Umsatzabhängige Tantiemen bei Aktiengesellschaft anzuerkennen

Eine Vergütungsvereinbarung zwischen einer AG und einem Vorstandsmitglied, das zugleich Minderheitsaktionär der AG ist, genügt nur dann dem Fremdvergleich nicht, wenn die Umstände des Einzelfalles eindeutig darauf schließen lassen, dass sich der Aufsichtsrat bei der Vergütungsvereinbarung einseitig an den Interessen des Vorstandsmitglieds ausgerichtet hat.

Davon ist bei einem Aufsichtsrat, der mit Personen besetzt ist, die dem als Minderheitsaktionär beteiligten Vorstandsmitglied nicht nahestehen, nur auf der Grundlage besonderer Umstände auszugehen.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Unter einer verdeckte Gewinnausschüttung (kurz: vGA) im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG (für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG) auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht.

Streitfrage: Gewinn- und Umsatztantiemen eines Minderheitsaktionärs einer AG als vGA

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Gewinn- und Umsatztantiemen, die der alleinvertretungsberechtigte Vorstand (zugleich ein Minderheitsaktionär) einer AG als Vorstandsvergütung erhalten hat. Streitig ist, ob die genannten Vergütungen bei Minderheitsaktionären vGA darstellen.

Sachverhalt: Umsatz- und gewinnabhängige Tantiemezahlungen

Dem Rechtsstreit liegt verkürzt dargestellt folgender Sachverhalt zugrunde:

  • Unternehmensgegenstand der Klägerin, einer AG, war in den Streitjahren 2012 bis 2016 die Verwaltung und Verwertung eigenen Vermögens, insbesondere der Erwerb und die Veräußerung von Grundbesitz, sowie die Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben.
  • Alleinvertretungsberechtigter Vorstand (in den Streitjahren zugleich zu 1/3 als Aktionär an der Klägerin beteiligt) war durchgehend K; dieser war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
  • Dem Aufsichtsrat gehörten in den Streitjahren der Vorsitzende P, der stellvertretende Vorsitzende D und F an; P und F waren zudem als Aktionäre zu je einem Drittel an der Klägerin beteiligt.
  • Zwischen der Klägerin und K bestand ein Vorstands-Anstellungsvertrag, der unter anderem vorsah, dass K gewinn- und umsatzabhängige Zahlungen erhalten sollte.
  • Im Zuge einer Außenprüfung änderte das FA unter anderem die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide der Streitjahre. Das FA qualifizierte hierbei die an K gezahlten Vergütungen insgesamt (Umsatztantieme [nach Abzug des Fixums]) beziehungsweise teilweise (Gewinntantieme) als vGA.
  • Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Revisionsbegründung der AG

Im Rahmen ihrer Revision bringt die AG vor, dass die wesentlichen Unterschiede zwischen einer GmbH und einer AG, die bei der Vereinbarung der Vorstandsvergütung von einem mit fremden Dritten besetzten Aufsichtsrat vertreten werde, vom FG nicht zutreffend gewürdigt worden seien.

Entscheidung: Umsatzabhängige Tantiemen kann bei Aktiengesellschaft anzuerkennen sein

Die Revision der AG führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG. Soweit die Vorinstanz die den Zahlungen der Umsatztantiemen zugrunde liegende Vereinbarung als nicht fremdüblich qualifiziert hat, kann die Entscheidung keinen Bestand haben, da sie auf einer unvollständigen Würdigung aller für den Fremdvergleich maßgeblichen Gesichtspunkte beruht. Am gleichen Mangel leidet auch die Entscheidung des FG zur Gewinntantieme.

Keine Beherrschungssituation

Bei Vereinbarungen zwischen der AG und einem Vorstandsmitglied, das "lediglich" Minderheitsaktionär ist, ist eine Beherrschungssituation nicht gegeben. Insbesondere verfügt der Minderheitsaktionär nicht über die für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder erforderliche Mehrheit in der Hauptversammlung und hat folglich nicht ohne Weiteres die Möglichkeit, ihm genehme und seinen Wünschen geneigte Personen zu Aufsichtsratsmitgliedern zu wählen.

Rechtsprechung zur Begrenzung der Umsatztantieme

Das FG hat sich bei seiner Würdigung nicht mit der Frage befasst, ob sich der Aufsichtsrat, der von K nicht beherrscht war, einseitig an den Interessen des von den Tantiemezahlungen begünstigten Aktionärs K orientiert hat. Vielmehr ist das FG im Ausgangspunkt rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass bei Vereinbarungen der AG mit dem Minderheitsaktionär-Vorstand letztlich nur die "normalen" – zu GmbH-Gesellschaftern entwickelten – vGA-Grundsätze anzuwenden seien. 

Soweit der BFH in seiner Rechtsprechung eine Begrenzung der Umsatztantieme verlangt, beruht dies auf der Überlegung, dass solche Tantiemen die Gefahr einer Gewinnabsaugung beziehungsweise "einer die Rendite vernachlässigenden Umsatzsteigerung" in sich bergen. Solche Risiken bestehen aber nicht, wenn in einem besonders gelagerten Einzelfall die Gewinnträchtigkeit beziehungsweise Rentabilität der Geschäftstätigkeit – unter Berücksichtigung von zu zahlenden Umsatztantiemen – nach der üblichen betrieblichen Praxis von einem mit unabhängigen Personen besetzten Aufsichtsrat vorab kontrolliert und damit sichergestellt wird.

Die Aufsichtsratsmitglieder P und F waren zu je einem Drittel selbst an der Klägerin beteiligt und hatten prima facie kein Interesse daran, Gewinne verdeckt und damit disquotal an K auszuschütten. Bei dem nicht an der Klägerin beteiligten Aufsichtsratsmitglied D spricht auf der Grundlage der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen nichts dafür, dass dieser einseitig K habe begünstigen wollen.

Nichtberücksichtigung erwirtschafteter Verluste bei der Gewinntantieme

Die steuerrechtliche Beurteilung der Gewinntantieme durch das FG kann ebenfalls keinen Bestand haben. Zwar hat der BFH in seiner zu GmbH-Strukturen ergangenen Rechtsprechung bei der Vereinbarung und Bemessung von Gewinntantiemen die Nichtberücksichtigung erwirtschafteter Verluste als regelmäßig fremdunübliches Verhalten angesehen (BFH, Urteil v. 18.9.2007. I R 73/06, BStBl II 2008, 314, m.w.N.; BFH, Beschluss v. 4.5.2011, I B 93/10, BFH/NV 2011, 1920). Auch insoweit hat das FG jedoch die zu GmbH-Konstellationen entwickelten Rechtsgrundsätze auf den Streitfall übertragen, ohne die Strukturunterschiede zwischen AG und GmbH zu berücksichtigen. Zur Klärung der Frage, ob der Aufsichtsrat sich einseitig an den Interessen des K orientiert oder auf einen gerechten Ausgleich der beiderseitigen Interessen abgezielt hat, hätte das FG sowohl die Strukturunterschiede als auch die Zeugenaussagen von P und F in seine Würdigung einbeziehen müssen.

Da das FG maßgebliche Beweisanzeichen bei seiner Gesamtwürdigung außer Acht gelassen hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das Revisionsgericht kann die Durchführung des Fremdvergleichs, die eine Würdigung aller Beweisanzeichen erfordert, nicht selbst vornehmen. Das FG hat daher im zweiten Rechtsgang die Sache insgesamt erneut zu beurteilen.

Hinweis: Bisherige Rechtsprechung zur Umsatztantieme

Der BFH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung Umsatztantiemen in GmbH-Strukturen in der Regel als vGA gewürdigt (vgl. BFH, Urteilev. 19.2.1999, I R 105-107/97, BStBl II 1999, 321; BFH, Beschluss v. 12.10.2010, I B 70/10, BFH/NV 2011, 301). Auch im o.g. Urteilsfall hatte das FG die Umsatztantieme-Vereinbarung auf der Grundlage dieser Rechtsprechung im Wesentlichen deshalb nicht anerkannt, weil die Tantieme nicht zeitlich und höhenmäßig begrenzt gewesen sei. Soweit die Rechtsprechung eine Begrenzung der Umsatztantieme verlangt, beruht dies auf der Überlegung, dass solche Tantiemen die Gefahr einer Gewinnabsaugung beziehungsweise "einer die Rendite vernachlässigenden Umsatzsteigerung" in sich bergen (vgl. z.B. BFH, Urteil v. 19.2.1999, I R 105-107/97, BFHE 188, 61, BStBl II 1999, 321). Dies besagt aber nicht, dass diese Vergütungsform bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH generell als vGA anzusehen ist. Eine solche liegt nach den Ausführungen des BFH im o.g. Urteilsfall dann nicht vor, wenn im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, die die Gewährung einer umsatzabhängigen Vergütung ausnahmsweise als sachgerecht erscheinen lassen. Die vom BFH bereits anerkannten "Ausnahmen" (BFH, Urteile v. 20.9.1995, I R 130/94, BFH/NV 1996, 508, zur Aufbauphase des Unternehmens; v. 28.6.2006, I R 108/05, BFH/NV 2007, 107, zu einem ausschließlich für den Vertrieb zuständigen Geschäftsführer) seien nicht abschließend. Entscheidend sei das Vorliegen besonderer betriebsbezogener Gründe im Einzelfall (BFH, Beschluss v. 9.6.2004, I B 10/04, BFH/NV 2004, 1424, zu Umsatztantiemen für einen AG-Vorstand, der 35 % der Aktien hielt).

BFH, Urteil v. 24.10.2024, I R 36/22; veröffentlicht am 13.3.2025

Alle am 13.3.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen