Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Pauschgebühr. Zulässigkeit von Nachforderungen. Anwendbarkeit des GKG 2004

 

Leitsatz (amtlich)

Nachforderungen von nicht oder zu gering erhobenen Pauschgebühren sind nach § 189 SGG zulässig, unterliegen jedoch den Bestimmungen des GKG (juris: GKG 2004) insbesondere zu Nachforderungen nach § 20 GKG und der Verjährung nach § 5 GKG.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen die Feststellung der Pauschgebühr unter der Nummer 1 des Gebührenverzeichnisses des Thüringer Landessozialgerichts vom 5. März 2019 für das Verfahren L 10 AL 1313/15 B ER mit der Postenkennung 0548191886331 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von nachgeforderten Pauschgebühren nach § 184 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zugrunde liegt eine Entscheidung des 10. Senats des Thüringer Landessozialgerichts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (L 10 AL 1313/15 B ER). Mit Beschluss vom 19. Januar 2016 hatte der 10. Senat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 27. August 2015 zurückgewiesen.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) forderte von der Erinnerungsgegnerin mit dem Gebührenverzeichnis vom 8. Februar 2018 für Januar bis Dezember 2016 (zugestellt lt. Empfangsbekenntnis am 16. Februar 2018) unter der laufenden Nr. 6 (L 10 AL 1313/15 B ER) die halbe Pauschgebühr in Höhe von 112,50 Euro; die Sache sei ohne Urteil/Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG erledigt worden. Unter dem 5. März 2019 stellte der UdG für das Verfahren L 10 AL 1313/15 B ER eine weitere Pauschgebühr in Höhe von 112,50 Euro fest (zugestellt lt. Empfangsbekenntnis am 12. März 2019). Nachdem das Thüringer Landessozialgericht mit Beschluss vom 9. November 2018 (L 1 SF 1194/18 E, nach juris) entschieden habe, dass bei einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit Beschluss keine Ermäßigung der Pauschgebühr nach § 186 SGG gelte, sei eine Pauschgebühr in Höhe von 225,00 Euro entstanden. Da bisher lediglich 112,50 Euro angefordert worden seien, seien weitere 112,50 Euro nachzufordern.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Erinnerung hat die Erinnerungsführerin vorgetragen, entgegen der Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts sei für das Verfahren L 10 AL 1313/15 B ER eine ermäßigte Pauschgebühr nach § 186 SGG festzusetzen. Der Gesetzestext, wonach nur bei Urteilen die volle Gebühr anfalle, sei eindeutig. Unabhängig davon stehe einer Nachforderung entgegen, dass es mit dem Auszug aus dem Verzeichnis der Streitsachengebühren aus dem Jahr 2016 mit der Gebühr von 112,50 Euro zu einer abschließenden, kostenrechtlichen Erledigung der Sache gekommen sei. Eine rückwirkende Nachforderung sei nicht oder jedenfalls nur unter den Einschränkungen des § 20 des Gerichtskostengesetzes (GKG) möglich. Im Übrigen werde die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Erinnerungsführerin beantragt,

die Feststellung der Pauschgebühr unter der Nummer 1 des Gebührenverzeichnisses des Thüringer Landessozialgerichts vom 5. März 2019 für das Verfahren L 10 AL 1313/15 B ER mit der Postenkennung 0548191886331 aufzuheben.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Der Nachforderung der hälftigen Pauschgebühr stehe § 20 GKG nicht entgegen. Die einschlägigen Vorschriften über Erinnerungen gegen den Ansatz von Gerichtskosten enthalte für Pauschgebührenfälle § 189 SGG; dass GKG sei insoweit nicht anwendbar (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG i.V.m. § 197a SGG). Für eine analoge Anwendung des § 20 GKG fehle eine planwidrige Regelungslücke. Das SGG enthalte eigenständige Regelungen zum Kostenschuldner und zur Gebührenhöhe (§ 184 SGG), zur Fälligkeit (§ 185 SGG), zur Gebührenermäßigung (§ 186 SGG), zur Erhebung (§ 189 SGG) bzw. zur Nichterhebung wegen unrichtiger Sachbehandlung (§ 190 SGG). Im Übrigen habe der Gesetzgeber des § 189 SGG aus der Vorgängervorschrift des § 6 der Gebührenordnung für das Reichsversicherungsamt die Normierung der Endgültigkeit der Festsetzung („endgültige Feststellung“) nicht übernommen, so dass eine nachträgliche Festsetzung uneingeschränkt möglich sei.

Der UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Thüringer Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Erinnerung ist nach § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig. Danach kann gegen die Feststellung der Gebührenschuld durch Mitteilung das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

Die Erinnerung ist jedoch unbegründet.

Nach § 184 Abs. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten (Satz 1). Sie entsteht, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden Rechtszug zu zahlen (Satz 2). § 184 Abs. 2 SGG bestimmt unter anderem, dass die Gebühr für das Verfahren vor den Landessozialgerichten auf 225,00 Euro festgesetzt wird. Nach § 185 SGG wird die Gebühr fällig, soweit die Streitsache durch Zurücknahme des Rechtsbehelfs, durch Vergleich, Anerkenntnis,...

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