Besteuerungsrecht für Einkünfte eines in Luxemburg angestellten Orchestermusikers
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Gemäß Art. 16 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 (nachfolgend DBA-Lux) können Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person unter anderem als Künstler aus ihrer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden.
Sachverhalt: Besteuerung von Lohneinkünften eines beim Staatsorchester tätigen Musikers nach dem DBA-Lux
Die verheirateten Kläger wohnen in Deutschland. Der Kläger war im Streitjahr (2015) beim staatlichen Orchestre Philharmonique du Luxembourg (nachfolgend Staatsorchester) in Luxemburg beschäftigt und erzielte als Musiker Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Lohnsteuerlicher Arbeitgeber war das Établissement Public "Salle de concerts Grande-Duchesse Joséphine-Charlotte“ (nachfolgend Établissement). Hierbei handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die vom Kultusministerium des Großherzogtums subventioniert und von der Stadt Luxemburg unterstützt wird. Weder das Staatsorchester noch das Établissement sind nach ihrem staatlichen Kulturauftrag auf Gewinnerzielung ausgerichtet.
Das Finanzamt besteuerte die Einkünfte des Klägers im Streitjahr unter Anrechnung der luxemburgischen Steuer. Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidung: Arbeitslohn ist in Deutschland zu versteuern
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und die Auffassung des FG bestätigt. Der luxemburgische Arbeitslohn des Klägers ist in Deutschland gemäß Art. 16 Abs. 1 DBA-Lux unter Anrechnung der bereits in Luxemburg gezahlten Einkommensteuer zu versteuern.
Die im Inland wohnhaften Kläger sind mit ihrem Welteinkommen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Dies umfasst auch die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG aus ausländischen Quellen.
Art. 18 DBA-Lux
Das Deutschland nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht ist nicht nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a DBA-Lux ausgeschlossen. Hiernach können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die von einem Vertragsstaat, einem seiner Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates an eine natürliche Person für die diesem Staat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts geleisteten Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.
Art. 18 Abs. 1 Buchst. a DBA-Lux steht aber Art. 18 Abs. 3 DBA-Lux entgegen, wonach auf Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer Geschäftstätigkeit eines Vertragsstaats, eines seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates erbracht werden, die Art. 14, 15, 16 oder 17 DBA-Lux anzuwenden sind.
Wettbewerb mit privaten Unternehmen
Eine dahingehende Geschäftstätigkeit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts liegt vor, wenn sich die öffentliche Hand mit der Absicht, Einnahmen zu erzielen, nachhaltig wirtschaftlich betätigt und sich diese Tätigkeit innerhalb der Gesamtbetätigung des Vertragsstaats beziehungsweise der juristischen Person wirtschaftlich heraushebt. Ausreichend ist das Vorliegen einer auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichteten Tätigkeit, die zu einem nennenswerten Wettbewerb der Einrichtung mit privaten Unternehmen führen kann.
Ob sich die Körperschaft des öffentlichen Rechts hierbei mit Gewinnerzielungsabsicht betätigt, ist deshalb unerheblich. Anderes folgt auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. f und g und Art. 7 DBA-Lux.
Danach übt das Établissement mit dem Staatsorchester eine Geschäftstätigkeit im Sinne von Art. 18 Abs. 3 DBA-Lux aus.
Zwar ist das Staatsorchester mit einem staatlichen Kulturauftrag versehen und soll das kulturelle Ansehen Luxemburgs fördern. Auch erweist sich das Betreiben des Orchesters als unwirtschaftlich und bedarf der staatlichen Förderung. Gleichwohl verfolgt es neben der Förderung der Kultur zumindest auch den Zweck, Einnahmen zu erzielen. Dabei hebt sich die Veranstaltung kostenpflichtiger Konzerte innerhalb der Gesamtbetätigung des Établissement wirtschaftlich hervor.
Das Établissement tritt zudem mit der Veranstaltung kostenpflichtiger Konzerte in nennenswerten Wettbewerb zu privaten Anbietern musikalischer Unterhaltung, und zwar ungeachtet des staatlichen Kulturauftrags und des Alleinstellungsmerkmals als "Staatsorchester".
Damit richtet sich die Besteuerung des luxemburgischen Arbeitslohns des Klägers, den er im Streitjahr als Musiker des Staatsorchester erzielte, gemäß Art. 18 Abs. 3 DBA-Lux nach den Art. 14, 15, 16 oder 17 DBA-Lux.
Freistellungsmethode
Gemäß Art. 14 Abs. 1 DBA-Lux können vorbehaltlich der Art. 15 bis 19 DBA-Lux Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt (Satz 1). Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden (Satz 2). In dem letztgenannten Fall wird die Doppelbesteuerung bei in Deutschland ansässigen Personen durch Freistellung der Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vermieden (Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Lux).
Anrechnungsmethode
Art. 14 Abs. 1 DBA-Lux kommt jedoch im Streitfall nicht zur Anwendung, weil die Voraussetzungen der gegenüber dieser Bestimmung vorrangigen Regelung des Art. 16 Abs. 1 DBA-Lux erfüllt sind, der als lex specialis vorgeht. Im Unterschied zu Art. 14 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Lux wird die Doppelbesteuerung in diesem Fall nicht durch Ausnahme der Vergütung von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vermieden, sondern durch Anrechnung der in Luxemburg erhobenen Steuer auf die deutsche Steuer nach Maßgabe von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ff DBA-Lux i.V.m. § 34c EStG.
Art. 16 Abs. 1 DBA-Lux
Gemäß Art. 16 Abs. 1 DBA-Lux können Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person unter anderem als Künstler aus ihrer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden.
Die Vorschrift gilt nicht nur für selbständig tätige und/oder reisende Personen, sondern auch für nichtselbständig tätige, ortsgebundene Künstler und Sportler sowie Künstler, die als Ensemble auftreten und erfasst Vergütungen auch insoweit, als damit Probenzeiten des Künstlers entgolten werden.
Der bei der Körperschaft des öffentlichen Rechts in Luxemburg als Orchestermusiker angestellte Kläger ist Künstler im Sinne von Art. 16 Abs. 1 DBA-Lux, sodass sein luxemburgischer Arbeitslohn in Deutschland unter Anrechnung der bereits in Luxemburg gezahlten Einkommensteuer zu versteuern ist.
BFH, Urteil v. 20.3.2025, VI R 25/23; veröffentlicht am 21.8.2025
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