Reverse Charge bei Betriebsvorrichtungen

Nachdem der BFH entschieden hatte, dass Betriebsvorrichtungen keine Bauwerke i. S. d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG sind und deshalb im Zusammenhang mit Arbeiten an solchen Betriebsvorrichtungen die Steuerschuldnerschaft nicht auf den Leistungsempfänger übergehen kann, hat die Finanzverwaltung jetzt mit einem Nichtanwendungserlass auf dieses Urteil reagiert.

Reverse Charge bei Bauleistungen

Führt ein Unternehmer Werklieferungen oder sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, aus, wird der Leistungsempfänger zum Steuerschuldner (Reverse-Charge-Verfahren) für die ihm gegenüber ausgeführte Leistung, wenn er selbst nachhaltig solche Leistungen ausführt (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. Abs. 5 Satz 2 UStG).

Hinweis: Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Leistungsempfänger als „bauleistender Unternehmer“ anzusehen ist, war eine der umstrittensten Fragen in 2014. Nach der zum 1.10.2014 in Kraft getretenen Gesetzesänderung wird der Leistungsempfänger gegenüber dem leistenden Unternehmer die Eigenschaft als bauleistender Unternehmer regelmäßig mit dem Formular USt 1 TG nachweisen. Das Finanzamt erteilt dem Unternehmer diese Bescheinigung, wenn er im vorangegangenen Kalenderjahr mehr als 10 % seiner weltweit ausgeführten Leistungen als Bauleistungen erbracht hat.

Die Anwendung des § 13b Abs. 4 Nr. 2 UStG setzt unter anderem voraus, dass eine Tätigkeit im Zusammenhang mit einem Bauwerk ausgeführt wird. Der BFH (Urteil v. 28.8.2014, V R 7/14,  Haufe Index 7400376) hatte im August 2014 entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung festgestellt, dass Betriebsvorrichtungen nicht zu den Bauwerken gehören und demnach Arbeiten an oder die Errichtung von Betriebsvorrichtungen nicht in den Anwendungsbereich des § 13b UStG fallen.

Wichtig: Betriebsvorrichtungen dienen gegenüber einem Bauwerk eigenständigen Zwecken. Sie haben keine Funktion für das Bauwerk, sondern sind dort lediglich untergebracht (BGH, Urteil v. 15.5.1997, VII ZR 287/95). Ein Einbau von Betriebsvorrichtungen führt zu keiner Änderung des Bauwerks.

BMF-Schreiben vom 28.7.2015

Die Finanzverwaltung hat zu dem Urteil des BFH einen Nichtanwendungserlass herausgegeben und wendet die Schlussfolgerungen des BFH über den entschiedenen Fall hinaus nicht an.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung können auch Betriebsvorrichtungen in den Anwendungsbereich des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG fallen. Im Wesentlichen geht es um die Auslegung des Begriffs der Bauleistungen nach Art. 199 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL. Dabei sei der Begriff der Bauleistung nicht nur auf Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück beschränkt, sondern weiter auszulegen. Die Angabe „im Zusammenhang mit Grundstücken“ soll sich nur auf die Angabe „Reparatur-, Reinigungs- Wartungs-, Umbau und Abbruchleistungen“ beziehen. Bei Bauleistungen muss hingegen nicht zwingend ein Zusammenhang mit einem Grundstück gegeben sein. Zutreffend stellt die Finanzverwaltung fest, dass die Begriffe nicht nach nationalem Bewertungsrecht auszulegen sind.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann es sich bei Leistungen an Betriebsvorrichtungen auch um Bauleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück handeln. Der Begriff der Bauleistung soll dabei unter Berücksichtigung der Auslegung des Grundstücksbegriffs sowie der Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück, soweit deren Zweck in physischen Veränderungen an dem Grundstück besteht, anhand der unionsrechtlichen Vorgaben beurteilt werden (Art. 13b und Art. 31a MwStSystRL-DVO).

Unter Bezugnahme auf die Definition des Grundstücksbegriffs in Art. 13b MwStSystRL-DVO – die von der Finanzverwaltung in Abschn. 3a.3 UStAE übernommen worden war – wird insbesondere darauf abgestellt, dass darunter auch „Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen gehören, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind, und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern“.

Wichtig: Betriebsvorrichtungen sind nach Auffassung der Finanzverwaltung nur dann nicht als „Grundstück“ im unionsrechtlichen Sinne anzusehen, wenn sie nicht auf Dauer installiert sind oder bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.

Konsequenzen für die Praxis

Im Wesentlichen bleibt – zumindest vorläufig – aus Sicht der Finanzverwaltung alles wie es ist: Betriebsvorrichtungen können als Bauwerksbestandteil angesehen werden, sodass die Errichtung von Betriebsvorrichtungen bzw. Arbeiten an diesen Teilen zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers führen können, wenn der Leistungsempfänger die Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG erfüllt. In seltener Klarheit hat die Finanzverwaltung die Auffassung des BFH als nicht zutreffend bezeichnet.

Der Finanzverwaltung muss zugestimmt werden, dass die Abgrenzungen i. S. d. Urteils des BFH für die Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen würden, da ein leistender Unternehmer kaum erkennen kann, ob es sich bei bestimmten Anlagen (z. B. Klima-, Kälte- oder Belüftungsanlagen) um Anlagen handelt, die eigenständigen Zwecken dienen (dann lt. BFH kein reverse charge) oder ob sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind (lt. BFH nur dann reverse charge möglich).

Praxis-Tipp: Ggf. könnte hier – seit dem 1.10.2014 – auch die „Vertrauensschutzregelung“ des § 13b Abs. 5 Satz 7 UStG für Abhilfe sorgen, nach der der Leistungsempfänger auch dann als Steuerschuldner angesehen werden kann, wenn die objektiven Voraussetzungen nicht vorlagen, die Vertragsparteien aber von der Anwendung des § 13b UStG ausgegangen waren und dies auch so durchgeführt hatten.

BMF, Schreiben v. 28.07.2015, III C 3 – S 7279/14/10003