Anerkennung einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft

Eine Organschaft ist für die Jahre anzuerkennen, in denen alle Voraussetzungen vorliegen, so dass eine "Unterbrechung" nicht schadet.

Hintergrund: Unterbrechung der finanziellen Eingliederung wegen Wegfalls der Mehrmütterorganschaft

Streitig war die Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft zwischen der A-AG als Organgesellschaft und der E-AG als Organträger in 2005. Die A-AG wurde in 2000 gegründet. Mit Wirkung zum 1.1.2001 errichteten die Gesellschafter der A-AG – die E-AG und die S-AG – eine GbR (GbR-alt, "Mehrmütter-GbR") als sog. Willensbildungsgesellschaft ohne eigene gewerbliche Aktivität, um eine Mehrmütterorganschaft mit der A-AG als Organgesellschaft zu bilden. Der auf unbestimmte Zeit geschlossene Ergebnisabführungsvertrag (EAV) war zum 31.12.2006 kündbar. Ab 2003 konnte die GbR-alt aufgrund der Abschaffung der Mehrmütterorganschaft durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG) vom 16.5.2003 (BGBl I 2003, 660) nicht mehr Organträgerin sein. Gleichwohl ließen die Vertragsparteien den EAV bis zum 31.12.2005 unverändert bestehen und führten ihn auch durch. In 2005 übertrug die S-AG ihren Anteil an der GbR-alt rückwirkend zum 1.1.2005 auf die E-AG. Im November 2005 gründeten die E-AG und die S-AG sodann eine neue gewerblich tätige GbR (GbR-neu), auf die die Anteile an der A-AG übertragen wurden. Der mit der GbR-alt geschlossene EAV wurde zum 31.12.2005 als beendet angesehen und die A-AG schloss ab 1.1.2006 einen neuen EAV mit der GbR-neu.

Die A-AG ging für 2005 von einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft zwischen ihr und der E-AG aus. Das FA lehnte dies ab. Die GbR sei aufgrund der Rechtsänderung aufgelöst worden mit der Folge, dass der EAV weggefallen sei und für 2005 kein EAV bestanden habe. Damit seien die Organschaftsvoraussetzungen für 2003/2004 nicht gegeben gewesen und hätten somit insgesamt nicht 5 Jahre lang bestanden. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Der EAV habe fortbestanden und das zweijährige Aussetzen der finanziellen Eingliederung wegen Wegfalls der Mehrmütterorganschaft in den Vorjahren sei unschädlich.

Entscheidung: Weiterbestehen der Organträger-GbR und des Ergebnisabführungsvertrags

Die Rechtsänderung (Abschaffung der Mehrmütterorganschaft mit der Aufhebung des § 14 Abs. 2 KStG a. F.) hat nicht zur Auflösung der GbR-alt und damit auch nicht zum Erlöschen des EAV geführt. Die GbR-alt hat vielmehr bis 2005 (bis zur Übertragung der Beteiligung durch die S-AG auf die E-AG) weiterbestanden. Die Voraussetzungen für eine gesetzliche Auflösung der GbR-alt (Erreichen oder Unmöglichwerden des vereinbarten Gesellschaftszwecks) sind nicht erfüllt. Angesichts des Zwecks der GbR-alt, eine organisatorische Funktion in einem Konzernaufbau zu erfüllen, kann auch nach Abschaffung der Mehrmütterorganschaft nicht von einer Zweckerreichung ausgegangen werden. Dass die Willensbildungs-GbR ohne eigenen anderweitigen gewerblichen Zweck für Besteuerungszwecke "als aufgelöst gilt" (kein Realisationstatbestand durch fehlendes Betriebsvermögen, Fortfall der gewerblichen Verlustvorträge) ist unerheblich, da im Bereich der Organschaft die zivilrechtlichen Maßgaben entscheidend sind. Dementsprechend hat das Ausscheiden der S-AG als vorletzter Gesellschafter der GbR-alt zum Übergang des Gesellschaftsvermögens auf die E-AG und damit auch des EAV im Wege der Gesamtrechtsnachfolge geführt. Im Übrigen war die A-AG im gesamten Streitjahr 2005 finanziell in das Unternehmen der E-AG eingegliedert, da die E-AG mit einer Stimmrechtsmehrheit (51 %) unmittelbar an der A-AG beteiligt war.

Unschädliche Unterbrechung der Organschaft in Vorjahren

Die Annahme einer Organschaft ist auch nicht dadurch gesperrt, dass in den beiden Vorjahren (2003/2004) bei der bisherigen Organträgerin (GbR-alt) aufgrund der Rechtsänderung (Wegfall der Mehrmütterorganschaft) die Voraussetzungen einer Organschaft nicht erfüllt waren ("unterbrochene Organschaft"). Dass die GbR-alt in diesem Zeitraum nicht als gewerbliches Unternehmen zu qualifizieren war und die A-AG daher in diese nicht finanziell eingegliedert war, schließt die Anerkennung der Organschaft nicht aus. Ob eine "Unterbrechung der Organschaft" vor Ablauf der Mindestlaufzeit des Vertrags von 5 Jahren dazu führt, dass die Organschaft insgesamt (rückwirkend und zukünftig) nicht anzuerkennen ist, war bisher umstritten. Der BFH schließt sich der Auffassung an, dass eine Unterbrechung nicht schadet. Die finanzielle Eingliederung ist jahresbezogen zu beurteilen. Denn die Mindestvertragsdauer dient dazu, willkürliche Gestaltungen von Fall zu Fall zu verhindern. Dem wird bereits durch die laufzeitbezogene vertragliche Verpflichtung begegnet. Jedenfalls im Fall der Änderung der Rechtslage kommt dem Gesichtspunkt, Manipulationen auszuschließen, keine entscheidende Bedeutung zu.

Da auch keine Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch vorlagen, war die Organschaft anzuerkennen. Die Revision des FA wurde daher zurückgewiesen.   

Hinweis: Gewerbliche Tätigkeit der Organträger-GbR

Mit der Abschaffung der Mehrmütterorganschaft, bei der der EAV mit einer Willensbildungs-GbR geschlossen werden konnte, ist nunmehr Voraussetzung für die Einschaltung einer Personengesellschaft als Organträger, dass diese gewerblich tätig ist und die finanzielle Eingliederung im Verhältnis zu ihr selbst besteht. Die Anteile an der Organgesellschaft müssen sich im Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft befinden. Eine Organschaft bei finanzieller Eingliederung im Verhältnis zu den Gesellschaftern ist nicht mehr möglich (BMF, Schreiben v. 10.11.2005, IV B 7 – S 2770 – 24/05, BStBl I 2005, 1038). Die Voraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit der Personengesellschaft lassen sich relativ leicht dadurch erfüllen, dass ihr bestimmte originär gewerbliche Tätigkeiten übertragen werden. Diese dürfen aber nicht nur geringfügig sein. Eine gewerblich geprägte Personengesellschaft genügt nicht.

BFH, Urteil v. 10.5.2017, I R 51/15, veröffentlicht am 27.9.2017.

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