Verbilligte Überlassung von GmbH-Anteilen als Arbeitslohn

Ist der gemeine Wert einer Beteiligung unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten zu schätzen, ohne dass das Stuttgarter Verfahren in Betracht kommt, hat das FG regelmäßig ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Hintergrund: Veräußerung eines GmbH-Anteils unter Wert

Die Y-GmbH war an der X-GmbH mehrheitlich beteiligt. Die Y-GmbH veräußerte in den Jahren 1997 bis zum Streitjahr 2000 und darüber hinaus mehrfach Teil-Geschäftsanteile an der X-GmbH an deren Geschäftsführer und leitende Mitarbeiter. Bei diesen Veräußerungen und anschließenden Weiter- und Rückveräußerungen wurden unterschiedliche Entgelte vereinbart. In 2000 veräußerte die Y-GmbH auch einen X-GmbH-Anteil an den Prokuristen A der X-GmbH. Die Veräußerung stand in Zusammenhang mit dem künftigen Einsatz des A als "Europamanager".

Das FA ging davon aus, der von A gezahlte Kaufpreis habe unter dem tatsächlichen Wert der Beteiligung gelegen und behandelte mit dem Hinweis darauf, dass der Veräußerer (Y-GmbH) Hauptgesellschafter der X-GmbH (Arbeitgeberin) war, die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem (nach dem Ertragswert geschätztem) Wert als Arbeitslohn. Dem folgte das FG und wies die Klage ab.

Entscheidung: Regelvermutung der Mitveranlassung durch das Arbeitsverhältnis

Auch bei der Zuwendung eines Dritten (Y-GmbH) kann Arbeitslohn vorliegen, wenn sie ein Entgelt "für" eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer (A) für seinen Arbeitgeber (X-GmbH) erbringt (Drittzuwendung). Das ist hier bei der verbilligten Überlassung des Geschäftsanteils der Fall. Denn die Zuwendung diente dazu, A zu einem weiteren Engagement für das Unternehmen der X-GmbH zu motivieren und ihn an dieses zu binden. Der Wert einer überlassenen Kapitalbeteiligung ist in erster Linie aus Veräußerungen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, abzuleiten (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Bei den hier vorliegenden Veräußerungen spricht jedoch bereits die Vermutung dafür, dass die objektiven Wertmaßstäbe von Angebot und Nachfrage nicht eingehalten wurden. Denn bei Verkäufen an Arbeitnehmer gilt die Regelvermutung, dass die Verträge (auch) wesentlich durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind. Diese Regelvermutung wird durch die vom FA festgestellten erheblichen Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Verkäufen und Rückübertragungen bestätigt.

Bewertung des Preisvorteils nach dem BewG

Der gemeine Wert der Zuwendung ist unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der X-GmbH zu schätzen (§ 11 Abs. 2 BewG). Nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften sind grundsätzlich nach dem auch für das Streitjahr noch anwendbaren Stuttgarter Verfahren zu bewerten (R 96 ff. ErbStR 1999). Von diesem Verfahren ist allerdings abzuweichen, wenn es aus besonderen Gründen des Einzelfalls zu einem offensichtlich unrichtigen Ergebnis führen würde. Davon ist im Streitfall auszugehen. Denn bei der X-GmbH handelte es sich um ein erst vor kurzem gegründetes stark wachsendes und expandierendes Unternehmen. Der in den Vorjahren erzielte gewichtete Durchschnittsertrag (R 99 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 ErbStR 1999) kann daher nicht zugrunde gelegt werden. Das Stuttgarter Verfahren kommt nicht in Betracht, wenn in Zukunft ein erheblich höherer Ertrag zu erwarten ist (BFH v. 1.2.2007, II R 19/05, BStBl II 2007 S. 635).

Zurückverweisung zur Nachholung eines Gutachtens

Auch wenn sich das FG sonach zutreffend nicht auf das Stuttgarter Verfahren gestützt hat, war seine Schätzung gleichwohl zu beanstanden. Denn das FG hat eine Berechnung des FA herangezogen, die allein auf der Basis der Ertragsaussichten erstellt wurde. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG muss die Schätzung jedoch die Ertragsaussichten und auch das Vermögen berücksichtigen. Eine Ausschließlich am Ertrag ausgerichtete Schätzung ist unzulässig. Der BFH hob daher das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG hat ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen, es sei denn, es verfügt selbst über die erforderliche Sachkunde.

Hinweis: Ertragsprognose aus der Sicht eines Erwerbers

Bei der Bewertung nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen spielen die Prognosen für künftige Entwicklungen eine entscheidende Rolle. Bei mehreren anerkannten, auch für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Bewertungsmethoden, ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber des Geschäftsanteils der Bemessung des Kaufpreises zugrunde gelegt hätte (BFH v. 27.8.2014, II R 43/12, BStBl II 2015 S. 421). Dem entspricht die Neuregelung in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG i.d.F. ab 2009. Dabei ist im Hinblick auf § 11 Abs. 2 BewG in der für das Streitjahr 2000 (noch) geltenden Fassung eine Methode zu wählen, bei der die Bewertung unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft erfolgt (BFH v. 1.9.2016, VI R 67/14, BStBl II 2017 S. 69).

BFH, Urteil v. 15.3.2018, VI R 8/16, veröffentlicht am 27.6.2018.

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