Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Verwirkung der Geltendmachung einer Pauschgebühr

 

Orientierungssatz

1. Nach § 184 Abs. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten.

2. Kommunale Gebietskörperschaften unterfallen dem Befreiungstatbestand des § 2 Abs. 1 S. 1 GKG nicht. Infolgedessen sind die Behörden der Versorgungsverwaltung nach § 184 Abs, 1 SGG gebührenpflichtig. Die Unkenntnis der Gebührenpflicht kann einen Vertrauenstatbestand nicht begründen.

3. Eine Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. An das Verwirkungsverhalten sind strenge Anforderungen zu stellen. Es ist ein konkretes Verhalten des Gläubigers erforderlich, das bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt, dass eine Forderung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird.

 

Tenor

Auf die Erinnerung wird die Feststellung der Gebührenschuld (Pauschgebühr) durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. November 2013 hinsichtlich des Verfahrens L 5 SB 444/05 aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Unter dem 12. November 2013 übersandte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) dem Erinnerungsführer einen “Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite (§ 189 SGG)„ und forderte ihn auf, für folgende 8 Verfahren insgesamt 1.125,00 Euro Gerichtsgebühren zu zahlen:

L 5 SB 1266/10

112,50 Euro

L 5 SB 444/05

112,50 Euro

L 5 SB 134/08

112,50 Euro

L 5 SB 249/09

225,00 Euro

L 5 SB 1207/10

112,50 Euro

L 5 SB 165/10

112,50 Euro

L 5 SB 883/11

225,00 Euro

L 5 SB 834/12

112,50 Euro.

Das Berufungsverfahren L 5 SB 1266/10 erledigte sich am 14. August 2013 durch Annahme eines Anerkenntnisses. Die Kläger nahmen ihre Berufungen in den Verfahren L 5 SB 444/05 am 6. November 2008 bzw. L 5 SB 834/12 am 22. November 2012 zurück. Durch übereinstimmende Erledigungserklärungen wurden die Verfahren L 5 SB 134/08 am 11. März 2011 und L 5 SB 165/10 am 5. Mai 2011 erledigt. Abgeschlossen wurden die Verfahren L 5 SB 249/09 und L 5 SB 883/11 durch Urteile vom 5. April bzw. 20. Dezember 2012. Das Verfahren L 5 SB 1207/10 erledigte sich am 14. Januar 2012 (Austragung nach dem Tod des Klägers).

Gegen die Feststellungen im Auszug vom 12. November 2013 hat der Erinnerungsführer am 5. Dezember 2013 Erinnerung eingelegt und vorgetragen, die Gebührenforderung für das Verfahren L 5 SB 444/05 sei verjährt. Im Übrigen sei die Geltendmachung der Pauschgebühren verwirkt. Die Justizverwaltung habe seit der Kommunalisierung der Schwerbehindertenverfahren zum 1. Mai 2008 davon abgesehen, Pauschgebühren geltend zu machen. Er habe nach Ablauf dieses Zeitraums nicht mehr damit rechnen müssen, ex tunc zu den Pauschgebühren herangezogen zu werde. Die Heranziehung verstoße gegen Treu und Glauben und sei allenfalls für die Zukunft gerechtfertigt. Da ihm die angeforderten Pauschgebühren nicht bekannt gewesen seien, habe er sie bei der Berechnung der Mehrbelastungspauschale vom Freistaat Thüringen nicht in Ansatz bringen können.

Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 5. Dezember 2013) und dem Senat zu Entscheidung vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach § 66 Abs. 6 S 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Verbindung mit der Geschäftsverteilung des Thüringer LSG und der senatsinternen Geschäftsverteilung (zuletzt Beschluss vom 19. Dezember 2013) der Senatsvorsitzende.

Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass der Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite angesichts der Monatsfrist des § 189 Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach § 63 Abs. 1 SGG hätte zugestellt werden müssen. Konsequenzen hat diese Unterlassung hier nicht.

Die Erinnerung ist zulässig und nur hinsichtlich der Pauschgebühren für das Verfahren L 5 SB 444/05 begründet. Zum Zeitpunkt der Kostenerhebung war bei ihm der Kostenanspruch verjährt. Nach § 5 Abs. 1 GKG verjähren Ansprüche auf Zahlung von Kosten in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten, durch Vergleich oder in sonstiger Weise beendet ist. Hier wurde es am 6. November 2008 durch Rücknahme beendet und die Verjährungsfrist lief am 31. Dezember 2012 ab. Der Erinnerungsführer hat rechtzeitig die Einrede der Verjährung erhoben.

Im Übrigen ist die Erinnerung nicht begründet. Zu Recht hat die UdG die Pauschgebühren nach § 189 Abs. 1 SGG festgestellt. Danach werden die Gebühren für die Streitsachen in einem Verzeichnis zusammengestellt (Satz 1); die Mitteilung eines Auszugs aus diesem Verzeichnis an die nach § 184 Abs. 1 Gebührenpflichtigen gilt als Feststellung der Gebühren-schuld und al...

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