Verfassungswidrige Änderungen von Steuergesetzen

Das BVerfG hat Änderungen des Bier-, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes aus 2004 und 1999 als verfassungswidrig eingestuft. Grund sind Kompetenzüberschreitungen der damaligen Vermittlungsausschüsse.

Mängel im Gesetzgebungsverfahren 

Der zweite Senat des BVerfG hat mit Beschlüssen vom 11.12.2018 und vom 15.01.2019 entschieden, dass im Jahr 2004 vorgenommene Änderungen des Biersteuergesetzes (BierStG) und des Einkommensteuergesetzes (EStG), sowie im Jahr 1999 vorgenommene Änderungen des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) verfassungswidrig sind. Grund sind in beiden Fällen Mängel im Gesetzgebungsverfahren, die den Vermittlungsausschuss betreffen.

Den Verfahren lagen Klagen von Steuerzahlern zugrunde, die durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 bzw. das Steuerbereinigungsgesetz 1999 belastet waren. Zwei Vorlagen (2 BvL 4/11 und 2 BvL 5/11) hatten die damalige Erhöhung der ermäßigten Biersteuersätze für kleinere Brauereien durch § 2 Abs. 2 S. 1 und 4 BierStG zum Gegenstand. Eine Vorlage (2 BvL 4/13) betraf die (erhöhte) Kürzung des Betriebsausgabenabzug von Bewirtungskosten durch § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG. Eine weitere Vorlage (2 BvL 1/09) betraf die Frage, ob die zeitliche Anwendungsregel des § 54 Abs. 9 S. 1 KStG in formell verfassungsmäßiger Weise zustande gekommen war. Geregelt worden war darin, dass die Vorschrift des § 23 Abs. 2 S. 5 KStG (zur Besteuerung von bestimmten Übernahmegewinnen mit einem Steuersatz von 45 %) bereits für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden war.

Rolle des Vermittlungsausschusses 

Das BVerfG begründet die Verfassungswidrigkeit der Gesetzesänderungen konkret damit, dass der Vermittlungsausschuss (auf dessen Vorschlag die Gesetzesänderungen vorgenommen wurden) seine grundrechtlich eingeräumten Kompetenzen überschritten hatte. Der Ausschuss darf eine Änderung, Ergänzung oder Streichung der vom Bundestag beschlossenen Vorschriften nur vorschlagen, wenn und soweit dieser Einigungsvorschlag im Rahmen des ihnen zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens verbleibt. Wird der Anrufungsauftrag auf einzelne Vorschriften begrenzt, muss der Vermittlungsausschuss zudem die übrigen Regelungen des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes als endgültig hinnehmen.

Änderungen des Biersteuergesetzes und des Einkommensteuergesetzes

In den Gesetzgebungsverfahren zur Bier- und Einkommensteuer konnte das sogenannte Koch/Steinbrück-Papier nach Gerichtsmeinung aufgrund der Art seiner Einführung und Behandlung im parlamentarischen Verfahrensgang keine Grundlage für die vom Vermittlungsausschuss vorgeschlagenen gesetzlichen Änderungen sein.

Änderung des Körperschaftsteuergesetzes

Bei der Änderung des Körperschaftsteuergesetzes zu umwandlungssteuerrechtlichen Übernahmegewinnen hatte der Vermittlungsvorschlag sowohl den Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens überschritten als auch die Grenzen des Anrufungsbegehrens, das nur die Besteuerung von Erträgen aus Kapitallebensversicherungen betraf.

Hinweis: Die Entscheidung des BVerfG entfaltet bei der Einkommen- und Biersteuer keine praktische Relevanz, weil die betroffenen Vorschriften anwendbar blieben und mittlerweile neu geregelt bzw. bestätigt worden sind. Bei der Körperschaftsteuer ist es hingegen zur Nichtigkeit von § 54 Abs. 9 S. 1 KStG 1999 (in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999) gekommen; dies wirkt sich aber lediglich auf den Veranlagungszeitraum 1999 aus.

BVerfG Beschluss vom 15.01.2019 - 2 BvL 1/09 und Beschlüsse vom 11.12.2018 - 2 BvL 4/11, 2 BvL 5/11, 2 BvL 4/13

BVerfG Pressemeldung vom 14.02.2019

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