Homeoffice-Betriebsstätte im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers

Neben der fortschreitenden Digitalisierung hat insbesondere die COVID-19 Pandemie dazu geführt, dass zunehmend Tätigkeiten im Homeoffice ausgeübt werden. Nun erwägen viele Unternehmen, ihren ausländischen Arbeitnehmern dauerhaft eine Homeoffice-Tätigkeit im Ausland anzubieten. Dies kann zu einer Zuordnung von Unternehmensgewinnen zu einer ausländischen Homeoffice-Betriebsstätte führen.

Während der Pandemie soll nach Auffassung der OECD eine Homeoffice-Tätigkeit nicht zu einer Betriebsstätte führen (vgl. aktualisierter OECD-Leitfaden v. 21.1.2021 zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf DBA, Tz. 14ff.). Spätestens nach Ende der Pandemie stellt sich aber die Frage, ob durch eine Homeoffice-Tätigkeit eine Betriebsstätte des Unternehmens im Homeoffice-Staat begründet wird. Zudem sind mögliche Auswirkungen auf die Besteuerung des Arbeitnehmers zu beachten, weil sich die Arbeitnehmerbesteuerung grundsätzlich nach dem Tätigkeitortsprinzip richtet.

Grundsätze der Betriebsstättenbesteuerung

Für steuerliche Zwecke erfordert eine Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung mit Verfügungsmacht des Unternehmens, in der die Unternehmenstätigkeit ganz oder teilweise ausgeübt wird. Die Erbringung von Dienstleistungen, die dem Unternehmenszweck dienen, erfüllt diese Voraussetzung. Dies ist insbesondere bei IT-Tätigkeiten wie Programmierung, Webdesign oder App-Entwicklung der Fall.

Demgegenüber sind Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten nicht als Ausübung der Unternehmenstätigkeit anzusehen und führen nicht zur Begründung einer Betriebsstätte. Vorbereitende Tätigkeiten gehen der Geschäftstätigkeit voran und werden regelmäßig nur während einer relativ kurzen Dauer durchgeführt. Hilfstätigkeiten werden ausgeführt, um die wesentlichen und bedeutungsvollen Elemente einer Unternehmenstätigkeit zu unterstützen, ohne dass eine Zuordnung zum Kerngeschäft erfolgt (z. B. Verwaltungstätigkeiten wie Buchhaltung, Personalwesen oder Controlling, nicht aber absatzorientierte Tätigkeiten wie Verkaufsförderungs- oder Vertriebsbüros mit Produktvermarktung).

Anwendung der Betriebsstättengrundsätze auf eine Homeoffice-Tätigkeit

Nach dem OECD-Musterkommentar (MK) 2017 zur (unverbindlichen) Auslegung von DBA kann eine "Homeoffice-Betriebsstätte" in Form einer festen Geschäftseinrichtung vorliegen, wenn das Homeoffice vom Arbeitnehmer regelmäßig und dauerhaft für die Unternehmenstätigkeit genutzt und die Tätigkeit auf Verlangen des Arbeitgebers im Homeoffice ausgeübt wird.  In diesem Fall ist davon auszugehen, dass das Homeoffice dem Unternehmen zur Verfügung steht und die für eine Betriebsstättenbegründung erforderliche Verfügungsmacht gegeben ist. Besteht jedoch für den Mitarbeiter die Möglichkeit, im Unternehmen einen Arbeitsplatz zu nutzen, liegt auch für den Fall der Verrichtung eines Großteils der Arbeit des Arbeitnehmers im Homeoffice keine Verfügungsmacht des Arbeitgebers über das Homeoffice vor, da dieser die Nutzung des Homeoffice nicht verlangt.

In Deutschland wird – abweichend vom OECD-MK – in der ständigen BFH-Rechtsprechung das für die Betriebsstättenbegründung maßgebliche Kriterium der Verfügungsmacht wesentlich enger ausgelegt, mit der Folge, dass die Privatwohnung eines Arbeitnehmers grundsätzlich keine Betriebsstätte des Arbeitgebers darstellt, auch dann nicht, wenn sich dort ein vom Arbeitgeber eingerichteter Büroraum („Homeoffice“) befindet oder dieser die Miete trägt. Es fehlt dabei an der rechtlichen Absicherung der Verfügungsmacht des Arbeitgebers, auch vor dem Hintergrund, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einseitig die Räumlichkeiten zur Nutzung jederzeit wieder entziehen kann (vgl. Rasch/Rosenberger/Brülisauer, IStR 2021, Beihefter zu Heft 10 S. 3*, 4*f.).

Demgegenüber scheint die deutsche Finanzverwaltung die Auffassung zu vertreten, dass bei einer nahezu ausschließlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers im Homeoffice eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers zu bejahen sei, weil der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht ohne Mitwirkung des Arbeitgebers an einem anderen Ort erbringen kann (vgl. Schuster/Verleger, IWB 2020 S. 861, 868).

Im Einklang mit der OECD-Auffassung wird aus deutscher Verwaltungssicht eine Homeoffice-Tätigkeit nicht als Betriebsstätte eingestuft, sofern dem Mitarbeiter ein anderer Arbeitsplatz im Unternehmen zur Verfügung steht. Dabei reicht es aus, wenn der Arbeitsplatz dem Arbeitnehmer im Rahmen eines Desksharing zur Verfügung steht. Steht dem Arbeitnehmer kein Arbeitsplatz im Unternehmen zur Verfügung, so führt die Homeoffice-Tätigkeit gleichwohl nicht zu einer Betriebsstätte, sofern im Homeoffice

  • nur Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten (s.o.) ausgeübt werden oder
  • bei Ausübung einer Haupttätigkeit nur eine gelegentliche Nutzung des Homeoffice (z. B. bei Vertriebstätigkeit oder Tätigkeit beim Kunden) erfolgt.

Auffassung ausländischer Finanzverwaltungen

Ob die deutsche Verwaltungsauffassung auch von den ausländischen Finanzverwaltungen des Homeoffice-Staats akzeptiert wird ist aber eher fraglich.

So legt die österreichische Finanzverwaltung das Tatbestandsmerkmal der "Verfügungsmacht" eher weit aus und geht bei einer Tätigkeit von mindestens 50 % im Homeoffice grundsätzlich von einer Betriebsstätte aus (vgl. hierzu und zu weiteren Indizien öBMF , EAS 3415 v. 27.06.2019 sowie Bendlinger, Die Betriebsstätte, S. 120f.).

Demgegenüber teilt die Schweiz wohl die engere deutsche Auffassung und greift Homeoffice-Fälle bislang kaum auf (vgl. Rasch/Rosenberger/Brülisauer, a.a.O., S. 7).

Frankreich orientiert sich dem Vernehmen nach aktuell wohl an der Auffassung des OECD-MK 2017 und besteuert Homeoffice-Fälle nicht als Betriebsstätte, sofern dem Arbeitnehmer ein Arbeitsplatz im Unternehmen zur Verfügung steht.

Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich die ausländischen Finanzverwaltungen überwiegend an der restriktiveren und ausführlich dokumentierten österreichischen Verwaltungsauffassung orientieren. Dies hätte zur Folge, dass eine jeweils hälftige Tätigkeit im (ausländischen) Homeoffice und (inländischen) Büro zu einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im Ausland führen würde (zustimmend Schrade/Denninger, NZA 2021 S. 102, 105f.). Allerdings dürfte der – regelmäßig im Wege der Kostenaufschlagsmethode zu ermittelnde – Gewinnanteil dieser Homeoffice-Betriebsstätte tendenziell vernachlässigbar sein.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass die vorstehenden Grundsätze nicht für den Fall gelten, dass der Arbeitnehmer eine Vollmacht besitzt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen, weil in diesem Fall eine Vertreterbetriebstätte begründet wird, die keine feste Geschäftseinrichtung erfordert.

Praxishinweis: Unternehmen, die im Ausland Mitarbeiter im Homeoffice beschäftigen, sollten aufgrund der unterschiedlichen Auslegung des OECD-MK 2017 durch die OECD-Staaten sowie der möglichen "Vorbildfunktion" der restriktiven österreichischen Verwaltungsauffassung unbedingt mit ausländischen Steuerberatern das Risiko der Begründung einer Homeoffice-Betriebsstätte klären.