.

Hinweis

Der Vorbehalt der Nachprüfung muss ausdrücklich aufgehoben werden, und zwar schriftlich oder elektronisch, da die Aufhebung einer Steuerfestsetzung gleichsteht. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, weshalb sich die entscheidungserhebliche Frage der Vorbehaltsaufhebung nicht den Akten entnehmen ließ.

BFH, Urteil v. 21.1.2014, IX R 38/13 (veröffentlicht am 28.5.2014)