Totalgewinnprognose bei Übertragung eines Landwirtschaftsbetriebs
Hintergrund: Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebs unter Nießbrauchsvorbehalt
Nachdem die Eheleute zunächst über 10 Jahre einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Ackerbau und Viehzucht geführt hatten, betrieben sie auf dem Gelände seit 1997 eine Pferdepension. Dazu errichteten sie in 1996 bis 2005 umfangreiche Anlagen (Reithallen und Pferdeboxen). In 2000 übertrugen sie den Betrieb auf ihren Sohn und behielten sich für 5 Jahre das Nießbrauchsrecht vor. Die Eheleute gingen davon aus, sie würden mit der Pferdepension in Zukunft Gewinne erzielen und legten entsprechende Wirtschaftlichkeitsberechnungen vor. Für die Streitjahre 2002 bis 2004 machten sie Verluste geltend.
Das FA lehnte eine Gewinnerzielungsabsicht aus Rechtsgründen ab. Wegen des Nießbrauchs sei die Gewinnprognose auf die Dauer des Nießbrauchsrechts (5 Jahre) zu beschränken. In diesem Zeitraum (bis 2005) und auch darüber hinaus bis 2011 sei kein Überschuss erwirtschaftet worden. Dementsprechend lehnte das FA die Feststellung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft ab. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt sei für die Prognose unschädlich. Aufgrund der generationsübergreifenden Betrachtung ergebe sich eine positive Prognose.
Entscheidung: Der Nießbrauchsvorbehalt steht einer generationsübergreifenden Totalgewinnprognose nicht entgegen
An der Gewinnerzielungsabsicht fehlt es, wenn die Prognose des zu erwirtschaftenden Totalgewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübt. Für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Totalgewinnperiode objektbezogen ist und daher mehr als eine Generation umfassen muss. Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist eine auf den konkreten Einzelfall bezogene wirtschaftliche Betrachtung, wenn bereits der aktuell zu beurteilende Steuerpflichtige die wirtschaftliche Grundlage des späteren Erfolgs in Form von positiven Einkünften bei seinem unentgeltlichen Rechtsnachfolger gelegt hat. Die Annahme einer generationenübergreifenden Totalgewinnperiode setzt daher die Identität der Betriebe des Rechtsvorgängers und des Rechtsnachfolgers voraus (BFH Urteil vom 07.04.2016 - IV R 38/13, BStBl II 2016 S. 765).
Die Totalgewinnprognose beschränkt sich nicht auf die Dauer des Nießbrauchs
Die durch den Nießbrauchsvorbehalt entstehende doppelte Betriebsstruktur in Gestalt des (ruhenden) Eigentümerbetriebs und des (wirtschaftenden) Nießbrauchsbetriebs steht der generationenübergreifenden Totalgewinnprognose nicht entgegen. Die Eigentumsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist im Hinblick auf den wirtschaftenden Betrieb im Ergebnis weitgehend irrelevant, da die Einkünfte mit Ausnahme der Gewinne aus der Veräußerung von Anlagevermögen innerhalb derselben Betriebsstruktur weiterhin von dem bisherigen Eigentümer (nunmehr als Nießbraucher) erzielt werden und es steuerrechtlich keinen Unterschied macht, ob der wirtschaftende Betrieb zusammen mit dem Eigentumsübergang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Wegfall des Nießbrauchs übertragen wird. Denn mit der Beendigung des Nießbrauchs fallen der ruhende Eigentümerbetrieb und der wirtschaftende Nießbrauchsbetrieb weg, so dass ab diesem Zeitpunkt der Betrieb wieder in der ursprünglichen Form als aktiv bewirtschafteter Eigentumsbetrieb nunmehr vom Rechtsnachfolger fortgeführt wird.
Im Ergebnis wird der während des Nießbrauchs in zwei Betriebe (ruhender Eigentümerbetrieb und aktiver Nießbrauchsbetrieb) aufgespaltene Betrieb in der Person des Rechtsnachfolgers wieder vereinigt. Diese Vorgänge führen nicht zu einer Betriebsaufgabe, sondern zu einer steuerneutralen Betriebsübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG. Soweit während der Zeit der Nießbrauchsbestellung zwei Betriebe existieren, sind diese im Rahmen der Totalgewinnprogose fiktiv zu konsolidieren. Das hat aber lediglich zur Folge, dass etwaige Leistungsbeziehungen zwischen diesen Betrieben zur Ermittlung eines Totalgewinns eliminiert werden (BFH Urteil vom 07.04.2016 - IV R 38/13, BStBl II 2016 S. 765).
Zurückverweisung zur Nachholung der Totalgewinnprognose
Das FG legte zwar eine positive Totalgewinnprognose zugrunde, hat aber in seinem Urteil nicht nachvollziehbar dargestellt, aus welchen Tatsachen es diese Folgerung gezogen hat. Das FG wird unter weiterer Sachaufklärung zu prüfen haben, inwieweit der Pensionsbetrieb in der Lage war, die aufgelaufenen Verluste durch künftige Gewinne zu kompensieren. Der BFH hält dafür einen Prognosezeitraum von 30 Jahren ab der Umstrukturierung zum Pensionsbetrieb für sachgerecht.
Hinweis: Anwendung der zu einem Forstbetrieb entwickelten Grundsätze
Der BFH bezieht sich im Wesentlichen auf das Urteil vom 07.04.2016 - IV R 38/13 (BStBl II 2016, 765). Der BFH bejaht dort die generationsübergreifende Totalgewinnprognose für einen zunächst unter Nießbrauchsvorbehalt an die nächste Generation übertragenen Forstbetrieb. Für den Forst ist kennzeichnend, dass derjenige, der die Aufwendungen für die Anpflanzung trägt, in der Regel nicht auch derjenige ist, der den Ertrag aus dem Holzeischlag erzielt. Die Wachstumsperiode des Baumbestands kann sich über 100 Jahre erstrecken. Deshalb sind im Rahmen einer generationsübergreifenden Prognose auch über viele Jahre hinweg erzielte Verluste anzuerkennen. Dementsprechend ist in der Forstwirtschaft ein langer Prognosezeitraum zugrunde zu legen. Trotz dieser Besonderheiten der Forstwirtschaft sind die zur Totalgewinnprognose entwickelten Grundsätze auf landwirtschaftliche Betriebe – allerdings mit einem entsprechend kürzeren Prognosezeitraum – zu übertragen.
BFH Urteil vom 23.10.2018 - VI R 5/17 (veröffentlicht am 09.01.2019)
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