Abzug nicht verbrauchter Erhaltungsaufwendungen beim Erblasser
Hintergrund: Erhaltungsaufwendungen des Erblassers
Zu entscheiden war, ob noch nicht berücksichtigte Erhaltungsaufwendungen i.S.d. § 82b EStDV im Todesjahr in einer Summe beim Erblasser abziehbar sind oder ob die Verteilung beim Erben fortgeführt wird.
A war Eigentümer eines von ihm vermieteten Hausgrundstücks. Für seine Erhaltungsaufwendungen der Jahre 2012 bis 2015 hatte er die Verteilung auf fünf Jahre nach § 82b EStDV gewählt. In 2016 (Streitjahr) waren rund 30.000 EUR an Erhaltungslaufwendungen noch nicht berücksichtigt.
Im Januar 2016 ging das Grundstück im Erbwege auf eine Erbengemeinschaft über. An dieser war B (die frühere Ehefrau des A) beteiligt.
B erklärte für 2016 die Vermietungseinkünfte des A für Januar 2016 unter Abzug des zum Zeitpunkt des Todes noch nicht berücksichtigten Teils der Erhaltungsaufwendungen.
Das FA ging davon aus, lediglich der auf Januar 2016 entfallende Anteil der an sich für 2016 angefallenen Jahresbeträge sei zu berücksichtigen. Die Restbeträge seien bei der Erbengemeinschaft im Rahmen derer gesonderter und einheitlicher Feststellungen zu berücksichtigen. Die Verteilung der Erhaltungsaufwendungen nach § 82b EStDV sei bei dieser fortzuführen.
Dem widersprach das FG und gab der Klage statt. Erhaltungsaufwendungen i.S.v. § 82b EStDV gingen nicht auf die Erben über. Der nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen sei beim Erblasser im Veranlagungszeitraum seines Todes in einer Summe abziehbar.
Entscheidung: Abzug der nicht verbrauchten Werbungskosten beim Erblasser
Der BFH bestätigt die Auffassung des FG. Der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen ist im Veranlagungsjahr des Versterbens in vollem Umfang als Werbungskosten des Erblassers im Rahmen der Einkünfte aus VuV abzusetzen.
Zweck des § 82b Abs. 1 EStDV
Die Regelung dient dazu, durch eine interperiodische Verteilung der Erhaltungsaufwendungen die Tarifprogression auszugleichen (BFH v. 13.3.2018, IX R 22/17, BFH/NV 2018, 824, Rz 33). Dieser Zweck wird jedoch verfehlt, wenn wegen Versterbens des Steuerpflichtigen eine weitere Ausnutzung der Tarifprogression durch ihn nicht mehr möglich ist. Denn mit dem Tod endet die auf die natürliche Person bezogene Einkünfteerzielung. Der bislang nicht berücksichtigte Teil der Aufwendungen kann daher nur im Veranlagungszeitraum des Versterbens berücksichtigt werden. Verstirbt der Steuerpflichtige innerhalb des Verteilungszeitraums, ist der noch nicht berücksichtigte Teil der Erhaltungsaufwendungen somit im Veranlagungszeitraum seines Versterbens als Werbungskosten abzusetzen.
Mit § 82b Abs. 2 EStDV vergleichbare Rechtslage
Die Situation des Streitfalls ist vergleichbar mit den in § 82b Abs. 2 EStDV genannten Fällen (Veräußerung des Gebäudes, Einbringung in ein Betriebsvermögen), in denen eine weitere Berücksichtigung im Wege der Verteilung der Aufwendungen nicht mehr möglich und daher der Sofortabzug eröffnet ist. Die von A getragenen Erhaltungsaufwendungen haben dessen persönliche Leistungsfähigkeit sofort gemindert und sind daher spätestens im Veranlagungszeitraum des Versterbens als Werbungskosten abziehbar.
Kein Übergang der Erhaltungsaufwendungen auf die Erbengemeinschaft
Eine ausdrückliche Regelung für die Überleitung von Erhaltungsaufwendungen i.S.d. § 82b Abs. 1 EStDV nach dem Tod des Erblassers existiert nicht. Auch eine analoge Anwendung von § 11d EStDV scheidet aus (BFH v. 13.3.2018, IX R 22/17, BFH/NV 2018, 824, zum Erlöschen eines Vorbehaltsnießbrauchs). Die Übertragung ergibt sich nicht aus der Gesamtrechtsnachfolge. Denn Erblasser und Erbe sind verschiedene Rechtssubjekte, die jeweils für sich zur ESt herangezogen und deren Einkünfte getrennt ermittelt bzw. zugerechnet werden (BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608). Daraus ergibt sich, dass die bei A bis zu seinem Tod nicht verbrauchten Erhaltungsaufwendungen nicht auf die Erben als Gesamtrechtsnachfolger übergehen und von diesen nicht als Werbungskosten von den selbst erzielten Einnahmen aus VuV abzuziehen sind.
Die abweichende Richtlinienregelung ist überholt
Nach R 21.1 Abs. 6 Satz 2 EStR ist zwar bei unentgeltlicher Übertragung des Gebäudes der Übergang des beim Rechtsvorgänger noch nicht berücksichtigten Teils der Erhaltungsaufwendungen auf den Rechtsnachfolger möglich. Als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift hat diese Richtlinienbestimmung jedoch keine Rechtsnormqualität und bindet die Gerichte nicht. Außerdem fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für den Übergang auf die Erben. Die Finanzbehörden dürfen keine Ausnahmen von der gesetzlichen Besteuerung zulassen (BFH v. 28.11.2016, GrS 1/15, BStBl II 2017, 393, Rz. 91, 107). Die Richtlinienregelung ist zudem überholt. Mit der Aufgabe der Rechtsprechung zur Vererblichkeit des Verlustabzugs nach § 10d EStG in der Folge der Entscheidung des Großen Senats (BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608) ist der Rechtsgrund für die Regelung in R 21.1 Abs. 6 Satz 2 EStR 2012 entfallen.
Hinweis: Die überholte Richtlinienregelung war regelmäßig günstiger
Im Regelfall dürfte die mit der Verteilung nach § 82b EStDV erreichte – und nach der Richtlinienregelung in R 21.1 Abs. 6 Satz 2 EStR zugelassene – Tarifglättung günstiger sein als der Abzug des nicht verbrauchten Restbetrags der Erhaltungsaufwendungen in einer Summe beim Erblasser im Veranlagungszeitraum des Versterbens. Der Streitfall stellt insoweit eine Ausnahme dar. B hatte explizit nicht die Verteilung, sondern den Abzug bei A im Streitjahr geltend gemacht.
BFH Urteil vom 10.11.2020 - IX R 31/19 (veröffentlicht am 22.04.2021)
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