BFH

Sanierungsertrag im Sonderbetriebsvermögen


Im Sonderbetriebsvermögen angefallener Sanierungsertrag

Ein im Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers angefallener Sanierungsertrag im Sinne des § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG ist – wie ein im Gesamthandsbereich einer Mitunternehmerschaft angefallener Sanierungsertrag – nach § 3a Abs. 4 Satz 1 EStG festzustellen. Bei einer Mitunternehmerschaft müssen die einzelnen Tatbestandsmerkmale einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des § 3a Abs. 2 EStG bezogen auf die Gesellschaft vorliegen.

Streitfrage: Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung

Streitig war, ob die Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des § 3a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 EStG vorliegen.

  • Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Komplementärin der Klägerin ist die nicht am Vermögen beteiligte Verwaltungs-GmbH mit dem Beigeladenen als einzigem Geschäftsführer. An der Klägerin waren im Streitjahr 2013 der Beigeladene zu 5 % und Frau A zu 95 % als Kommanditisten beteiligt.
  • Die Klägerin betreibt eine Fremdenpension mit Restauration. Den Betrieb einschließlich des zugehörigen Betriebsgrundstücks hatte der Beigeladene im Mai 1997 von seinem Vater übernommen und zunächst als Einzelunternehmen fortgeführt. Zum Betrieb des Beigeladenen gehörten unter anderem mehrere Verbindlichkeiten aus Darlehen, welche die Sparkasse ihm gewährt hatte. Die Darlehensforderungen waren mit Grundschulden auf dem Betriebsgrundstück des Beigeladenen besichert.
  • Seit dem Jahr 2005 verpachtet der Beigeladene den Betrieb an die Klägerin. Das bisherige Betriebsvermögen des Einzelunternehmens – einschließlich der betrieblichen Darlehensverbindlichkeiten – wird seit dem Beginn der Verpachtung als Sonderbetriebsvermögen und die Pachteinnahmen werden als Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen bei der Klägerin behandelt.
  • Bereits seit 2001 befand sich der Pensionsbetrieb in finanziellen Schwierigkeiten, die sich in den Folgejahren verschärften. Vor diesem Hintergrund begannen im Jahr 2011 Verhandlungen zwischen dem Beigeladenen und der Sparkasse über einen Teilerlass der bestehenden Darlehensforderungen gegen Leistung eines Einmalbetrags. Die Refinanzierung des Einmalbetrags sollte über ein örtliches Kreditinstitut erfolgen. Die Sparkasse sagte im November 2012 zu, im Fall der Zahlung von 350.000 EUR auf ihre darüber hinausgehenden Darlehensforderungen gegen den Beigeladenen zu verzichten. Der Beigeladene leistete den Einmalbetrag im Streitjahr, woraufhin die Sparkasse auf die verbleibenden Darlehensforderungen verzichtete. Den Einmalbetrag refinanzierte der Beigeladene über zwei Darlehen der Volksbank.
  • Der Beigeladene erzielte im Streitjahr aus dem Forderungsverzicht der Sparkasse in seinem Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin einen bilanziellen Ertrag in Höhe von 348.574,24 EUR.
  • Im Jahr 2015 reichte die Klägerin ihre Feststellungserklärung für das Streitjahr ein und beantragte, den bilanziellen Ertrag des Beigeladenen aus dem Forderungsverzicht der Sparkasse als sogenannten Sanierungsgewinn aus Billigkeitsgründen nach § 163 der AO bei der Feststellung des Sonderbetriebsgewinns unberücksichtigt zu lassen.
  • Das FA erließ einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) für das Streitjahr und stellte für den Beigeladenen einen Sonderbetriebsgewinn in Höhe von insgesamt 358.522,91 EUR unter Ansatz des bilanziellen Ertrags aus dem Forderungsverzicht fest.
  • Das FA lehnte den Antrag den in dem steuerlichen Gewinn enthaltenen Sanierungsgewinn in Höhe von 348.574,24 EUR aus sachlichen Billigkeitsgründen bei der Festsetzung nicht zu berücksichtigen ab und wies den hiergegen gerichteten Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung zurück.

Klage war erfolgreich

Die daraufhin erhobene Klage war erfolgreich. Das FG verpflichtete das FA, einen Sanierungsertrag im Sinne des § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG für 2013 in Höhe von 348.574,24 EUR festzustellen und den außerordentlichen Ertrag in Höhe von 348.574,24 EUR bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte 2013 außer Ansatz zu lassen.

Entscheidung: Tatbestandsmerkmale einer Sanierung müssen bezogen auf die Gesellschaft vorliegen

Nach Auffassung des BFH ist die Revision des FA begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG ist rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des § 3a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 EStG gegeben seien.

Feststellung des Sanierungsertrags als eigenständiger Verwaltungsakt

Die gesonderte Feststellung gemäß § 3a Abs. 4 Satz 1 EStG der Höhe des Sanierungsertrags nach § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG erfolgt in einem eigenständigen Verwaltungsakt. Dies gilt nicht nur im Fall eines im Gesamthandsbereich einer Mitunternehmerschaft erzielten Sanierungsertrags, sondern ebenso, wenn es – wie hier-  um die Behandlung eines im Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers angefallenen Sanierungsertrags als steuerfrei geht. Dieser Feststellungsbescheid nach § 3a Abs. 4 EStG ist als Grundlagenbescheid für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO bindend.

Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung nicht festgestellt

Das Urteil des FG ist aufzuheben, weil sich auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen nicht beurteilen lässt, ob sämtliche Voraussetzungen einer unternehmensbezogenen Sanierung im Sinne des § 3a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 EStG vorliegen. Das Fehlen ausreichender tatsächlicher Feststellungen ist ein materiell-rechtlicher Fehler (z.B. BFH, Urteil v. 8.8.2024, IV R 1/20, BStBl II 2025, 122, Rz 29).

Begriff der unternehmensbezogenen Sanierung

Nach § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG sind Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung steuerfrei.

Eine solche Sanierung liegt nach der Legaldefinition in § 3a Abs. 2 EStG vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 3a Abs. 2 EStG müssen – wie sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift ("unternehmensbezogene Sanierung") ergibt – für das Unternehmen selbst vorliegen. Eine unternehmerbezogene Sanierung ist nur in den Fällen des § 3a Abs. 5 EStG begünstigt.

Tatbestandsmerkmale sind unternehmensbezogen auszulegen

Für den Fall einer Mitunternehmerschaft folgt daraus, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 3a Abs. 2 EStG bezogen auf die Gesellschaft vorliegen müssen. Es genügt nicht, dass sie in der Person des Gesellschafters erfüllt sind. Für die Auslegung der in § 3a Abs. 2 EStG enthaltenen Tatbestandsmerkmale ist auf die zu § 3 Nr. 66 EStG a.F. ergangenen Rechtsprechungsleitlinien zurückzugreifen.

Davon ausgehend ist das angefochtene Urteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit das FG angenommen hat, dass das Unternehmen der Klägerin sanierungsbedürftig gewesen sei und die Sparkasse als Gläubigerin mit Sanierungsabsicht gehandelt habe. Die Annahme des FG, dass das Unternehmen der Klägerin sanierungsfähig und der Schuldenerlass der Sparkasse zur Sanierung geeignet gewesen seien, lässt sich jedoch nicht auf die vom FG hierzu getroffenen Feststellungen stützen.

Die Sanierungsbedürftigkeit meint die Existenzbedrohung durch Überschuldung oder Ähnliches. Anhaltspunkte für die Sanierungsbedürftigkeit eines Unternehmens können nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung zum Beispiel sein, dass die kreditgebenden Banken eine Verminderung des bisherigen Kreditlimits anstreben oder einen Voll- oder Teilerlass ihrer Forderungen gegenüber dem Unternehmen in Erwägung ziehen. Wenn sich mehrere Gläubiger an einer Sanierung beteiligen, ist die Sanierungsbedürftigkeit zu vermuten.

Im Fall einer Mitunternehmerschaft ist das Merkmal der Sanierungsbedürftigkeit – wie die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 3a Abs. 2 EStG – unternehmensbezogen auszulegen. Dies gilt auch dann, wenn die Betriebsvermögensmehrung aufgrund eines Schuldenerlasses nicht im Gesamthandsvermögen, sondern im Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers anfällt. In einem solchen Fall ist das Merkmal der Sanierungsbedürftigkeit dementsprechend nur dann gegeben, wenn die Gesellschaft als solche in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist. Es reicht demgegenüber nicht aus, wenn ein Mitunternehmer (Inhaber des Sonderbetriebsvermögens) nicht mehr in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.

Die Würdigung des FG dahin, dass das Unternehmen der Klägerin sanierungsfähig und der Schuldenerlass der Sparkasse zur Sanierung geeignet gewesen seien, hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die ihr zugrunde liegende Schlussfolgerung des FG, dass aufgrund des teilweisen Schuldenerlasses die wirtschaftliche Schieflage des Unternehmens der Klägerin aufgelöst worden sei, lässt sich nicht auf seine hierzu bislang getroffenen Feststellungen stützen.

Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des FG nicht abschließend darüber entscheiden, ob der Schuldenerlass zur Sanierung geeignet und das Unternehmen der Klägerin sanierungsfähig waren.

BFH, Urteil v. 21.8.2025, IV R 23/23; veröffentlicht am 13.11.2025

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