Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Unterkunftskosten. abstrakte Angemessenheit. angemessene Wohnungsgröße. Berücksichtigung von Pflegekindern. konkrete Angemessenheit. erhöhter Raumbedarf. Ausübung des Umgangsrechts mit dem Pflegekind. Wirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung. Erforderlichkeit einer erneuten Kostensenkungsaufforderung bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse. Mitteilung der Änderung im Klageverfahren

 

Orientierungssatz

1. Maßstab bei der Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße ist nur die Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Hierzu zählen Pflegekinder nicht. Das gilt erst recht, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt im Heim haben und sich lediglich für drei Tage die Woche im Haushalt der Pflegeeltern aufhalten.

2. Besteht wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem Kind ein zusätzlicher Wohnraumbedarf, kann dieser im Rahmen der konkreten Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizaufwendungen zu berücksichtigen sein. Dies gilt auch für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem Pflegekind nach § 1685 Abs 2 BGB.

3. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse (hier: die Erweiterung des Umgangsrechts) kann eine erneute Kostensenkungsaufforderung notwendig machen. Erfährt der Leistungsträger von dieser Änderung aber erst im Klageverfahren, kann ihm nicht der Vorwurf gemacht werden, dass er zeitnah keine geänderte Kostensenkungsaufforderung erlassen hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.07.2021; Aktenzeichen B 14 AS 31/20 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 24. August 2016 sowie der Bescheid vom 23. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2014 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern im Rahmen der endgültigen Festsetzung für die Monate Januar bis März 2014 sowie für April und Mai 2014 weitere Leistungen in Höhe von 97,70 Euro monatlich zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Kläger für beide Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen einer endgültigen Festsetzung über höhere Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II für die Monate Januar bis Mai 2014.

Die Kläger wohnten ab 2002 gemeinsam mit den zwei Söhnen der Klägerin und ihren damaligen Ehemann in einem Haus im … in … E. Im Sommer 2004 zogen der Kläger, die Klägerin und deren zwei Söhne in das Anwesen … in … E. In dem Haus befindet sich über drei Etagen verteilt jeweils eine Wohnung bei einer Gesamtwohnfläche von 283 Quadratmetern. Mieter des gesamten Anwesens war ursprünglich der Kläger alleine. Mit der Klägerin schloss er für die Wohnung im 1. OG zunächst einen Untermietvertrag über zwei Zimmer mit einer Fläche von 44,5 Quadratmeter inklusive Nutzung des Bades und der Küche zu einer Gesamtmiete von 328 Euro. Den anderen Teil der etwa 78 Quadratmeter großen Wohnung mit weiteren zwei Zimmern nutze der Kläger selbst.

Die Klägerin stand ab 2005 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Der Kläger, der selbständiger Handelsvertreter ist, bezog zunächst keine Leistungen. Mit Wirkung zum 1. Oktober 2006 schlossen die Kläger getrennte Mietverträge mit dem Eigentümer über die Wohnung im 1. OG in der .. Der Kläger zahlte nunmehr für die Nutzung zweier Zimmer, des Bades und der Küche bei einer Fläche von 33 Quadratmetern eine Gesamtmiete von 328 Euro (Kaltmiete 258 Euro / Betriebskosten 31 Euro / Heizkosten 39 Euro). Die Klägerin zahlte für die Nutzung zweier Zimmer, des Bades und der Küche bei einer Gesamtfläche von etwa 45 Quadratmetern eine Gesamtmiete von 362 Euro (Kaltmiete 212 Euro / Betriebskosten 66,45 / Heizkosten 83,55 Euro). Insgesamt brachten die Kläger für die 78 Quadratmeter große Wohnung eine Gesamtmiete von 690 Euro auf (Kaltmiete 470 Euro / Betriebskosten 108,45 Euro/Heizkosten 111,55 Euro bei Bezug von Fernwärme).

Im August 2008 schlossen die Klägerin sowie H. L. und A. P., die zwischenzeitlich die Wohnung im Erdgeschoss des Hauses angemietet hatten, für deren gemeinsamen Sohn L. einen als Vorsorgevollmacht bezeichneten Vertrag ab, der im Nachgang notariell beglaubigt wurde. L. ist August 2007 geboren und Frühchen. Infolge einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit, einer Epilepsie und einer geistigen und motorischen Entwicklungsstörung sowie einer Essstörung hat L. einen GdB von 100 mit den Merkzeichen G, H, B und RF. In der Urkunde ist neben der Gesundheitsvorsorge auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Vertretung vor Behörden und Vermögensorge übertragen. Ab Oktober 2008 wurde L. in den Haushalt der Kläger aufgenommen. Am 29. Oktober 2009 schloss die Klägerin für sich und unter Hinweis auf die Vorsorgevollmacht auch für L. nochmals einen Mietvertrag mit dem Eigentümer des Anwesens, wobei es bei der ursprünglichen Raumaufteilung verblieb. Später erteilte das Jugendamt der Stadt E. der Klägerin die Erlaubnis zur Aufnahme eines Pflegekindes (vgl. den Bescheid vom...

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