Brexit-Steuerbegleitgesetz

Am 15.3.2019 hat der Bundesrat dem Gesetz über steuerliche Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union zugestimmt.

Der Bundestag hatte das Brexit-Steuerbegleitgesetz bereits am 21.2.2019 verabschiedet. Die Koalitionsfraktionen im Bundestag hatten zuvor im Finanzausschuss 11 Änderungsanträge zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf angenommen.

Unangemessene Rechtsfolgen durch den Brexit: Gesetzesänderungen

Nach Art. 5 des Vertrags über die Europäische Union endet die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der EU am 30.3.2019. Allerdings können Verhandlungen mit den verbleibenden EU-Mitgliedstaaten noch ergeben, dass das Vereinigte Königreich erst nach Ablauf einer Übergangsfrist als Drittstaat zu behandeln ist.

Die Gesetzesbegründung stellt klar, dass die Behandlung des Vereinigten Königreichs als Drittstaat nur steuerlich relevante Tatbestandsmerkmale betrifft, die aufgrund einer Handlung des Steuerpflichtigen nach dem Brexit bzw. dem Ablauf einer Übergangsfrist erfüllt werden. Die Beurteilung eines Sachverhalts mit Bezug zum Vereinigten Königreich als Drittstaats-Sachverhalt betreffe aber auch Sachverhalte, in denen der Steuerpflichtige bereits in der Vergangenheit alle steuerlich relevanten Handlungen vollzogen hat (z. B. Überführung eines Wirtschaftsguts ins Vereinigte Königreich) und - anders als z. B. in den Fällen des § 6 Abs. 5 AStG oder des § 12 Abs. 3 KStG - allein der Brexit, ohne weiteres Zutun des Steuerpflichtigen, zu nachteiligen steuerlichen Rechtsfolgen führt (z. B. Auflösung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG).

Situation bei Wegzugsbesteuerung und Liquidationsbesteuerung

In den Fällen des § 6 Abs. 5 AStG (zinslose Stundung bei Wegzugsbesteuerung) führe allein der Brexit aufgrund des Gesetzeswortlauts noch nicht zu einem Widerruf der Stundung. Ein "schädliches Ereignis" könne hier erst durch eine weitere Handlung des Steuerpflichtigen nach dem Brexit ausgelöst werden. Ein neuer § 6 Abs. 8 AStG soll dies nun ausdrücklich regeln. Die Voraussetzungen für eine Stundung nach § 6 Absatz 5 Satz 1 bis 3 AStG müssen während des gesamten Stundungszeitraums vorliegen (zeitraumbezogene Betrachtung). Entfallen die Voraussetzungen nachträglich, stellt dies nach dem geänderten § 6 Abs. 5 Satz 4 AStG einen eigenständigen Widerrufstatbestand dar. Auch eine der Einlage im Sinne des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 AStG nachfolgende Überführung der Anteile in eine Drittstaats-Betriebsstätte würde dann zum Widerruf der Stundung führen. Diese gesetzlichen Klarstellungen fehlten noch im Referententwurf des BMF.

Entsprechendes gilt für die Liquidationsbesteuerung nach § 12 Abs. 3 KStG in Verbindung mit § 11 KStG bei Verlegung des Sitzes oder der Geschäftsleitung in einen anderen Drittstaat. Diese soll nicht allein durch den Brexit ausgelöst werden, sondern nach dem neuen § 12 Abs. 3 Satz 4 KStG erst dann eintreten können, wenn dieselbe Körperschaft anschließend unter Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht im Vereinigten Königreich in einen anderen Drittstaat verzieht oder auf Grund des Wegzugs als in einem anderen Drittstaat ansässig anzusehen ist.

Der bevorstehende Brexit kann ohne Dazutun des Steuerpflichtigen auch zu steuerlichen Konsequenzen für Unternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft nach britischem Recht führen, die ihren Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland haben. Davon betroffen sind Unternehmen insbesondere in der Rechtsform einer Limited. Steuerlich bleiben diese Gesellschaften entsprechend der Rechtsprechung des BFH zum sog. Typenvergleich Subjekt der Körperschaftsteuer, das selbst körperschaftsteuerpflichtige Einkünfte erzielen kann. Indem § 12 Abs. 4 KStG die ununterbrochene Zurechnung des Betriebsvermögens zum Körperschaftsteuersubjekt Limited anordnet, wird klargestellt, dass allein der Brexit keine Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven auslöst.

Verhinderung einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns

In den Fällen in denen Unternehmensteile oder Anteile vor dem Brexit von einem britischen Steuerpflichtigen oder in eine britische Körperschaft zu Werten unterhalb des gemeinen Werts eingebracht wurden (§ 22 Abs. 1 und 2 UmwStG) soll die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns durch einen neuen § 22 Abs. 8 Satz 1 verhindert werden.

Nach dieser Regelung soll in in Bezug auf einen Einbringenden oder eine übernehmende Gesellschaft i. S. d. § 22 Ab. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG und § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG, die bereits vor dem Brexit im Vereinigten Königreich ansässig waren – und ansonsten auch kein weiteres die Einbringungsgewinnbesteuerung nach § 22 UmwStG auslösendes Ereignis hinzutritt –, das Vereinigte Königreich insoweit nach wie vor wie ein Mitgliedstaat der EU behandelt werden.

Verhinderung einer zwingenden Auflösung eines Ausgleichspostens

Ein Ausgleichsposten nach § 4g EStG, der vor dem Brexit mit dem Ziel gebildet wurde, die u.a. aufgrund der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine britische Betriebsstätte ausgelöste Besteuerung stiller Reserven über einen Zeitraum von maximal 5 Jahren zu verteilen, müsste ohne eine gesetzliche Änderung im Falle des Brexits zwingend aufgelöst werden. Ein neuer § 4g Abs. 6 EStG soll bestimmen, dass allein der Brexit nicht zu dieser Rechtsfolge führt.

Verhinderung einer rückwirkenden Besteuerung bei ausbleibender Reinvestition

Im Referentenentwurf des BMF noch nicht erhalten war die jetzt aufgenommene Regelung zur Verhinderung einer Verzinsung des Zahlungsaufschubs nach § 6b Abs. 2a EStG in Fällen, in denen der Antrag auf Ratenzahlung bereits vor dem Zeitpunkt gestellt worden ist, zu dem das Vereinigte Königreich nicht mehr Mitgliedstaat der EU ist und auch nicht wie ein solcher zu behandeln ist. Hierzu soll ein neuer § 6b Abs. 2a Satz 7 EStG in die Vorschrift eingefügt werden.

Verschmelzungen nach dem Brexit

Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (BGBl 2018 I S. 2694) wurde in § 122m UmwG eine Übergangsregelung für britische Kapitalgesellschaften geschaffen, die die Eintragung von Verschmelzungen auch nach dem Brexit erlaubt, sofern der Verschmelzungsplan nach § 122c Abs. 4 UmwG vor dem Brexit notariell beurkundet worden ist und die Verschmelzung unverzüglich, spätestens aber 2 Jahre nach diesem Zeitpunkt mit den erforderlichen Unterlagen zur Registereintragung angemeldet wird. Eine neuer § 1 Abs. 2 Satz 3 UmwStG stellt sicher, dass eine übertragende Gesellschaft, die von der Übergangsregelung in § 122m UmwG Gebrauch macht, in den persönlichen Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes fällt, obwohl sich der Sitz der Gesellschaft nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland außerhalb der EU und des EWR befindet.

Geförderte Altersvorsorge

  • Mit einer Regelung in § 3 Nr. 55c Satz 2 Buchst. c EStG soll die Möglichkeit der steuerfreien Kapitalübertragung auf den überlebenden Ehegatten/Lebenspartner in den Fällen erhalten bleiben, in denen der Altersvorsorgevertrag vor dem Brexit-Referendum (23.6.2016) abgeschlossen wurde und die Ehegatten/Lebenspartner ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich Großbritannien oder Nordirland vor dem Zeitpunkt hatten, ab dem das Vereinigte Königreich nicht mehr Mitgliedstaat der EU ist und auch nicht wie ein solcher zu behandeln ist.
  • § 92a Abs. 1 Satz 5 EStG regelt die Voraussetzungen für eine begünstigte Wohnung im Rahmen der förderunschädlichen wohnungswirtschaftlichen Verwendung eines in eine Altersvorsorgevertrag ("Riester"-Vertrag) gebildeten und geförderten Kapitals nach § 92a Abs. 1 Satz 1 EStG. Eine Wohnung ist danach u. a. nur dann begünstigt, wenn diese Wohnung in einem EU-/EWR-Staat belegen ist. Die Neuregelung sorgt dafür, dass in "Altfällen" durch den Brexit keine förderschädliche Verwendung vorliegt.
  • § 93 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c EStG regelt, unter welchen Voraussetzungen eine förderunschädliche Kapitalübertragung des geförderten Altersvorsorgevermögens bei Tod des Zulageberechtigten möglich ist. Es soll die Möglichkeit der förderunschädlichen Kapitalübertragung in Fällen erhalten bleiben, in denen die Ehegatten/Lebenspartner ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich hatten, um so unbillige Härten zu vermeiden.
  • § 95 Absatz 1 EStG regelt die entsprechende Anwendbarkeit der schädlichen Verwendung und deren Folgen nach den §§ 93 und 94 EStG für die Fälle, in denen sich der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Zulageberechtigten außerhalb der EU-/EWRStaaten befindet und entweder keine Zulageberechtigung besteht oder der Vertrag in der Auszahlungsphase ist. Ein § 95 Ab. 1 Satz 2 soll dafür sorgen, dass bei einem Brexit in "Altfällen" die gewährten Altersvorsorgezulagen und ggf. Steuerermäßigungen nicht zurückgezahlt werden müssen. Voraussetzungen: Vertragsabschluss und Wohnsitznahme/gewöhnlicher Aufenthalt im Vereinigten Königreich vor dem Brexit-Referendum am 23.6.2016.

Regelungen zur Erbschaftsteuer

§ 37 Abs. 17 ErbStG soll sicherstellen, dass für Erwerbe, für die die Steuer vor dem Zeitpunkt entstanden ist, ab dem das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland nicht mehr Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und auch nicht wie ein solcher zu behandeln ist, dieses weiterhin als Mitgliedstaat der Europäischen Union gilt. Auf diese Weise wird im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz der "Status Quo" gewahrt. Praktische Bedeutung kann dem beispielsweise bei Anwendung der Lohnsummenregelung bei der Steuerbegünstigung für Unternehmensvermögen zukommen. Für Erwerbe ab dem Zeitpunkt, ab dem das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland nicht mehr Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und auch nicht wie ein solcher zu behandeln ist, gilt das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland – vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen – als Drittstaat.

Regelungen zur Grunderwerbsteuer

Sofern an einer Limited mit inländischer Geschäftsleitung nur ein Gesellschafter beteiligt ist, gibt es verschiedene Fallkonstellationen, in denen allein durch den Brexit ein grunderwerbsteuerrechtlicher Tatbestand ausgelöst wird. Mit der Einfügung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 6 GrEStG wird sichergestellt, dass es nicht allein durch den Brexit zu einer Belastung mit Grunderwerbsteuer kommt.

Wenn an einer Limited mit inländischer Geschäftsleitung, der vor dem Brexit eine Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG gewährt wurde, nur ein Gesellschafter beteiligt ist, tritt durch den Brexit der Alleingesellschafter an die Stelle der Limited. Der grunderwerbsteuerrechtliche Verbund i.S. des § 6a GrEStG endet dadurch, unabhängig davon, ob die Limited herrschendes Unternehmen oder abhängige Gesellschaft war. Die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG ist zu versagen. Durch die Anfügung eines Satzes 5 in § 6a GrEStG wird erreicht, dass die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG nicht allein dadurch entfällt, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union austritt.

Weitere Regelungen

Darüber hinaus enthält das Gesetz bestandsschutzsichernde Anpassungen im Bausparkassen- und Pfandbriefgesetz, im Kreditwesengesetz sowie der Anlageverordnung für Pensionskassen, Sterbekassen und kleine Versicherungsunternehmen.

Gesetz über steuerliche Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union