Dr. Andreas Nagel, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Frage: In § 7 StBVV ist u. a. normiert, dass die Vergütung des Steuerberaters mit der Beendigung des Auftrags oder der Angelegenheit fällig wird. Welchen Umfang die Angelegenheit dabei hat und wann diese beendet ist, führt in der Praxis oftmals zu Streitigkeiten. Soweit ersichtlich, sind diese Fragen höchstrichterlich noch nicht (abschließend) entschieden. Welche Hinweise können Sie mir zu der Thematik geben?
Antwort: Das OLG Karlsruhe (Urteil v. 31.8.2022, 15 U 110/21, DStR 2023, S. 2525) hat hierzu im Zusammenhang mit der Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen für eine GmbH & Co. KG entschieden, dass eine steuerliche Beratungsangelegenheit jedenfalls erst dann beendet ist, wenn der Steuerberater, der ohne Wissen des Mandanten aufgrund zeitlichen Verzugs zunächst nur eine vorläufige Steuererklärung abgegeben hat, die endgültige Steuererklärung eingereicht hat.
Steuerberater wird vergleichbar einem Rechtsanwalt (steuer-)rechtsberatend tätig
Das OLG Karlsruhe nimmt für die zu entscheidende Fallkonstellation greifbare Klarstellungen hinsichtlich des Umfangs der gebührenrechtlichen Angelegenheit sowie des Zeitpunkts der Beendigung dieser Angelegenheit vor. Es greift hier richtigerweise auf die Rechtsprechung des BGH zum Begriff der "Angelegenheit" im RVG zurück. Der Steuerberater zählt zu den rechtsberatenden Berufen und wird vergleichbar dem Rechtsanwalt (steuer-)rechtsberatend tätig. Die seitens des BGH entwickelten Grundsätze zum Umfang der Angelegenheit sind daher ohne Weiteres übertragbar (vgl. Kay Fietkau, Referent für Recht und Berufsrecht, BStBK Berlin, DStR 2023, S. 2525, 2528).
Begriff der Angelegenheit
Der Begriff der Angelegenheit ist in der StBVV nicht definiert. Grundsätzlich ist die Tätigkeit eines Steuerberaters, für welche die StBVV eine selbstständige Gebühr ausweist, eine Angelegenheit, die sich auf mehrere, gebührenrechtlich unbeachtliche Einzeltätigkeiten erstrecken kann. Der BGH (Urteil v. 6.6.2019, I ZR 150/18, GRUR 2019, S. 1044) geht von einer Angelegenheit aus, wenn zwischen den ([vergleichbaren] anwaltlichen) Leistungen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der (anwaltlichen) Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht.
Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für einen einheitlichen Rahmen der (anwaltlichen) Tätigkeit reicht es grundsätzlich aus, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinn einheitlich bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst oder in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang zwischen den (anwaltlichen) Leistungen ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der (anwaltlichen) Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammengehören. Eine Angelegenheit kann auch vorliegen, wenn ein dem Rechtsanwalt zunächst erteilter Auftrag vor dessen Beendigung ergänzt wird.
Die Bestimmung des Umfangs einer gebührenrechtlichen Angelegenheit ist letztlich eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind die jeweiligen Umstände, insbesondere der erteilte Auftrag (BGH, Urteil v. 29.10.2020, IX ZR 264/19, IWW-Abrufnummer 219019).
Wann eine Angelegenheit vorliegt
Überträgt man dies auf die Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen, sind solche jeweils auch dann als eine Angelegenheit zu betrachten, wenn die ursprünglich erstellten Abschlüsse oder Erklärungen später nochmals geändert werden, insbesondere weil bei der ursprünglichen Erstellung die erforderlichen Zahlenwerke und Informationen noch nicht vollständig vorlagen und deswegen grundsätzlich absehbar war, dass später eine Änderung und Neueinreichung beim Finanzamt erforderlich sein wird. Offensichtlich besteht dabei ein innerer Zusammenhang zwischen der ursprünglichen Fassung und der später geänderten. Auch die angestrebte Zielsetzung bleibt jeweils die gleiche (vgl. Kay Fietkau, a. a. O.).
Fälligkeit der Vergütung
Wann eine Angelegenheit endet und damit die Vergütung fällig wird, ist in der Rechtsprechung und Kommentierung ebenfalls streitig. Unter Hinweis auf die im Dienst- und Werkvertragsrecht geregelte Vorleistungspflicht (§§ 614, 641 Abs. 1 BGB) des Verpflichteten wird teilweise die Auffassung vertreten, dass ein Auftrag erst dann erledigt oder eine Angelegenheit erst dann beendigt ist, wenn der Steuerberater seinem Auftraggeber die Arbeitsergebnisse verfügbar gemacht hat (vgl. z. B. OLG Frankfurt/M., Urteil v. 7.11.2001, 23 U 184/00, DStRE 2002, S. 1287; OLG Düsseldorf, Urteil v. 22.11.2011, I-23 U 205/10, BeckRS 2013, 10614). Nach a. A. beschränkt sich ...