BMF: Steuerliche Folgen der Löschung einer britischen Limited

Hinsichtlich der steuerlichen Folgen der Löschung einer britischen Limited aus dem britischen Handelsregister (Companies House) gilt Folgendes:

Beteiligtenfähigkeit

Das Gesellschaftsstatut einer wirksam nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründeten Limited beurteilt sich grundsätzlich nach britischem Recht. Dies gilt selbst dann, wenn sich der tatsächliche Verwaltungssitz einer Limited im Inland befindet. Insoweit kommt es aufgrund der EuGH-Urteile vom 9.3.1999, Rs. C-212/97 (Centros); vom 5.11.2002, Rs. C-208/00 (Überseering), sowie vom 30.9.2003, Rs. C-167/01 (Inspire Art), zu Artikel 49 AEUV (ex-Artikel 43 EG) i. V. m. Artikel 54 AEUV (ex-Artikel 48 EG) zu keiner Statutenverdoppelung.

Die Löschung einer britischen Limited aus dem britischen Handelsregister hat nach britischem Gesellschaftsrecht konstitutive Wirkung. Mit der Registerlöschung endet somit die rechtliche Existenz der Limited und noch vorhandenes Vermögen fällt an die britische Krone. Verbindlichkeiten der Gesellschaft, ausgenommen dinglich besicherte Verbindlichkeiten, erlöschen. Im Fall einer sog. „restoration“ („Wiederherstellung“), die u. a. von den directors oder Gesellschaftern (sog. „administrative restoration“) oder z. B. den Gläubigern (sog. „restoration by court order“) beantragt werden kann, wird die Gesellschaft so behandelt, als wäre die Auflösung und Löschung aus dem Register nie erfolgt. Dagegen führt die (Neu-)Eintragung einer Gesellschaft unter derselben Firma anders als die „restoration“ nicht dazu, dass die gelöschte Limited wieder auflebt. Es handelt sich vielmehr um eine eigenständige Gesellschaft mit eigener Companies House Registration Number (CRN). Eine im deutschen Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung ist nach § 395 Abs. 1 FamFG mangels eigener Rechtspersönlichkeit immer dann zu löschen, wenn die Hauptniederlassung im ausländischen Heimatregister gelöscht worden ist. Eine im deutschen Handelsregister fortbestehende Eintragung einer Zweigniederlassung hat keinen Einfluss auf das Bestehen der Gesellschaft.

Die Anerkennung des Vermögensanfalls an die britische Krone ist auf Vermögensgegenstände begrenzt, die sich im Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs befinden. Für außerhalb des Hoheitsgebiets des Vereinigten Königreichs belegene Vermögensgegenstände der aus dem britischen Handelsregister gelöschten Gesellschaft unterliegt die Anerkennung des Heimfallrechts an die britische Krone den allgemeinen Grundsätzen der internationalprivatrechtlichen Behandlung ausländischer Enteignungen. Die Beurteilung der Belegenheit des Vermögens erfolgt dabei nach den Grundsätzen des sog. Territorialitätsprinzips als Sondernorm des internationalen Privatrechts und nicht nach den Regeln des internationalen Sachenrechts oder des internationalen Schuldrechts.

Verfügt die gelöschte Limited über inländisches Vermögen (dazu gehören insbesondere auch Steuererstattungsansprüche), ist sie – bis zu ihrer vollständigen Abwicklung – mangels besonderer bilateraler Vereinbarungen mit dem Vereinigten Königreich diesbezüglich als fortbestehend anzusehen (sog. Restgesellschaft). Verbindlichkeiten der Gesellschaft – insbesondere aus Steuern – erlöschen nicht. Setzen die bisherigen Gesellschafter der gelöschten Limited deren werbende Geschäftstätigkeit in Deutschland fort, ist ihr Zusammenschluss nach deutschem Recht als offene Handelsgesellschaft (im Fall der Ausübung eines Handelsgewerbes) oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen; erfolgt die Fortführung nur durch einen Gesellschafter, kommt auch ein Einzelkaufmann in Betracht. Die über inländisches Vermögen verfügende „Restgesellschaft“ besteht daneben bis zum Abschluss der Liquidation fort. Dies gilt auch dann, wenn der oder die bisherigen Gesellschafter im Rahmen der Fortsetzung der werbenden Geschäftstätigkeit die Firma der gelöschten Limited weiter verwenden.

Infolge der selbstbeschränkenden Wirkung des Heimfallrechts auf innerhalb des Hoheitsgebiets des Vereinigten Königreichs belegene Vermögensgegenstände wird durch die Fiktion der Restgesellschaft Art. 49 AEUV (ex-Artikel 43 EG) i. V. m. Art. 54 AEUV (ex-Ar-tikel 48 EG) nicht berührt.

Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Restgesellschaft

Die Vertretung der Restgesellschaft richtet sich grundsätzlich nach britischem Gesellschaftsrecht, sodass grundsätzlich die bisherigen Vertretungsorgane die Restgesellschaft vertreten, solange kein Nachtragsliquidator oder ein anderer Vertreter bestellt ist. Abweichend davon ist in den Fällen, in denen eine Fortführung der Vertretung durch die bisherigen Organe nicht sachgerecht ist, analog § 66 Abs. 5 GmbHG ein Liquidator zu bestellen. War für die Löschung im britischen Handelsregister ein Fehlverhalten der bisherigen Organe ursächlich (z. B. bei Verletzung der Publizitätspflichten), spricht dies mangels schutzwürdiger Interessen jedenfalls dann nicht gegen eine Fortführung der Vertretung durch diese, wenn zwischen den Gesellschaftern und den bisherigen Organen Personenidentität besteht und das Finanzamt als Steuergläubiger auf die Bestellung eines anderen Liquidators verzichtet.

Für den Fall, dass vor der Löschung ein Bevollmächtigter bestellt wurde, gilt AEAO zu § 122 Nr. 2.8.3.2 für die Restgesellschaft entsprechend.

Steuerliche Behandlung

Eine Limited mit statutarischem Sitz im Vereinigten Königreich und Ort der Geschäftsleitung im Inland unterliegt mit ihren sämtlichen Einkünften der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Befindet sich der Ort der Geschäftsleitung nicht im Inland, unterliegt die Limited mit ihren inländischen Einkünften i. S. d. § 49 EStG der beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Nr. 1 KStG. Gleiches gilt für eine gelöschte Limited, die infolge des Vorhandenseins von inländischem Vermögen als fortbestehend anzusehen ist. Diese Restgesellschaft ist mit dem bisherigen Körperschaftsteuersubjekt identisch. Die Körperschaftsteuerpflicht besteht solange fort, wie sie noch steuerliche Pflichten zu erfüllen hat. Entsprechendes gilt auch für die Gewerbe- und Umsatzsteuer.

Der Sinn und Zweck der Fiktion einer Restgesellschaft ist auf die Abwicklung und Verteilung des inländischen Vermögens gerichtet; d. h. die Restgesellschaft ist keine werbende Gesellschaft. Für die Besteuerung im Abwicklungszeitraum gelten § 11 KStG und § 16 GewStDV. Der Abwicklungszeitraum beginnt mit der Löschung im britischen Handelsregister.

Setzen der oder die Gesellschafter der gelöschten Limited eine werbende Tätigkeit fort, begründen sie einen neuen Unternehmenszweck. Die Besteuerung dieser Tätigkeit hat bei einer gewerblichen Tätigkeit nach allgemeinen Grundsätzen als Einzelunternehmer oder als Mitunternehmer einer Personengesellschaft zu erfolgen. Die Restgesellschaft bleibt daneben grundsätzlich als Steuersubjekt bestehen, solange sie über Vermögen verfügt und steuerliche Pflichten zu erfüllen hat.

Wird Vermögen der Restgesellschaft im Rahmen der weitergeführten Tätigkeit durch den oder die fortsetzungswilligen Gesellschafter genutzt (z. B. Geschäftswert, Kundenstamm, Maschinen oder sonstige Wirtschaftsgüter), ist regelmäßig von einer unentgeltlichen Sach-auskehrung (Eigentumsübertragung) auszugehen. Abweichend davon kann, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Restgesellschaft ihre Eigentumsansprüche kennt und diese auch tatsächlich geltend macht, auch eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung anzunehmen sein. In beiden Fällen sind die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu prüfen.

Im Fall der „restoration“ wird die betreffende Limited nach britischem Recht so behandelt, als wäre die Löschung nie erfolgt. Dementsprechend lebt auch eine ggf. zuvor beendete Steuerpflicht rückwirkend wieder auf (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO). Die Besteuerung wie oben bleibt davon unberührt. Insbesondere bleiben gegen die handelnden Personen ergangene Steuerbescheide wirksam.

BMF, Schreiben v. 6.1.2014, IV C 2 - S 2701/10/10002

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