Höhe des persönlichen Freibetrags bei beschränkter Steuerpflicht

Nicht nur das BVerfG beschäftigt sich derzeit mit dem deutschen Erbschaftsteuergesetz. In einer aktuell veröffentlichten Entscheidung des EuGH v. 4.9.2014 (C-211/13) ging es zum wiederholten Male um die Frage, ob der im Fall der beschränkten Steuerpflicht vorgesehene persönliche Freibetrag von heute 2.000 EUR einen Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit darstellt.

Hierdurch fällt schon bei geringen Übertragungswerten Erbschaftsteuer an. Liegt dagegen ein Fall der unbeschränkten Steuerpflicht vor, sind je nach Verwandtschaftsverhältnis zwischen den an der Übertragung Beteiligten deutlich höhere persönliche Freibeträge vorgesehen. So sind zwischen Ehegatten alle Schenkungen innerhalb von 10 Jahren aufgrund des persönlichen Freibetrags bis zur Höhe von 500.000 EUR steuerfrei. Bei Übertragung von Eltern an Kinder kommt ein Freibetrag von 400.000 EUR zur Anwendung. Selbst bei Übertragungen an fremde Dritte wird immerhin ein Freibetrag von 20.000 EUR gewährt, der das Zehnfache des Freibetrags im Fall der beschränkten Steuerpflicht entspricht.

Zur Erinnerung

Die beschränkte Steuerpflicht liegt unter anderem vor, wenn keiner der an der Übertragung Beteiligten - z.B. im Erbfall weder der Erblasser noch der Erbe - seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Dafür unterliegt im Fall der beschränkten Steuerpflicht nicht – wie im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht - das gesamte Weltvermögen der Erbschaftsteuer, sondern nur das in Deutschland befindliche Vermögen i. S. d. § 121 BewG. Klassischerweise davon betroffen sind häufig unentgeltliche Übertragungen von in Deutschland belegenen Grundstücken durch im Ausland lebende Erblasser und Erben bzw. Schenker und Beschenkte.

Hat dagegen nur einer der Beteiligten in Deutschland seinen Wohnsitz, so liegt ein Fall der unbeschränkten Steuerpflicht vor, der das gesamte übertragene Weltvermögen umfasst. 

Die Entscheidungen der Reihe nach

Das aktuelle Urteil ist nun bereits die dritte zu diesem Themenkomplex ergangene Entscheidung des EuGH. Zudem hat der Gesetzgeber in der Zwischenzeit bereits auf die erste EuGH-Entscheidung reagiert und gesetzliche Änderungen vorgenommen.

Die erste Entscheidung zu Übertragungen zwischen in EU-Staaten ansässigen Beteiligten

Im ersten vom EuGH zu entscheidenden Fall in der Rechtssache Mattner vom 22.4.2010 (C‑510/08) wurde im Jahr 2007 ein in Deutschland belegenes Grundstück von einer in den Niederlande lebenden Mutter an ihre ebenfalls in den Niederlande lebenden Tochter geschenkt. Die aufgrund der beschränkten Steuerpflicht anfallende deutsche Erbschaftsteuer war unter Geltung des damals anzuwenden persönlichen Freibetrags von 1.100 EUR (heute 2.000 EUR) deutlich höher als bei Anwendung des im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht geltenden Freibetrags von damals 205.000 EUR (heute 400.000 EUR). Der EuGH sah hierin einen Verstoß gegen die Kapitalverkehsrfreiheit. wenn Schenker und Schenkungsempfänger eines in Deutschland belegenen Grundstücks zur Zeit der Ausführung der Schenkung ihren Wohnsitz in einem anderen EU-Staat hatten.

Die Reaktion des Gesetzgebers

Der deutsche Gesetzgeber hat im Jahr 2011 auf diese Entscheidung bereits reagiert. Für Schenkungen und Erbfälle nach dem 13.12.2011 besteht für beschränkt Steuerpflichtige in § 2 Abs. 3 ErbStG grundsätzlich ein Optionsrecht, die unbeschränkte Steuerpflicht zu beantragen, § 37 Abs. 7 Satz 1 ErbStG. Dieses Optionsrecht gilt allerdings nur, wenn der Erblasser, Schenker oder Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer seinen Wohnsitz in einem EU- oder EWR-Staat hat. Im Drittstaat lebende Steuerpflichtige steht das Optionsrecht nach § 2 Abs. 3 ErbStG derzeit nicht zu.

Das Optionsrecht kann auch für Erwerbe beantragt werden, deren Steuer vor dem 14.12.2011 entsteht, § 37 Abs. 7 Satz 2 ErbStG.

Wird die unbeschränkte Steuerpflicht beantragt, kommt zwar der erhöhte persönliche Freibetrag zur Anwendung. Dafür unterliegt allerdings auch das gesamte Weltvermögen und nicht nur das in § 121 BewG definierte deutsche Vermögen in Deutschland der Erbschaftsteuer. Zudem werden im Fall der Option bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer auch weitere innerhalb von zehn Jahren vor dem Vermögensanfall und innerhalb von zehn Jahren nach dem Vermögensanfall von derselben Person anfallende Erwerbe als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt und nach Maßgabe des § 14 ErbStG berücksichtigt.

Soll vom Optionsrecht Gebrauch gemacht werden, muss in jedem Fall vorher gerechnet werden, ob die Option auch zu einer geringeren Erbschaftsteuer führt. Denn die Option kann trotz der zur Anwendung kommenden höheren Freibeträge wegen der Weltvermögensbesteuerung zu einer höheren Erbschaftsteuer führen.

Die zweite Entscheidung zu Übertragungen zwischen in Drittstaaten ansässigen Beteiligten

Im zweiten Verfahren vor dem EuGH in der Rechtssache Welte (C‑181/12) hatten die am Erbfall Beteiligten ihren Wohnsitz in der Schweiz und damit in einem Drittstaat. Konkret vererbte eine in der Schweiz lebende Ehefrau ein in Deutschland belegendes Grundstück an ihren ebenfalls in der Schweiz lebenden Ehemann.

Auch in diesem Fall kam der EuGH mit Entscheidung vom 17.10.2013 zu einem Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Im Drittstaatsfall darf der anzuwendende Freibetrag nicht niedriger sein als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest eine dieser beiden Personen im Steuerentstehungszeitpunkt ihren Wohnsitz in dem EU-Staat gehabt hätte, in dem das Grundstück belegen ist.

Damit greifen im Fall der beschränkten Steuerpflicht bei im Drittstaat lebenden Beteiligten die höheren Freibeträge.

Auf diese Entscheidung hat der Gesetzgeber bisher noch nicht reagiert. Damit dürfte für alle noch offenen betroffenen Fälle der höhere Freibetrag zur Anwendung kommen, der sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht ergibt.

Die dritte Entscheidung vom 4.9.2014 zur Klage der EU-Kommission gegen Deutschland

Die bislang letzte Entscheidung des EuGH zu diesem Thema ist am 4.9.2014 ergangen. Dabei handelt es sich um ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland. Darin wiederholt der EuGH im Ergebnis seine oben dargestellte Auffassung.

Unklare Auswirkungen für die Praxis

Unklar ist derzeit noch, was diese Entscheidung des EuGH konkret für die Praxis bedeutet. Denn in der Entscheidung vom 4.9.2014 wird ausdrücklich klargestellt, dass nur die Rechtslage vor der Gesetzesänderung und damit vor Einführung des Optionsrechts beurteilt wurde. Die Beantwortung der Frage, ob das Optionsrecht in § 2 Abs. 3 ErbStG mit dem Unionsrecht vereinbar ist oder auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, wurde ausdrücklich in der Entscheidung ausgeschlossen.

Die Finanzverwaltung muss die gesetzlichen Regelungen anwenden und wird demzufolge die davon betroffenen ErbSt-Bescheide entsprechend feststellen. Die Steuerpflichtigen können daher zwischen der Besteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht unter Anwendung des niedrigen Freibetrags von 2.000 EUR und der Besteuerung im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht unter Anwendung der höheren Freibeträge (aber dafür auch mit dem Weltvermögen) wählen. Dies gilt sowohl für Übertragungen vor als auch für solche nach der Gesetzesänderung ab dem 14.12.2011. Denn die Verwaltung wird aus dem Urteil nicht gebunden, für Fälle der beschränkten Steuerpflicht die höheren Freibeträge zu gewähren, die bei unbeschränkter Steuerpflicht anzuwenden wären.

Grund ist zum einen für Fälle ab dem 14.12.2011, dass der EuGH nicht geprüft hat, ob die Neuregelung in § 2 Abs. 3 ErbStG, wonach der Steuerpflichtige durch Antrag die vom EuGH bemängelten höheren Freibeträge unter Inkaufnahme der Weltvermögensbesteuerung beantragen kann, den Anforderungen der Kapitalverkehrsfreiheit genügt.

Dies gilt zum anderen auch für Fälle vor dem 14.12.2011. Auch hier hat der EuGH im aktuellen Urteil keine Stellung zur der durch die Gesetzesänderung eingeräumte Möglichkeit genommen, die Option nach § 2 Abs. 3 ErbStG für alle noch offenen Fälle der Vergangenheit rückwirkend anzuwenden.

In EU- oder EWR-Staaten lebende Steuerpflichtige, die für Fälle der beschränkten Steuerpflicht die höheren Freibeträge ohne den Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG begehren, werden dies wohl erst durch ein erneutes Klageverfahren einfordern müssen.