Disagioauflösung bei Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe

Wird ein Kredit anlässlich der Betriebsveräußerung oder der Betriebsaufgabe vorzeitig getilgt, stellt sich die Frage, ob das aktivierte Disagio zulasten des laufenden Gewinns ausgebucht werden kann.

Wer bei einer Bank, Sparkasse oder Versicherungsgesellschaft ein Darlehen z.B. für den Bau oder Kauf einer Immobilie, eines Kraftfahrzeugs, einen Neu- oder Ausbau, die Finanzierung größerer Renovierungskosten oder eine Umschuldung aufnimmt, sollte neben der Höhe des Nominalzinses darauf achten, zu welchem Auszahlungskurs er das Darlehen erhält. Oft wird das Darlehen nicht zu 100% ausgezahlt, sondern mit einem Abzug, dem sog. Disagio, das auch als Damnum bezeichnet wird. Angeboten werden solche Darlehen zu unterschiedlichen Zinssätzen mit unterschiedlich hohem Disagio. Die Effektivverzinsung bleibt dabei regelmäßig gleich. Der Steuerpflichtiger kann wählen: Je höher das Disagio, desto niedriger ist später der Nominalzins und umgekehrt. Das Disagio ist eine Art Zinsvorauszahlung: Wer ein hohes Disagio zahlt, muss später niedrigere Zinsen bezahlen.

Handelsbilanzielle Behandlung

§ 250 Abs. 3 Satz 1 HGB sieht vor, dass in den Fällen, in denen der Rückzahlungsbetrag einer Verbindlichkeit höher ist als der Ausgabebetrag, der Unterschiedsbetrag, d.h. das Disagio, in der Handelsbilanz des Schuldners als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten ausgewiesen werden „darf“. Aufgrund dieses handelsrechtlichen Aktivierungswahlrechts können bilanzierende Gewinnermittler das Disagio in ihrer Handelsbilanz als aktivischen Rechnungsabgrenzungsposten ansetzen und in der Folge planmäßig gewinnmindernd aufzulösen, wobei die Abschreibungsraten nach § 253 Abs. 3 Satz 2 HGB auf die gesamte Laufzeit der Verbindlichkeit verteilt werden "können". Bilanzierende Steuerpflichtige können also bestimmen, ob sie das Disagio in ihrer Handelsbilanz aktivieren oder im Jahr der Entstehung der Verbindlichkeit als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe behandeln wollen.

Steuerbilanzielle Behandlung

Das handelsrechtliche Aktivierungswahlrecht gilt nicht für die Steuerbilanz, sondern führt steuerrechtlich zu einem Aktivierungsgebot. In der Steuerbilanz besteht eine Aktivierungspflicht: Das Disagio muss im Erstjahr der Passivierung der Darlehensverbindlichkeit aktivisch abgegrenzt werden (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG). Bei einem Fälligkeitsdarlehen, bei dem die Tilgung des Darlehens in einer Summe am Ende der Laufzeit erfolgt, ist das Disagio linear auf die Darlehenslaufzeit abzuschreiben.

Vorzeitige Auflösung des Disagios

Wird der Kredit früher als ursprünglich vorgesehen getilgt, muss das Disagio "außerplanmäßig abgeschrieben" werden, da ihm keine Gegenleistung mehr gegenübersteht. Eine weitere aktivische Abgrenzung ist nicht mehr zulässig. Entsteht bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensverhältnisses durch Rückzahlung ein Anspruch auf anteilige Rückerstattung des Disagios, muss dieser Anspruch gewinnerhöhend aktiviert werden.

Disagioauflösung anlässlich der Betriebsveräußerung oder –aufgabe

Geschieht die vorzeitige Rückzahlung des Kredits anlässlich der Betriebsveräußerung oder -aufgabe, ist das aktivierte Disagio nach bisheriger Rechtsprechung des BFH zulasten des laufenden Gewinns und damit auch des Gewerbeertrags, nicht des begünstigten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns auszubuchen. Das ist steuerlich vorteilhaft, da der Abschreibungsbetrag den Gewinn mindert, der dem Normaltarif und zugleich der Gewerbesteuer unterliegt (BFH, Urteil v. 12.7.1984, IV R 76/82, Haufe Index 75077). Durch diese Behandlung wird also der Gewerbeertrag gemindert und der Steuervorteil für den Betriebsveräußerungs- oder -aufgabegewinn bleibt voll erhalten.

BFH hegt neuerdings Zweifel an dieser Betrachtung

 bweichend von der Behandlung eines Disagios hat der BFH entschieden, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung, die ein Gewerbetreibender zu zahlen hat, weil er im Rahmen der steuerbegünstigten Betriebsveräußerung einen betrieblichen Kredit vorzeitig ablöst, zu den Veräußerungskosten i.S.d. § 16 Abs. 2 EStG (BFH, Urteil v. 25.1.2000, VIII R 55/97, Haufe Index 425194; Urteil v. 18.10.2000, X R 70/97, Haufe Index 510340 unter Änderung der Rechtsprechung). In einer neuen Entscheidung hat der BFH auch die Auflösung eines passiven Rechnungsabgrenzungsposten dem Aufgabegewinn zugeordnet und dabei offengelassen, ob an dem älteren "Disagio-Urteil" in Anbetracht der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung zur "Vorfälligkeitsentschädigung" festzuhalten oder diese überholt ist (BFH, Urteil v. 25.4.2018, VI R 51/16, Haufe Index 12014841).

Praxis-Tipp: BFH hat sich von seinem Disagio-Urteil noch nicht ausdrücklich distanziert

 Solange sich der BFH noch nicht ausdrücklich von seinem "Disagio-Urteil" distanziert hat, sollte in einschlägigen Fällen das Disagio zulasten des laufenden Gewinns ausgebucht werden. Hilfreich kann auch sein, den betrieblichen Kredit nicht anlässlich der Betriebsveräußerung oder -aufgabe, sondern vorher in zeitlich angemessenen Abstand aus eigenem (ggf. bisher nicht betrieblich gebundenem) Vermögen abzulösen.