Einheitlicher Gewerbebetrieb bei mehreren Tätigkeiten

Für die Unterscheidung zwischen einem einheitlichen Betrieb und mehreren selbständigen Betrieben kommt der Gleichartigkeit bzw. Ungleichartigkeit der Betätigungen wesentliche Bedeutung zu. Das Maß des für eine Zusammenfassung erforderlichen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhangs steigt entsprechend der Verschiedenartigkeit der Betätigungen.

Hintergrund: Eiscafé und Imbiss unter einem Dach

X betrieb ein Eiscafé und einen Grillimbiss im selben Gebäude. Die Geschäftsräume waren nicht miteinander verbunden. Die Außengastronomie, das Geschäftsfahrzeug und die Kundentoilette wurden jedoch für beide Bereiche genutzt. Es bestanden getrennte Konten. Lohnzahlungen für Mitarbeiter des Eiscafés wurden aber teilweise auch vom Konto des Imbisses getätigt.

X wies für die Streitjahre 2010/2011 für den Imbiss Gewinne (rund 60.000 EUR) und für das Eiscafé Verluste (rund ./. 25.000 EUR) aus. In der Annahme eines einheitlichen Betriebs fasste er die Ergebnisse beider Betätigungen zusammen.

Das FA ging dagegen von zwei getrennten Betrieben aus und erließ gesonderte GewSt-Messbescheide. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, es fehle am wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Bereichen, da es sich um ungleichartige Betätigungen handele, die einander weder ergänzten noch förderten.

Entscheidung: Geringere Anforderungen an den Grad des Zusammenhangs in der Gastronomie

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG hat eine neue Gesamtwürdigung – ggf. unter Heranziehung weiterer, noch nicht aufgeklärter Sachverhaltsmerkmale – vorzunehmen.

Zusammenfassung gleichartiger Betätigungen

Zu unterscheiden ist zwischen gleichartigen und ungleichartigen Betätigungen. In beiden Fällen ist für die Zusammenfassung ein sachlicher (wirtschaftlicher, organisatorischer oder finanzieller) Zusammenhang zwischen den Betätigungen erforderlich. Die Mindest-Intensität dieses Zusammenhangs ist in den beiden Fällen jedoch unterschiedlich. Für gleichartige Betätigungen in der Hand desselben Unternehmers gilt die Vermutung, dass ein einheitlicher Betrieb anzunehmen ist, wenn nicht ganz besondere Umstände dagegen sprechen. Dabei müssen die drei genannten Merkmale (wirtschaftlich, organisatorisch, finanziell) nicht kumulativ vorliegen (BFH v. 21.1.2005, XI B 23/04, BFH/NV 2005, 1134, unter II.1.).

Zusammenfassung ungleichartiger Tätigkeiten

Anders ist es bei ungleichartigen Betätigungen. Hier ist das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt. Die Ungleichartigkeit der Betätigungen indiziert die Selbständigkeit (BFH v. 14.9.1965, I 64/63 U, BStBl III 1965, 656). Gleichwohl kann es sich um einen einheitlichen Betrieb handeln, wenn die verschiedenen Tätigkeiten wirtschaftlich und daneben auch organisatorisch und finanziell zusammenhängen (BFH v. 19.11.1985, VIII R 310/83, BStBl II 1986, 719). Dabei hat das Merkmal des wirtschaftlichen Zusammenhangs ein besonderes Gewicht. Allein die Identität des Unternehmers genügt jedenfalls nicht (BFH v. 24.10.2012. X R 36/10, BFH/NV 2013, 252, Rz 18).

Merkmale für einen Zusammenhang

Für die Feststellung, ob ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang besteht, hat die Rechtsprechung (BFH v. 18.12.1996, XI R 63/96, BStBl II 1997, 573) beispielhaft die folgenden Merkmale genannt:

  • Ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, wenn die beiden Betätigungen einander stützen und ergänzen. 
  • Kriterien für einen organisatorischen Zusammenhang sind die Benutzung derselben Räume und Einrichtungen, die Tätigkeit derselben Mitarbeiter in beiden Bereichen sowie ein (teilweise) gemeinsamer Einkauf.
  • Für einen finanziellen Zusammenhang spricht die Führung gemeinsamer Kassen, Aufzeichnungen oder Bankkonten sowie eine einheitliche Gewinnermittlung, ferner die einheitliche Kostentragung für beide Bereiche sowie der Ausgleich von Verlusten der einen Betätigung durch Gewinne der anderen Betätigung.

Anforderungen an den Zusammenhang entsprechend dem Grad der Verschiedenheit der Betätigungen

Der BFH wendet sich gegen die strikte Zweiteilung in einerseits (vollkommen) gleichartige und andererseits (vollkommen) ungleichartige Betätigungen. In Fällen wie im Streitfall ist vielmehr zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an den Grad des (wirtschaftlichen/organisatorischen/finanziellen) Zusammenhangs vom Verschiedenheitsgrad der Betätigungen abhängen. Auf dieser Grundlage ist eine Einzelfallwürdigung vorzunehmen. Je verschiedenartiger die Tätigkeiten sind, desto höher muss der Grad des Zusammenhangs sein, um zu einem einheitlichen Betrieb zu führen. Mit zunehmender Gleichheit der Betätigungen kann der Zusammenhang entsprechend lockerer sein. Es handelt sich vorliegend um einen Grenzfall. Einerseits sind die Betätigungen nicht vollkommen verschiedenartig (zwei Gastronomiebetriebe). Andererseits sind sie nicht vollkommen gleichartig (unterschiedliches Speisenangebot).

Erneute Würdigung des Einzelfalls durch das FG

Hiervon ausgehend hat das FG die Verhältnisse des Streitfalls erneut zu würdigen. Da es sich nicht um eindeutig ungleichartige Betätigungen handelt, sind nicht so strenge Anforderungen an den Grad des erforderlichen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhangs zu stellen, wie es das FG – ausgehend von ungleichartigen Betätigungen – getan hat.

Hinweis: Korrelation zwischen Betätigungsgleichheit und Zusammenhang

Die Entscheidung bricht die Zweiteilung in vollkommen gleichartige und ungleichartige Betätigungen auf und anerkennt Grenzfälle, für die die Betätigungsgleichheit und der Zusammenhang in Wechselbeziehung stehen.

Je mehr die Verschiedenartigkeit der Betätigungen bejaht wird, umso höher sind die Anforderungen an den wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhang, um zu einem einheitlichen Betrieb zu führen. Bei einem höheren Gleichheitsgrad ist entsprechend früher ein einheitlicher Betrieb anzuerkennen.

Der BFH lässt wohl erkennen, dass im Streitfall ein einheitlicher Betrieb in Betracht kommt. Denn er verweist auf das Urteil v. 12.1.1983, IV R 177/80 (BStBl II 1983, 425). Dort hat der BFH für einen Gastronomiebetrieb darauf abgestellt, dass jeweils Speisen und Getränke angeboten würden und die Andersartigkeit in der Leistungspräsentation durch (weitere) sachliche Zusammenhänge (Geschäftsführung, Teile der Arbeitnehmer, Teile des Anlagevermögens) aufgewogen werde. In einem solchen Fall genüge es bereits, wenn "in gewisser Weise" eine organisatorische Verflechtung bestehe. 

BFH Urteil vom 17.06.2020 - X R 15/18 (veröffentlicht am 05.11.2020)

Alle am 05.11.2020 veröffentlichten Entscheidungen des BFH.

Schlagworte zum Thema:  Gewerbesteuer, Gewerbebetrieb, Einzelunternehmen