BFH

Zu den Anforderungen an eine Rechnung im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG


Unberechtigter Steuerausweis

Die Anforderungen an eine Rechnung im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG erfüllt ein Dokument jedenfalls dann, wenn es den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und Angaben zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält (Bestätigung der Rechtsprechung).

Hintergrund: Unberechtigter Steuerausweis

Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 203 MwStSystRL. Die Mehrwertsteuer wird danach von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.

Sachverhalt: Gutschriften mit Steuerausweis einer GmbH für Beobachtungsstudien

  • Die Klägerin, eine GmbH, führte für pharmazeutische Unternehmen Beobachtungsstudien (Studien) durch.
  • In den Jahren Streitjahren 2014 bis 2016 war die Klägerin insoweit für die Auftraggeber GmbH (F) und GmbH (G) tätig. Die vertraglich festgelegten Aufgaben der Klägerin umfassten dabei Projektkoordination, Datenmanagement, Honorarverwaltung und die Erstellung von Statusberichten sowie weitere Leistungen nach Absprache.
  • Die Auftraggeber schlossen daneben mit jedem an den Studien teilnehmenden Arzt einen sogenannten "Prüfarztvertrag" ab, wonach dem Arzt jeweils ein Honorar für seine Leistungen, insbesondere für dessen Dokumentationsaufwand, zustand.
  • Die Klägerin, die mit den an den Studien teilnehmenden Ärzten selbst keine Verträge abgeschlossen hatte, zahlte im Rahmen der mit den Auftraggebern vereinbarten Honorarverwaltung die Honorare der Ärzte im Auftrag und Namen der Auftraggeber an die Ärzte aus. Hierfür erteilte die Klägerin den Ärzten entsprechende Gutschriften mit Steuerausweis. Die für die Zahlung erforderlichen Geldbeträge stellten F beziehungsweise G der Klägerin zur Verfügung.
  • In den Streitjahren übersandte die Klägerin ihren Auftraggebern im Rahmen der Honorarverwaltung sogenannte "Abforderungsschreiben" für Honorare, in denen sie jeweils unter Angabe einer fortlaufenden "Abforderungs-Nr.", einer "Angebots-Nr." der Klägerin, einer "Bestell-Nr." des jeweiligen Auftraggebers, einer Kurzbeschreibung des "Projekts" und eines "Lieferdatums" sowie offen ausgewiesener Umsatzsteuer zur Überweisung der abgeforderten Beträge auf ein von ihrem sonstigen Konto abweichendes "Honorarkonto" aufforderte. Die Klägerin erfasste die von ihren Auftraggebern abgeforderten Geldbeträge als durchlaufende Posten.
  • Im Rahmen einer Außenprüfung gelangten das Finanzamt zu der Auffassung, dass der in den "Abforderungsschreiben" vorgenommene Steuerausweis unberechtigt erfolgt sei und die Klägerin die ausgewiesene Steuer gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung schulde.

FG hat Klage als unbegründet abgewiesen

Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Die "Abforderungsschreiben" erfüllten die Voraussetzungen für Rechnungen im Sinne des § 14c UStG. Es könne dahinstehen, ob sich aus der Bezugnahme auf die Angebote der Klägerin und die Bestellungen der Auftraggeber, die nicht ersichtlich machten, auf welche konkreten Leistungen welcher Ärzte die "Abforderungsschreiben" sich bezögen, eine im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 UStG hinreichende Leistungsbeschreibung entnehmen lasse. Die von der Klägerin mit den von ihr erteilten "Abforderungsschreiben" geschaffene abstrakte Gefahr des Vorsteuerabzugs reiche aus, eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG entstehen zu lassen.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Ihren Auftraggebern stehe der Vorsteuerabzug zwar nicht aus den "Abforderungsschreiben", aber aus den Gutschriften, die sie den Ärzten in deren Namen und Auftrag für die im Rahmen der Studien erbrachten und bezahlten Leistungen erteilt habe, materiell-rechtlich zu.

Entscheidung: Unberechtigter Steuerausweis in den Abforderungsschreiben

Die Entscheidung des FG, wonach die streitgegenständlichen "Abforderungsschreiben" die Voraussetzungen für Rechnungen im Sinne des § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG erfüllen und die Klägerin die dort unberechtigt gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge nach § 14c Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 2 UStG schuldet, ist nach Auffassung des BFH revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Abstrakte Gefährdung des Steueraufkommens ausreichend

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH soll Art. 203 MwStSystRL der Gefährdung des Steueraufkommens entgegenwirken, die sich unter anderem aus dem Recht auf Vorsteuerabzug ergeben könnte. Der Aussteller einer Rechnung, in der ein Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen ist, schuldet diesen Betrag unabhängig von einem Verschulden, wenn eine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt. Folglich kommt Art. 203 MwStSystRL zur Anwendung, wenn die Mehrwertsteuer zu Unrecht in Rechnung gestellt wurde und eine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil der Adressat der in Rede stehenden Rechnung sein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen kann. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist nicht vollständig beseitigt, solange der Adressat einer Rechnung, in der die Mehrwertsteuer zu Unrecht ausgewiesen ist, diese noch dazu nutzen kann, das Recht zum Vorsteuerabzug auszuüben.

Nicht alle in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Pflichtangaben erforderlich

Der im Sinne des § 14c Abs. 1 UStG unrichtige und der im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG unberechtigte Steuerausweis setzen nicht voraus, dass die Rechnung alle in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Pflichtangaben aufweist. Die Anforderungen an einen unberechtigten Steuerausweis erfüllt eine Rechnung jedenfalls bereits dann, wenn sie den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und Angaben zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält.

Auch Bezugnahmen auf andere Dokumente zu berücksichtigen

Zutreffend hat das FG festgestellt, dass die "Abforderungsschreiben", die die Klägerin unter ihrem im geschäftlichen Verkehr verwendeten Briefkopf an ihre Auftraggeber erstellt hat, selbst keine Leistungsbeschreibung enthielten. Die "Abforderungsschreiben" nahmen jedoch Bezug auf andere Unterlagen. Sie enthielten im Betreff eine fortlaufende "Abforderungs-Nr.", eine "Angebots-Nr." der Klägerin, eine "Bestell-Nr." des jeweiligen Auftraggebers, eine Kurzbeschreibung des "Projekts" und ein "Lieferdatum". Aus den in Bezug genommenen Unterlagen ergibt sich, dass die Klägerin im Hinblick auf die Auszahlung der Honorare der Ärzte "als Zahlstelle" im Namen und im Auftrag ihrer Auftraggeber im Rahmen der mit ihren Auftraggebern vereinbarten Honorarverwaltung fungieren sollte.

Gefährdung des Steueraufkommens im Urteilsfall

Die Klägerin forderte mit den "Abforderungsschreiben" Honorare an, um – wie auch aus den vom FG in Bezug genommen "Prüfarztverträgen" ersichtlich – die Leistungen der Ärzte im Namen und im Auftrag der Auftraggeber im Gutschriftswege abzurechnen. Eine Gefährdung des Steueraufkommens wäre dadurch an sich nicht zu besorgen (gewesen). Allerdings kann nach den Verhältnissen des Streitfalls eine Gefährdung des Steueraufkommens nicht verneint werden, weil es die Klägerin dabei nicht belassen, sondern trotz dieser Gegebenheiten Umsatzsteuer offen ausgewiesen hat. Diese Angabe war für ein Zahlungspapier überflüssig und in sich widersprüchlich. Die Klägerin ist mit den „Abforderungsschreiben“, die sie selbst gestaltet, formuliert und um einen Steuerausweis ergänzt hat, nicht lediglich ihren vertraglichen Pflichten nachgekommen, Dokumente des Zahlungsverkehrs gegenüber ihren Auftraggebern zu erstellen. Ebenso wenig trifft es zu, dass es sich um ein nicht von der Klägerin gesetztes Risiko handele. Mit dem überflüssigen Steuerausweis und den damit verbundenen widersprüchlichen Angaben hat die Klägerin das Risiko gesetzt. Zumindest bei einem Teil der Empfänger der „Honorarabforderungen“ hat sich dieses Risiko auch realisiert, indem die Klägerin bei ihnen im Ergebnis die Fehlvorstellung hervorgerufen hat, dass mit den „Abforderungsschreiben“ über steuerpflichtige Leistungen der Ärzte im Rahmen der durchgeführten Studien abgerechnet werde, so dass bereits mit den „Honorarabforderungen“ ein Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt werden könne und die Erteilung der Gutschriften durch die Klägerin nicht abgewartet werden müsse.

Praxishinweis: Ergänzung der Regelung mit dem Jahressteuergesetz 2024

Durch Art. 24 des JStG 2024 v. 2.12.2024, BGBl 2024 I Nr. 387, wurde u.a. § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG neu gefasst. Das BMF hat in einem aktuellen Schreiben v. 8.7.2025 zu den Änderungen u.a. des § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG (Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Gutschriften) Stellung genommen (BMF, Schreiben v. 8.7.2025, III C 2 - S 7295/00005/003/080, BStBl 2025 I S. 1479).

BFH, Beschluss v. 19.3.2025, XI R 4/22; veröffentlicht am 14.8.2025

Alle am 14.8.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen



Schlagworte zum Thema:  Rechnung , Umsatzsteuer , Vorsteuerabzug
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