Neufeststellung des Grades der Behinderung

Der herabgesetzte Grad der Behinderung ist bereits auf den Neufeststellungszeitpunkt zu berücksichtigen.

Hintergrund

Zu entscheiden war, ob nach der Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) weiterhin die tatsächlichen Kosten für die Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte abgesetzt werden können, wenn der Herabsetzungsbescheid angefochten wird. 

A wurde durch Bescheid des Versorgungsamts vom Mai 1994 als Schwerbehinderter mit einem GdB von 80 anerkannt. Mit Bescheid des Amts für soziale Angelegenheiten vom Dezember 1999 wurde der GdB (unter Aufhebung des Bescheids vom Mai 1994) auf 20 herabgesetzt. Gegen diesen Bescheid erhob A erfolglos Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht. Mit dem zurückweisenden Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom Januar 2007 war der Rechtsweg erschöpft. In den Streitjahren (2000 bis 2007) war A Inhaber eines Schwerbehindertenausweises, in dem ein GdB von 80 ausgewiesen wurde.

Das FA berücksichtigte für die Streitjahre die Fahrten des A zwischen Wohnung/Arbeitsstätte nicht mit den tatsächlichen Kosten, sondern lediglich mit der Entfernungspauschale. A wandte dagegen - auch mit der Klage vor dem FG - erfolglos ein, sein Schwerbehindertenausweis sei bis Juni 2007 gültig gewesen. Solange könne er als Schwerbehinderter erhöhte Wegekosten geltend machen. Der abweichende Neufeststellungsbescheid vom Dezember 1999 stehe dem nicht entgegen, da er erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens vor dem BSG im Januar 2007 bestandskräftig geworden sei.

Da das FG die Revision gegen das klageabweisende Urteil nicht zugelassen hatte, erhob A Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH mit dem Ziel, die Zulassung der Revision zu erreichen.

Entscheidung

Der BFH wies die Beschwerde zurück.

Der BFH verweist auf die bisherige Rechtsprechung. Danach ist - trotz Fortgeltung des Schwerbehindertenausweises bis zum bestandskräftigen Abschluss eines den GdB herabsetzenden Neufeststellungsverfahrens - der herabgesetzte GdB bereits auf den Neufeststellungszeitpunkt (Dezember 1999) zu berücksichtigen. Der BFH löst damit das Konkurrenzverhältnis zwischen Neufeststellungsbescheid und einem anderslautenden Schwerbehindertenausweis zugunsten des Feststellungsbescheids auf. Die Finanzbehörden sind an die in einem Bescheid enthaltenen Feststellungen über den GdB - ein Grundlagenbescheid - gebunden.

Der Vorrang der Neufeststellung vor dem (bis zur Bestandskraft des Änderungsbescheids fortgeltenden) Schwerbehindertenausweis folgt dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Denn wenn die Herabsetzung des GdB rechtskräftig festgestellt ist, sind die Folgerungen aus der Neufeststellung (Grundlagenbescheid) schon deshalb zum Neufeststellungszeitpunkt (Dezember 1999) zu ziehen, weil von diesem Moment an behinderungsbedingte erhöhte Werbungskosten nicht länger zu erwarten sind.     

Hinweis

Ergänzend hebt der BFH hervor, dass die über den Neufeststellungszeitpunkt hinausgehende Inanspruchnahme der tatsächlichen Fahrtkosten nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbar wäre. Denn der Grund für die steuerliche Begünstigung erheblich Behinderter - keine Möglichkeit zur Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel - ist im Neufeststellungszeitpunkt entfallen.

Beschluss v. 11.3.2014, VI B 95/13, veröffentlicht am 23.4.2014