Durchschnittssatzbesteuerung für den Verkauf von Joghurt

Die Klägerin betreibt Landwirtschaft mit Milcherzeugung und Milchverarbeitung. Sie verfügt in den Streitjahren über ca. 80 Milchkühe, produzierte jährlich rund 650.000 Liter Milch, von denen rund 10.000 Liter in die Joghurt-Produktion gingen. Die Abfüllung der Naturjoghurts erfolgte zum Teil händisch in wiederverwertbare Plastikbecher, zum Teil auch maschinell über einen sog. Rundläufer. Für die Herstellung von Fruchtjoghurt wurden eingekaufte Fruchtmischungen (3 kg-Gebinde) zugeführt, händisch vermischt und anschließend händisch oder maschinell abgefüllt.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der so hergestellte Fruchtjoghurt als Erzeugnis der zweiten Verarbeitungsstufe anzusehen sei und deshalb kein landwirtschaftliches Erzeugnis im Sinne des § 24 UStG vorliege. Dementsprechend unterwarf das Finanzamt diese Umsätze der Regelbesteuerung mit 7 %.
Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG
Die Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts ist der Verkauf von Joghurt, hergestellt aus eigener Hofmilch unter Zusatz eines zugekauften Fruchtanteils von 14 %, als Umsatz zu beurteilen, der von der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG umfasst wird. Begünstigt sind nämlich auch Verarbeitungstätigkeiten, die ein Landwirt bei im Wesentlichen aus seiner landwirtschaftlichen Produktion stammenden Erzeugnissen mit Mitteln ausgeübt, die normalerweise in land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden (Art. 295 Abs. 2 MwStSysRL).
Was die für die Verarbeitungstätigkeit eingesetzten "Mittel2 anbelangt, dürfte das Unionsrecht dahin auszulegen sein, dass die Verarbeitung nicht zu Erzeugnissen mit nach der Verkehrsanschauung nicht landwirtschaftlichem Charakter führen darf. Deshalb dürften (lediglich) Erzeugnisse der ersten Verarbeitungsstufe (vgl. Abschn. 24.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE und R 15.5 Abs. 3 EStR) noch den Begriff der Verarbeitungstätigkeit im Sinne des Art. 295 Abs. 2 MwStSysRL erfüllen.
Der Begriff der Verarbeitungsstufe ist dabei allerdings nicht im Sinne der Anzahl der Arbeitsschritte zu verstehen. Entscheidend ist vielmehr der Charakter des durch die Verarbeitung entstandenen Produkts. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sich das Bild des traditionellen Landwirts insoweit geändert hat, als dieser – nicht zuletzt aufgrund der niedrigen Abnahmepreise durch Molkereien – vermehrt dazu übergeht, landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Milch, Buttermilch, Butter, Dickmilch, Käse und Joghurt selbst über einen Hofladen zu vertreiben.
Landwirtschaftlicher Charakter
Die Herstellung von Hofmilch durch Erhitzung auf 72° Celsius (Pasteurisierung) hat wohl unstreitig landwirtschaftlichen Charakter. Die Herstellung (zumindest) von Naturjoghurt dürfte sich dem Grunde nach davon nicht wesentlich unterscheiden. Durch das bloße Zufügen der Bakterienkulturen und das anschließende Zuwarten (bis zur Produktreife) verliert das ursprüngliche Erzeugnis nach Ansicht des Finanzgerichts nicht seinen (ursprünglichen) landwirtschaftlichen Charakter.
Entgegen der Auffassung des Finanzamtes führt auch die bloße händische Vermischung des Naturjoghurts mit dem zugekauften Fruchtanteil zu keiner anderen Beurteilung. Dies gilt nach Ansicht des Gerichts umso mehr, als der beigefügte Fruchtanteil von 14 % sich noch innerhalb der Nichtbeanstandungsgrenze der Finanzverwaltung (vgl. Abschn. 24.2 Abs. 3 UStAE) bewegt.
Revisionsverfahren anhängig
Ob der BFH allerdings im nun anhängigen Revisionsverfahren (Az. beim BFH V R 28/17) diese Entscheidung bestätigen wird, ist meines Erachtens völlig offen. Es wird maßgebend darauf ankommen, was aus Sicht des Bundesfinanzhofs "heutzutage" als Bearbeitungstätigkeit anzusehen ist, die ein Landwirt bei im Wesentlichen aus seiner landwirtschaftlichen Produktion stammenden Erzeugnissen mit Mitteln ausübt, die normalerweise in landwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden.
In diesem Zusammenhang ist aus meiner Sicht zu beachten, dass die Vereinfachungsgrenze der Finanzverwaltung in Abschn. 24.2 Abs. 3 UStAE (Beimischung von max. 25 % unschädlich!) nicht ohne weiteres für den hier beschriebenen Fall gedacht ist, sondern in erster Linie für weitere Zukäufe des Hauptprodukts gilt. Zugekaufte Zutaten und Nebenstoffe bleiben bei der Prüfung der 25 %-Grenze ausdrücklich außen vor.
Niedersächsisches FG, Urteil v. 18.5.2017, 5 K 160/15, Haufe Index 9667032
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