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Seit dem Systemwechsel vom Vollanrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren durch das Steuersenkungsgesetz waren in- und ausländische Beteiligungserträge (Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen) bei Körperschaften nach § 8b KStG steuerfrei.

Der Diskussionsentwurf zum InvStRefG sah noch eine Neufassung des § 8b Abs. 4 KStG vor. Dadurch sollen die Veräußerungsgewinne aus sog. Streubesitz von Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuer unterworfen werden. Bei Veräußerungsgewinnen würde dies auch auf die Gewerbesteuer durchschlagen.

Mit dem Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09 (siehe BGBl I 2013, 561) wurde eine Steuerpflicht für Dividenden aus Beteiligungen im Streubesitz (Streubesitzdividenden) eingeführt. Mit der Aufhebung der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG für Streubesitzdividenden, die von inländischen Körperschaften und ausländischen Körperschaften mit einer inländischen Betriebsstätte bezogen werden, wurde die Dividendenbesteuerung für inländische und ausländische Kapitalgesellschaften angeglichen. Die Besteuerung erfolgt für inländische Kapitalgesellschaften und für ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischer Betriebsstätte im Rahmen der Veranlagung und für ausländische Kapitalgesellschaften ohne inländische Betriebsstätte durch den abgeltenden Steuerabzug.

In einer Protokollerklärung zu dem Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09 hatte sich die Bundesregierung verpflichtet, im Zusammenhang mit der grundlegenden Reform der Investmentbesteuerung die künftige steuerliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz erneut ergebnisoffen aufgreifen und die notwendigen Folgerungen ziehen.

Der Bundesrat hatte in der Vergangenheit darauf gepocht, dass die Steuerfreiheit für Gewinne aus der Veräußerung ebenso gestrichen wird, wie das für Gewinne aus Dividenden bereits erfolgte. Nach einem Bund-Länder-Streit über Steuerfragen hatte die Bundesregierung Ende 2014 zugesagt, Änderungswünsche der Länder zügig anzugehen und Gesetzeslücken zu schließen. Dabei ging es auch um eine Neuregelung zur steuerlichen Behandlung von Gewinnen aus Streubesitz.

Durch die im Diskussionsentwurf ursprünglich vorgesehen Änderung des § 8b Abs. 4 KStG wären künftig auch Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen im Streubesitz in die Steuerpflicht einbezogen. Da die Veräußerung einer Beteiligung einer Ausschüttung aller auf diese Beteiligung entfallenden offenen Rücklagen und stillen Reserven gleichkommt, ist eine steuerliche Gleichbehandlung systematisch gerechtfertigt. Durch den Gleichlauf der Besteuerung von Dividendenerträgen und Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen im Streubesitz werden zudem Gestaltungen zur Umgehung der Steuerpflicht von Streubesitzdividenden vermieden.

Die Steuerpflicht gilt nur für Körperschaften. Bei Einkommensteuerpflichtigen, die Streubesitzerträge im Betriebsvermögen erzielen und bei Veräußerungen von Anteilen im Privatvermögen, die mindestens 1 % betragen (siehe § 17 Einkommensteuergesetz, EStG), gilt weiterhin das Teileinkünfteverfahren. Bei Beteiligungserträgen im Privatvermögen bleibt es bei der Besteuerung im Rahmen der Abgeltungsteuer.

Der neue § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG würde eine Besteuerung der Veräußerungsgewinne vorsehen, so dass in die Steuerpflicht für Streubesitzdividenden auch die Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen im Streubesitz einbezogen werden sollen.

Eine neue, modifizierte Streubesitzgrenze würde eingeführt werden, so dass eine Streubesitzbeteiligung nach wie vor gegeben ist, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres weniger als 10 % betragen hat. Anders als bisher sollen unterjährige Beteiligungserwerbe oder -veräußerungen jedoch keine Rolle für die Ermittlung der Streubesitzgrenze mehr spielen. Eine Ausnahme soll für die Dividendenbesteuerung ein zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgter mindestens 10 %-iger Beteiligungserwerb bei Bestehen der Beteiligung bis zum Ablauf des Kalenderjahres bestehen (siehe neuer § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG: Verzicht auf eine Rückbeziehungsfiktion).

Der Diskussionsentwurf zum InvStRefG sah auch eine neue Beschränkung der Verlustverrechnung vor (neuer § 8b Abs. 4 Satz 7 KStG). Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen im Streubesitz werden in einem eigenen System besteuert. Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit Beteiligungen im Streubesitz stehen, können nur mit Gewinnen aus diesen Beteiligungen verrechnet werden. Aus der Berücksichtigung von Gewinnminderungen entstehende Verluste können nicht mit anderen positiven Erträgen der Körperschaft verrechnet werden.

Anmerkungen: Bei erster Analyse lässt sich festhalten, dass diese  Regelung sehr an § 15 Abs. 4 EStG enthaltene Regelung für Verluste aus Termingeschäften orientiert ist, ohne allerdings einen Rücktrag zuzulassen. In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, ob die neue Verlustverrechnungsbeschränkung im Zusammenhang mit voll steuerpflichtigen Absicherungsgeschäften zu gerechtfertigten Ergebnissen führen kann.

Diese Einschränkung der Verlustverrechnung verhindert die Berücksichtigung hoher Verluste aus Portfoliobeteiligungen in Zeiten stark fallender Börsenwerte und dient damit der Sicherung einer geordneten Haushaltsführung. Die Regelung verhindert ebenfalls insbesondere Steuergestaltungen, die darauf beruhen, die unterschiedlichen Besteuerungssysteme (Steuerfreiheit bei Schachtelerträgen und Steuerpflicht bei Streubesitzerträgen) dafür zu nutzen, Verluste in den steuerpflichtigen Bereich zu verlagern.

Begründet wird diese neue Regelung u. a. damit, dass seit Einführung des Halbeinkünfteverfahrens das bisherige generelle Abzugsverbot von Verlusten aus der Veräußerung von Beteiligungen zum großen Teil verhindert hat, dass Kursstürze der Vergangenheit das Verlustvortragspotenzial von Körperschaften erhöht hat. Wären künftig aber über die o. g. Gestaltungen Verluste in erheblichem Umfang mit anderen Erträgen verrechenbar, bestünde die Gefahr, dass bei vergleichbaren Kurseinbrüchen wie in der Vergangenheit (z. B. Börsencrash 2000 bis 2002) erhebliche Steuermindereinnahmen drohen.

Zum zeitlichen Anwendungsbereich sah der Diskussionsentwurf zum InvStRefG vor, dass die Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne aus Streubesitz erstmals für Gewinne gelten sollte, die nach dem 31.12.2017 anfallen.

Nach erheblicher Kritik aus der Wirtschaft, den Interessensverbänden und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verzichtete das BMF im Referentenentwurf des InvStRefG (welches seinen Ausfluss in dem entsprechenden Regierungsentwurf fand) auf die Neuerungen in Bezug auf die Steuerpflicht auf Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen (Beteiligungshöhe geringer als 10 %) von Kapitalgesellschaften. Hintergrund war die Befürchtung, dass eine Besteuerung der Veräußerungsgewinne zu Nachteilen für die betriebliche Altersversorgung und für Start Up-Unternehmen führen könne.

Am 22.4.2016 hatte der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum InvStRefG ausführlich Stellung genommen. Gegenstand der Diskussionen im Bundesrat war auch die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz. Der Bundesrat folgte allerdings nicht in allen Punkten den Forderungen ihrer Fachausschüsse (siehe BR Drs. 119/16 (B) v. 22.4.2016). Die Bundesregierung hatte hierzu am 4.5.2016 die Gegenäußerung beschlossen.

Die Bundesregierung lehnte – wie zu erwarten war – den Antrag des Bundesrate für die Ausdehnung der Steuerpflicht auf Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen im Gesetzgebungsverfahren ab. Der Bundesrat hatte sich in seiner Stellungnahme ausdrücklich für eine Prüfung der Veräußerungsgewinnbesteuerung in diesem laufenden Gesetzgebungsverfahren ausgesprochen und hält die Prüfung einer Änderung der Regelungen des § 8b Abs. 4 KStG aus steuersystematischen Gründen und zur Vermeidung von Missbrauch nach wie vor für erforderlich. 

Nach Auffassung der Bundesregierung hat eine „intensive Suche“ nach einer europarechtskonformen Regelung, die der Anforderung an die Förderung des Wagniskapitalsektors Rechnung trägt, bislang zu keiner befriedigenden Lösung geführt. Gegenwärtig würde

"innerhalb der Ressorts der Bundesregierung weiterhin nach einer zufriedenstellenden Lösung für die Vermeidung neuer Belastungen im Wagniskapitalbereich gesucht, die mit den beihilferechtlichen Anforderungen des Unionsrechts vereinbar ist, um eine mögliche Einführung der Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen zu einem späteren Zeitpunkt erneut ergebnisoffen aufzugreifen."

Auf die im ersten Diskussionsentwurf vorgesehene Ausdehnung der Steuerpflicht auf Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen (Beteiligungshöhe geringer als 10 %) von Kapitalgesellschaften (§ 8b Abs. 4 KStG) verzichtet der Gesetzgeber wie bereits im Regierungsentwurf und der Gegenäußerung vom 4.5.2016.

Das nun beschlossene Gesetz enthält somit auch keine Veränderung bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz. Es bleibt erklärtes Ziel der Bundesregierung, eine Regelung zur Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz zu schaffen, die keine neue steuerliche Belastung bei der Finanzierung junger, innovativer Unternehmen schafft. Dafür muss sichergestellt sein, dass die Regelungen für junge, innovative Unternehmen aus Sicht der EU-Kommission europarechtlich zulässig sind. Die Arbeiten an einer solchen Lösung gehen weiter.

Weiterhin ist somit zu überdenken, die betroffenen Beteiligungen vor einem möglichen neuen Stichtag (die durch eine neue Gesetzesinitiative fixiert werden wird) zu veräußern oder die Beteiligungsquote vor dem Stichtag auf mindestens 10 % zu erhöhen.

Schlagworte zum Thema:  Körperschaftsteuer, Investment, Investmentfonds