Umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen durch Privatkrankenhäuser
Hintergrund
Zu entscheiden war, ob sich eine nach deutschem Umsatzsteuerrecht nicht begünstigte Privatklinik zur Erlangung der USt-Befreiung unmittelbar auf die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie berufen kann.
Eine GmbH betrieb im Streitjahr 2009 eine Klinik für Psychotherapie. Das FA ging davon aus, die Leistungen seien nach der Neuregelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG steuerpflichtig. Danach sind Krankenhausbehandlungen u.a. steuerfrei, wenn sie von nach dem Sozialgesetzbuch V zugelassenen Krankenhäusern erbracht werden. Das sind Hochschulkliniken, in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommene Krankenhäuser (Plankrankenhäuser) und Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen (Kassenverbänden) abgeschlossen haben. Da die GmbH diese Voraussetzungen unstreitig nicht erfüllte, setzte das FA entsprechend USt fest.
Das FG gab dagegen der Klage mit der Begründung statt, die GmbH könne sich auf das für sie günstigere Unionsrecht berufen. Mit dem Unionsrecht sei es nicht vereinbar, die Steuerfreiheit für Krankenhäuser unter einen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt zu stellen.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision zurück. Das nationale USt-Recht steht nicht in Einklang mit den zwingend umzusetzenden Vorgaben des Unionsrechts. Danach sind u.a. Krankenhausbehandlungen, die von öffentlich-rechtlichen oder in sozialer Hinsicht vergleichbaren Einrichtungen, von Krankenanstalten und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt werden, steuerbefreit (Art 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL; vorher Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b RL 77/288/EWG). Es ist Sache jedes Mitgliedstaats, die Regeln für die erforderliche Anerkennung aufzustellen.
Die nationale Regelung stellt die Steuerfreiheit von Krankenhäusern, die von Unternehmern betrieben werden, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechs sind, unter einen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt, der mit dem Unionsrecht unvereinbar ist. Das Unionsrecht enthält für den nationalen Gesetzgeber keine Befugnis zur Kontingentierung von Steuerbefreiungen. Die nach Unionsrecht geforderte Anerkennung der GmbH ergibt sich aus dem mit ihrer Tätigkeit verbundenen Gemeinwohlinteresse, der Steuerfreiheit vergleichbarer Unternehmer und aus der Übernahme der Kosten für die von der GmbH erbrachten Leistungen durch Krankenkassen und Beihilfestellen. Für die Vergleichbarkeit ist erforderlich, dass der Anteil gesetzlich versicherter Patienten nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Diese Voraussetzung sieht der BFH im Streitfall bei einer Quote von 35 % als erfüllt an, wobei zudem darüber hinaus auch Beihilfeberechtigte mit Kostenerstattungsanspruch behandelt wurden.
Hinweis
Der BFH ergänzt noch, dass es für die Vergleichbarkeit in sozialer Hinsicht nicht darauf ankommt, ob gesetzlich Versicherte einen Behandlungsanspruch haben. Entscheidend ist, dass die Behandlungen den gesetzlich und privat Versicherten unter gleichen Bedingungen erbracht werden. Die Vergleichbarkeit bezieht sich auf die Art und Weise der Leistungserbringung. Sie dient nicht dazu, Zulassungsbeschränkungen für den Kreis der zur steuerfreien Leistungserbringung berechtigten Unternehmer zu rechtfertigen.
Für die Praxis wichtig ist, dass die Steuerfreiheit nach Unionsrecht dem Unternehmer lediglich die Möglichkeit gibt, sich auf die Befreiung zu berufen. Er ist jedoch nicht dazu gezwungen. Mit der Steuerbefreiung einher geht die Versagung des Vorsteuerabzugs. Erweist sich für das Krankenhaus - z.B. wenn in größerem Umfang Investitionen durchgeführt wurden - der Vorsteuerabzug als die günstigere Lösung, wird es sich empfehlen, von der Berufung auf das Unionsrecht abzusehen und es bei der nationalen Besteuerung zu belassen.
Urteil v. 23.10.2014, V R 20/14, veröffentlicht am 25.2.2015
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