BFH

AfA nach Wegfall der gewerblichen Prägung einer Personengesellschaft


Anpassung der AfA nach Wegfall der gewerblichen Prägung

Werden Wirtschaftsgüter einer gewerblich geprägten Personengesellschaft wegen des Wegfalls dieser Prägung in das Privatvermögen überführt und von der nunmehr vermögensverwaltenden Gesellschaft weiterhin zur Erzielung von Einkünften genutzt, sind als Bemessungsgrundlage für die AfA die im Zuge der Ermittlung des Gewinns aus der Betriebsaufgabe steuerlich erfassten gemeinen Werte anzusetzen. Dies gilt für die AfA in den Folgejahren auch dann, wenn bei der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns ein der Höhe nach unzutreffender gemeiner Wert erfasst wurde.

Hintergrund: Änderung wegen eines rückwirkenden Ereignisses

Streitig war im Urteilsfall, ob bestandskräftige Bescheide für die Streitjahre 2008 bis 2011 nach den Vorschriften der AO geändert werden können. Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Für Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gilt die Vorschrift sinngemäß (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO).

Sachverhalt: Anpassung der AfA-Bemessungsgrundlage, wenn der im Rahmen einer Betriebsaufgabe angesetzte gemeine Wert eines Gebäudes nachträglich herabgesetzt wird

  • Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, vermietete Immobilien und erzielte hieraus zunächst aufgrund ihrer gewerblichen Prägung gewerbliche Einkünfte (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). Zu Beginn des Jahres 2007 entfiel die gewerbliche Prägung der Klägerin durch Einräumung von Geschäftsführungsbefugnis für den Kommanditisten. Dies führte zur Aufgabe des Gewerbebetriebs der Klägerin.
  • Für das – nicht streitbefangene – Jahr 2007 erklärte die Klägerin neben Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Verlust aus der Betriebsaufgabe. Dieser Verlust resultierte daraus, dass die erklärten gemeinen Werte der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter (Immobilien) unter den Buchwerten lagen.
  • Nach einer Außenprüfung änderte das beklagte FA am 7.6.2016 den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2007 und stellte einen Betriebsaufgabegewinn fest, da höhere gemeine Werte für die Entnahme der Immobilien erfasst wurden. Gegenläufig setzte das FA die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung herab, da die als Werbungskosten abzuziehenden AfA nunmehr von einer entsprechend höheren Bemessungsgrundlage vorzunehmen waren.
  • Anknüpfend an die Ergebnisse der Außenprüfung erließ das FA ebenfalls am 7.6.2016 zu Gunsten der Klägerin geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 2008 bis 2011. Es berücksichtigte höhere AfA bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Diese Bescheide wurden bestandskräftig.

Einspruch und Klage für das Streitjahr 2007 hatte Erfolg

Der Einspruch der Klägerin gegen den nach der Außenprüfung geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2007 hatte insoweit Erfolg, als das FA den Betriebsaufgabegewinn auf 0 EUR herabsetzte. In der Einspruchsentscheidung vom 23.8.2021 legte es einerseits die von der Klägerin ursprünglich erklärten – niedrigeren – gemeinen Werte zugrunde. Der Ansatz der erklärungsgemäßen gemeinen Werte hatte zur Folge, dass die AfA gemindert und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 2007 entsprechend erhöht wurden. Die nachfolgende Klage gegen den Feststellungsbescheid 2007 hatte Erfolg. Das FG entschied, dass die Außenprüfung fehlerhaft angeordnet und zum Zeitpunkt des Erlasses des nach der Außenprüfung geänderten Bescheids für das Jahr 2007 bereits Feststellungsverjährung eingetreten gewesen sei. Dementsprechend hob es sowohl den geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für 2007 vom 7.6.2016 als auch die nachfolgende Einspruchsentscheidung auf.

Änderung der Steuerbescheide für die Streitjahre 2008 bis 2011 wegen widerstreitender Steuerfestsetzungen

Bereits vor der Entscheidung des FG hatte das FA mit Bescheiden vom 20.4.2022 unter Hinweis auf § 174 AO die Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre 2008 bis 2011 geändert und dabei die AfA nach Maßgabe der in der Einspruchsentscheidung für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2007 zugrunde gelegten geringeren gemeinen Werte gemindert.

Der hiergegen gerichtete Einspruch und die anschließende Klage – die Streitjahre 2008 bis 2011 betreffend – waren erfolglos.

Entscheidung: Änderung der Streitjahre 2008 bis 2011 wegen eines rückwirkenden Ereignisses möglich

Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 2008 bis 2011 vom 7.6.2016 zu Lasten der Klägerin zu ändern sind. Rechtsgrundlage hierfür ist jedenfalls § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Unzutreffende – zu hohen – AfA-Bemessungsgrundlage

Die von der Änderung betroffenen Bescheide vom 7.6.2016 waren rechtswidrig, weil bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu hohe Werbungskosten abgezogen wurden. Dies beruhte auf einer unzutreffenden – zu hohen – AfA-Bemessungsgrundlage für die vermieteten Immobilien.

Die AfA bemessen sich gemäß § 7 Abs. 4, Abs. 5 EStG grundsätzlich nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes. Wird allerdings ein im Betriebsvermögen gehaltenes – eigenbetrieblich genutztes oder vermietetes – Gebäude durch eine Entnahme oder Betriebsaufgabe in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen überführt und anschließend zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung genutzt, ist § 7 Abs. 4, Abs. 5 EStG nicht unmittelbar anwendbar. Denn die Überführung vom Betriebs- ins Privatvermögen stellt mangels Rechtsträgerwechsels keinen Erwerb dar und führt nicht zu Anschaffungskosten, die im Wege der AfA abzuziehen sind.

Nach einer Entnahme oder Betriebsaufgabe ist jedoch der Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG) beziehungsweise der nach § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG zu berücksichtigende gemeine Wert den Anschaffungskosten nach § 7 EStG gleichzusetzen. Es handelt sich um einen "anschaffungsähnlichen Vorgang. Dies setzt allerdings voraus, dass das Gebäude im Zuge der Ermittlung des Entnahme- oder Betriebsaufgabegewinns mit dem Teilwert oder gemeinen Wert steuerlich erfasst wurde beziehungsweise – sollte dies nicht der Fall sein – die Entnahme/Betriebsaufgabe verfahrensrechtlich noch steuerlich erfasst werden kann. Andernfalls sind als künftige AfA-Bemessungsgrundlage weiterhin die ursprünglichen Anschaffungs-/Herstellungskosten zugrunde zu legen. Maßgeblich für eine "steuerliche Erfassung" im vorgenannten Sinne ist, dass die gesetzlichen Regelungen in § 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG (Entnahme) beziehungsweise § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG (Betriebsaufgabe) beachtet worden sind.

Rückwirkende Änderung des Entnahme- oder Aufgabegewinns

Der Wegfall der gewerblichen Prägung der Klägerin im Jahr 2007 führte zur Aufgabe ihres Gewerbebetriebs gemäß § 16 Abs. 3 EStG. Die gerichtliche Aufhebung des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2007 vom 7.6.2016 hatte zur Folge, dass der ursprüngliche Bescheid vom 12.3.2013 wieder auflebte.

Die Voraussetzungen für eine Änderung der Bescheide nach der von der Vorinstanz nicht geprüften Norm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegen vor. Ereignis im Sinne der Vorschrift ist jeder rechtlich relevante Vorgang. Neben Tatsachen des Sachverhalts gehören hierzu auch rechtliche Vorgänge wie die Einwirkungen auf oder durch Rechtsgeschäfte, Rechtsverhältnisse, Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte. Die rechtskräftig gewordene Entscheidung des FG, den nach der Außenprüfung geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2007 vom 7.6.2016 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23.8.2021 wegen bereits eingetretener Feststellungsverjährung ersatzlos aufzuheben, veränderte rückwirkend den für die Besteuerung der Folgejahre (Streitjahre) maßgeblichen Lebenssachverhalt.

Anmerkung: Finanzgerichtliche Aufhebung eines Bescheids als rückwirkendes Ereignis

Der BFH stellte mit Entscheidung klar, dass die finanzgerichtliche Aufhebung eines Bescheids, dem materiell-rechtliche Bindungswirkung für einen anderen Bescheid zukommt, ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellen kann. Da die angefochtenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bereits von der Änderungsnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gedeckt waren, bedurfte es im Urteilsfall keiner Entscheidungen des BFH, ob – wie vom FG geprüft und bejaht – die Änderungen auch wegen widerstreitender Steuerfestsetzungen gemäß § 174 Abs. 4 AO gerechtfertigt wären.

BFH, Urteil v. 3.6.2025, IX R 18/24; veröffentlicht am 14.8.2025

Alle am 14.8.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


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