Betrieb einer Kampfsportschule ist umsatzsteuerfrei
Der Kläger betreibt in Rheinland-Pfalz (nördliche Pfalz) eine Kampfsportschule, die als Betrieb zur Ausbildung zum/zur Sport- und Fitnesskaufmann/-frau und Sport- und Fitnessfachmann/-frau staatlich anerkannt ist (IHK). Der Kläger hat in den Streitjahren (2005 - 2008) folgende Kurse angeboten: Karate, Kickboxen, Brazilian Jiu Jitsu, Selbstverteidigung, Leitfaden für angehende Kampfsporttrainer und berufsvorbereitende Kurse für Fitness-Fachleute und Sicherheitskräfte. Im Oktober 2010 bzw. März 2011 bescheinigte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz (ADD), dass ein Teil der Kurse (Aus-, Fort- und Weiterbildung zum/zur Sport- und Fitnesskaufmann/-frau bzw. Sport- und Fitnessfachmann/-frau sowie Selbstverteidigung und Gewaltprävention für Kinder und für Sicherheitsberufe) berufsvorbereitende und deshalb umsatzsteuerfreie Leistungen (i. S. des § 4 Nr. 21 a, bb UStG) seien.
Das beklagte Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die angebotenen Kurse nicht auf einen Beruf vorbereiten bzw. nicht zur Ausübung eines Berufes notwendig seien. Die Kurse dienten der Freizeitgestaltung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen und seien daher umsatzsteuerpflichtig.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage. Das FG gab dem Kläger Recht und entschied mit (inzwischen rechtskräftigem) Urteil v. 9.10.2014 (6 K 2249/12), dass alle Umsätze aus der Kampfsportschule umsatzsteuerfrei seien. Dies begründete das FG wie folgt:
Es sei zwar fraglich, ob die Leistungen des Klägers nach dem UStG umsatzsteuerfrei seien. Dies könne jedoch offen bleiben, denn der Kläger könne sich unmittelbar auf die Mehrwertsteuervorschriften der EU berufen. Danach seien die Leistungen der Kampfsportschule deshalb umsatzsteuerfrei, weil sie nicht lediglich den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hätten und vergleichbare Leistungen an Schulen und Hochschulen erbracht würden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) lege den Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" weit aus, weil aufgrund der unterschiedlichen Unterrichtssysteme in den Mitgliedstaaten ansonsten die Gefahr bestehe, dass das Mehrwertsteuersystem je nach Unterrichtssystem unterschiedlich angewendet werde. Der BFH folge dieser Auffassung und erkenne Kurse auch dann als "Schul- oder Hochschulunterricht" im Sinne der einschlägigen EWG-Richtlinie an, wenn sie keinen direkten Bezug zu einem Beruf hätten und/oder nicht Teil einer gesetzlich geregelten Berufsaus- oder Berufsfortbildung seien. Damit seien alle vom Kläger in den Streitjahren angebotenen Kurse (also auch Karate, Kickboxen, Brazilian Jiu Jitsu usw.) unter die in der Bescheinigung der ADD aufgeführten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu subsumieren. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung nochmals anschaulich ausgeführt, dass die Selbstverteidigung in jedem Kampfsportkurs, der von ihm angeboten werde, eine der Hauptkomponenten sei. Dies gelte auch für Kickboxen, das fachübergreifend für alle Kampfsportarten angeboten werde. Auch die Fitnesskurse seien mit den Kampfsportkursen inhaltlich verwoben und dienten damit auch der Selbstverteidigung und Gewaltprävention. Die vermittelten Kenntnisse in Gewaltprävention und Selbstverteidigung würden - u. a. vom Kläger selbst - in vergleichbarer Weise auch an Schulen erbracht.
FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 9.10.2014, 6 K 2249/12 (rkr.)
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