Entfernungspauschale nicht gleichheitswidrig

Die Ausnahme der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel von der Abzugsbeschränkung verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz.

Hintergrund: Entfernungspauschale oder tatsächliche Kfz-Kosten?

Zu entscheiden war, ob es gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, dass die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem PKW nur in Höhe der Entfernungspauschale geltend gemacht werden können, während bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln die (höheren) tatsächlich entstandenen Kosten abziehbar sind (§ Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Eheleute machten für ihre Fahrten (einfache Entfernung 43 km) die tatsächlichen Kosten von 0,44 EUR/km geltend (Jahresbetrag 8.382 EUR). Das FA berücksichtigte die Kosten lediglich mit der der Entfernungspauschale (0,30 EUR je Entfernungs-km) mit 2.967 EUR. Ebenso entschied das FG mit der Begründung, die über die Entfernungspauschale hinausgehenden Kosten fielen unter die Abgeltungswirkung. 

Entscheidung: Privilegierung öffentlicher Verkehrsmittel nicht verfassungswidrig

Der BFH bestätigt die Auffassung des FA und des FG. Das dem Gesetzgeber eingeräumte Regelungsermessen ist nicht überschritten. Die unterschiedliche Behandlung stellt eine sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip dar. Die gleichheitswidrige Privilegierung einer Gruppe stellt sich zwar als Benachteiligung der übrigen Steuerpflichtigen dar. Die Differenzierung ist jedoch durch den weitreichenden gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum bei der Bestimmung des Steuergegenstands und der Steuersatzes gedeckt. Denn aus Gründen des Gemeinwohls kann der Gesetzgeber auch außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele verfolgen und die Bürger durch steuerliche Be- und Entlastungen zu einem bestimmten Verhalten motivieren. Davon ausgehend ist die Privilegierung öffentlicher Verkehrsmittel verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn die Regelung verfolgt erkennbar umwelt- und verkehrspolitische Ziele. Die Privilegierung rechtfertigt sich daraus, dass öffentliche Verkehrsmittel gegenüber dem motorisierten privaten Individualverkehr im Hinblick auf den Primärenergieverbrauch und den Ausstoß an Treibhausgasen umweltfreundlicher sind.

Keine Entscheidung zum Abzug von Taxikosten

Den Einwand, dass - entgegen der umweltpolitischen Zielsetzung - auch Taxikosten über die Entfernungspauschale hinaus berücksichtigt werden, weist der BFH zurück. Er lässt zum einen ausdrücklich offen, ob es sich bei einem Taxi in diesem Zusammenhang um ein öffentliches Verkehrsmittel handelt. Zum anderen ist der Gesetzgeber jedenfalls bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild des geregelten Sachverhalts zu erfassen. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbunden Härten in Einzelfällen gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Selbst wenn Taxiskosten über die Entfernungspauschale hinaus anerkannt werden, hält sich die Regelung im Rahmen der Typisierung. Denn sie ist am Regelbefund (öffentliche Verkehrsmittel) und nicht an einem Ausnahmetatbestand (Taxi) ausgerichtet. 

Hinweis: Die Grundsätze gelten auch für die aktuelle Rechtslage

Das Urteil ist zum Streitjahr 2010 ergangen, d.h. zur Rechtslage vor dem StVereinfG 2011 v. 1.11.2011. Nach dieser Änderung ist ab 2011 der für öffentliche Verkehrsmittel abziehbare höhere Betrag jahresbezogen zu berechnen. Mit Wirkung ab 2014 wurde § 9 EStG mit der Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts (UntStReiseKG v. 20.2.2013) redaktionell neu gefasst. Die Entscheidung betrifft daher auch die gegenwärtige Rechtslage. 

Taxikosten nach FG-Rechtsprechung abziehbar

Nach FG Düsseldorf (Urteil v. 8.4.2014, 13 K 339/12 E) handelt es sich bei einem Taxi um ein öffentliches Verkehrsmittel i.S. von § 9 Abs. 2 EStG mit der Folge, dass die die Entfernungspauschale übersteigenden höheren Kosten abziehbar sind. Dass der BFH diese Frage ausdrücklich nicht mitentschieden hat, dürfte wohl darauf hinweisen, dass er zu einer anderen Auffassung neigt. Denn er weist besonders darauf hin, die Regelung lasse sich auch dahingehend verstehen, dass nur regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel im Linienverkehr nicht unter die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale fallen. Im Übrigen verdeutlicht die Entscheidung die Schwierigkeit, im Einzelfall gegen die Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis des Steuergesetzgebers anzuargumentieren. 

BFH, Beschluss v. 15.11.2016, VI R 4/15, veröffentlicht am 4.1.2017

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