Diskussion um Straffreiheit geht weiter
Das Bundesfinanzministerium hat Forderungen aus der SPD nach weitgehender Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige für Steuersünder eine Absage erteilt. Der Parlamentarische Staatssekretär im Ministerium, Michael Meister (CDU), sagte der «Bild»-Zeitung (Mittwoch): «Statt hektisch Forderungen zu stellen, sollten wir jetzt die gemeinsamen Verabredungen umsetzen.»
Die Regierung habe «Steuerhinterziehern die strafbefreiende Selbstanzeige schon 2011 schwerer gemacht», man wolle sie weiter einschränken. «Dafür haben die Finanzminister von Bund und Ländern schon längst gemeinsame Vorschläge gemacht. Auch die SPD saß dabei mit am Tisch», sagte Meister.
Nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) sollten Selbstanzeigen von Steuersündern schärferen Regeln unterworfen werden. Im Grundsatz befürworte er Selbstanzeigen, da sie es Steuerhinterziehern ermöglichen, Fehler einzugestehen und auf einen legalen Weg zurückzufinden, sagte Albig dem «Flensburger Tageblatt» (Mittwoch). Wo dennoch Hoch- und Höchstverdiener dauerhaft Steuern hinterziehen, brauche es schärfere Regeln. Albig: «Mein Vorschlag ist daher, ab einer hinterzogenen Summe von 100 000 Euro die Selbstanzeige nicht mehr zur Strafbefreiung, sondern nur noch zur Strafmilderung einzusetzen.»
Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) ging darüber hinaus: «Es muss geprüft werden, ob es ab einer Steuerschuld von etwa 50 000 Euro noch die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige geben sollte», sagte er der «Rheinischen Post» (Mittwoch).
«Der Koalitionsvertrag sieht vor, Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Jetzt muss Herr Schäuble liefern», sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel der «Frankfurter Rundschau» (FR, Mittwoch) mit Blick auf Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Wie Schäfer-Gümbel forderte auch SPD-Vize Ralf Stegner eine Überprüfung der Verjährungsfristen bei schwerer Steuerkriminalität. Die Strafbefreiung der Selbstanzeige sei «ein Relikt feudaler Gesinnung», sagte er der «FR». «Das schützt in der Tendenz die Reichenkriminalität.» Bei den meisten Steuerbetrügern, die sich dem Fiskus offenbarten, könne man «nicht von Reue reden, sondern von Angst vor dem Knast», sagte Stegner.
Die Forderung nach einem Verzicht auf Straffreiheit für reuige Steuerhinterzieher stößt allerdings auch in der SPD auf Widerstand. «Wir brauchen volle Kassen, nicht volle Gefängnisse», sagte der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) dem «Kölner Stadt-Anzeiger» (Mittwoch). «Ja zur Selbstanzeige und den Fahndungsdruck erhöhen - das ist der richtige Weg.»
Auch Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) trat auf die Bremse. Er sagte NDR Info, die Länder-Finanzminister berieten derzeit unter anderem darüber, die Strafzahlungen für Steuerbetrüger anzuheben - und zwar von 5 auf 10 Prozent der Summe, die dem Fiskus vorenthalten wurde. Eine generelle Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige hielten alle seine Ressortkollegen für den falschen Weg - auch weil dies zu einem drastischen Rückgang der Einnahmen führe.
Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lothar Binding, sagte dem «Mannheimer Morgen» (Mittwoch), die Höhe der Summe, ab der Steuerbetrüger sich nicht mehr selbst anzeigen können, dürfe nicht zu niedrig angesetzt werden. «Man müsste vielleicht mit 100 000 Euro oder 200 000 Euro beginnen, die Wirkungen beobachten und dann sehen, wie groß der Effekt ist - und eventuell nachjustieren.»
Die stellvertretende Linke-Chefin im Bundestag, Sahra Wagenknecht, erhob schwere Vorwürfe: «Die Bundesregierung deckt kriminellen Steuertourismus. Deutschland verliert dadurch jährlich etwa 160 Milliarden Euro beziehungsweise einen halben Staatshaushalt», sagte sie «Handelsblatt Online». Zugleich signalisierte Wagenknecht Unterstützung für den Vorstoß der SPD nach einem weitgehenden Verzicht auf Straffreiheit bei geständigen Steuersündern.
2013 haben sich mehr als 26 000 Bürger selbst angezeigt, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab. Zuletzt hatte die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer am Sonntag nach einem Bericht des Magazins «Der Spiegel» eingeräumt, seit den 80er Jahren ein Schweizer Konto geführt und es erst 2013 beim Finanzamt angezeigt zu haben.
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