Keine Abgeltungsteuer bei Darlehen zwischen nahen Angehörigen

Die Regelung in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG, wonach die Abgeltungsteuer bei Darlehensgewährung zwischen nahe stehenden Personen nicht greift, ist verfassungsgemäß.

Hintergrund:

Im Streitfall schlossen die Kläger als Darlehensgeber in den Jahren 2007 und 2008 mit ihrem Sohn sowie ihren volljährigen Enkeln jeweils einen schriftlichen Darlehensvertrag ab.

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2009 berücksichtigte das Finanzamt die Zinseinnahmen aus den Darlehensverträgen bei den der tariflichen Einkommensteuer unterliegenden Einkünften aus Kapitalvermögen. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und machten geltend, auch diese Zinseinnahmen gehörten zu denjenigen Kapitaleinkünften, auf die der Abgeltungsteuersatz von 25 v. H. (§ 32d Abs. 1 EStG) anzuwenden sei. Die Vorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG, wonach der Abgeltungsteuersatz nicht auf Darlehen zwischen einander nahe stehenden Personen anzuwenden sei, sei verfassungswidrig. Denn sie verstoße gegen den in Art. 3 GG verankerten allgemeinen Gleichheitssatz und gegen den durch Art. 6 GG angeordneten Schutz von Ehe und Familie.

Entscheidung:

Das FG wies die Klage ab und entschied, dass das Finanzamt die Zinserträge zu recht nicht mit dem Abgeltungsteuersatz, sondern mit dem tariflichen Einkommensteuersatz besteuert hatte. Denn der Abgeltungsteuersatz findet nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG auf Zinseinnahmen aus Angehörigenverträgen keine Anwendung. Die gesetzliche Regelung des § 32d Abs. 2 EStG ordnet an, dass der Abgeltungsteuersatz auf einige Konstellationen keine Anwendung findet. Hierzu gehören nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG Kapitalerträge i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 und 7 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahe stehende Personen sind. Da der Begriff der nahe stehenden Person gesetzlich nicht definiert ist, greift die Finanzverwaltung zutreffenderweise auf die Begriffsdefinition in § 1 Abs. 2 AStG zurück. Ein Näheverhältnis i. S. der gesetzlichen Regelung liegt immer dann vor, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige i. S. des § 15 AO sind oder wenn - außerhalb von Angehörigenverhältnissen - die Vertragsbeziehungen einem Fremdvergleich nicht standhalten.

Die Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig. Denn sie diskriminiert nicht gezielt Eheleute oder Familienangehörige, sondern nimmt alle Zinserträge von der Anwendbarkeit des Abgeltungsteuersatzes aus, die aus Verträgen herrühren, an denen als Gläubiger und Schuldner nahe stehende Personen beteiligt sind. Dies gilt vor allem aufgrund der durch das JStG 2010 vorgenommenen Änderung, wonach der abgeltende Steuersatz für Kapitalerträge i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur dann nicht gilt, wenn Gläubiger und Schuldner einander nahe stehende Personen sind, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG keine Anwendung findet. Nach dieser den Anwendungsbereich der Regelung einschränkenden Sichtweise verfuhr die Finanzverwaltung auch bereits im Veranlagungszeitraum 2009.

Niedersächsisches FG, Urteil v. 18.6.2012, 15 K 417/10

Praxishinweis:

Mit Einführung der Abgeltungsteuer sollten keine Anreize dafür geschaffen werden, Eigenkapital in die privilegiert besteuerte private Anlageebene zu verlagern und durch Fremdkapital zu ersetzen. Entsprechend waren Gestaltungen zu verhindern, bei denen aufgrund der Steuersatzspreizung betriebliche Gewinne z. B. in Form von Darlehenszinsen abgesaugt würden und so die Steuerbelastung auf den Abgeltungssteuersatz reduziert werde. Unternehmerische Entscheidungen über die Finanzierungsstruktur des Unternehmens sollten steuerlich unverzerrt bleiben. Deshalb waren die in § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG manifestierten Ausnahmen geboten.