Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer

Hintergrund: Bemessungsgrundlage des SolZ bei Fehlen gewerblicher Einkünfte
Die Eheleute erzielten im Streitjahr 2011 neben geringen Einkünften aus Gewerbebetrieb (1.066 EUR) Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, aus tariflich zu versteuerndem Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte. Hinzu kamen der Abgeltungsteuer unterliegende Einkünfte. Das FA setzte ESt und SolZ fest.
Mit der Klage wandten die Eheleute ein, die Anrechnung der GewSt auf die ESt nach § 35 EStG führe, da die so geminderte ESt ihrerseits Bemessungsgrundlage des SolZ sei, zu einer Begünstigung von Gewerbetreibenden beim SolZ bzw. zu einer Benachteiligung aller anderen Steuerpflichtigen. Sie beantragten, ihre Einkünfte fiktiv als gewerbliche zu behandeln und zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage des SolZ eine Schatten-Anrechnung nach § 35 EStG vorzunehmen.
Das FG lehnte dies ab. Die Beschränkung des § 35 EStG auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die Berechnung des SolZ seien verfassungsgemäß.
Entscheidung: Die Begünstigung gewerblicher Einkünfte ist nicht verfassungswidrig
Der BFH wies die Revision im Streitpunkt zurück. Die aufgrund § 3 SolZG und § 35 EStG auftretenden Belastungsunterschiede zwischen GewSt zahlenden Steuerpflichtigen und Steuerpflichtigen mit anderen tariflich zu versteuernden Einkünften in gleicher Höhe führen nicht zur Verfassungswidrigkeit.
Begünstigung der gewerblichen Einkünfte in der Hebesatzzone unter 400,9 %
Bei der Gesamtbelastung aus ESt, GewSt und SolZ hängt die Mehr- oder Minderbelastung beim SolZ von dem jeweiligen GewSt-Hebesatz ab. Beträgt dieser weniger als 400,9 %, ist der Gewerbesteuerpflichtige begünstigt. Bei Hebesätzen über diesem Grenzwert verhält es sich umgekehrt. Ursächlich für diese Belastungsunterschiede ist auf der einen Seite die GewSt-Belastung als solche, auf der anderen Seite der Ausgleichsmechanismus des § 35 EStG in der ESt und seine Fernwirkung auf den SolZ.
Befugnis des Gesetzgebers zu Vereinfachung und Typisierung
Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie im Steuerrecht ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (BVerfG v. 21.6.2006, 2 BvL 2/99, BStBl 2006 I S. 1857).
Die Überkompensation ist hinzunehmen
Hiervon ausgehend ist die partielle Begünstigung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht verfassungswidrig. Die Rechtfertigung liegt in der Gesamtschau von ESt, SolZ und GewSt. Die partielle Überkompensation der GewSt ist mit den Geboten der Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit noch zu vereinbaren, und zwar gerade im Hinblick darauf, dass die Belastungsungleichheit nicht einseitig ist, sondern sich bei dem Grenzwert-Hebesatz von 400,9 % umkehrt.
Hinweis: Identische Parallelentscheidung
Es handelt sich um ein Parallelurteil zu dem Urteil vom 14.11.2018 - II R 64/15 (BFH/NV 2019 S. 340). Dieses Urteil wurde schon vor rund einem Jahr (am 27.02.2019) veröffentlicht. Warum die aktuelle Parallelentscheidung, die in den Gründen und im Entscheidungsdatum identisch mit der schon zuvor veröffentlichten Entscheidung ist, erst jetzt zur Veröffentlichung freigegeben wurde, ist nicht ersichtlich, und zwar auch nicht aus der aktuellen Pressemitteilung des BFH v. 23.1.2020.
Sicher steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum für die Erhebung des SolZ sowie eine Typisierungsbefugnis für die Ausgestaltung zu. Wo aber die Grenzen dieses gesetzgeberischen Ermessens zu ziehen sind, könnte im Rahmen der Einschränkung des SolZ ab 2021 durch das Gesetz zur Rückführung des SolZ 1995 v. 10.12.2019 (BStBl 2010 I S. 15) diskussionswürdig sein.
BFH Urteil vom 14.11.2018 - II R 63/15 (veröffentlicht am 23.01.2020)
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