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Im Gesundheitswesen sind sowohl auf dem Hilfsmittelsektor als auch im Arzneimittelbereich große Hersteller aber auch zahlreiche mittelständische Anbieter tätig. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge muss den Interessen beider Gruppen Rechnung getragen werden. Durch die Novelle des Vergaberechts im Jahr 2009 wurde die sog. Mittelstandsklausel in § 97 Abs. 3 GWB deutlich verschärft. Die Neufassung des § 97 Abs. 3 GWB fordert nun bei allen Vergaben eine strikte Teilung des Gesamtauftrages in Lose, um kleinen und mittelständischen Unternehmen eine Chance zu geben, sich erfolgreich zu bewerben. § 97 Abs. 3 GWB a. F. hatte demgegenüber lediglich gefordert, mittelständische Interessen "vornehmlich" zu berücksichtigen. Von der Regelung in § 97 Abs. 3 GWB kann nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden, etwa wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Der Auftraggeber hat dann aber eine genaue Dokumentation vorzunehmen und dabei die Gründe klar, eindeutig und nachvollziehbar im Vergabevermerk darzulegen. Die Aufteilung in Gebiets- und Fachlose ist im Gesundheitswesen ganz besonders davon abhängig, was Gegenstand der Ausschreibung ist. Dabei wird sich die Aufteilung in Fachlose regelmäßig danach richten, welche Hilfsmittel oder Arzneimittelwirkstoffe ausgeschrieben werden. Die Aufteilung in Gebietslose hängt insbesondere bei Hilfsmitteln davon ab, ob und inwieweit mit der Lieferung auch eine Beratung, Anpassung und/oder Einweisung zwingend verbunden ist. Soweit dies der Fall ist, ergibt sich eine Aufteilung in mehrere kleine Gebietslose nicht nur aus der Regelung in § 97 Abs. 3 GWB, sondern auch daraus, dass die Versicherten nicht nur ein Interesse, sondern auch einen Anspruch haben, von Leistungserbringern versorgt zu werden, die über eine Niederlassung im nahen Umfeld verfügen. Soweit es um Güter geht, für deren Anwendung es entweder keiner besonderen Beratung und/oder Anleitung bedarf (z. B. aufsaugende Inkontinenzmittel) oder bei denen die Beratung durch Dritte (z. B. Apotheker) erfolgt, sind die Interessen und Ansprüche der Versicherten nicht betroffen, so dass allein § 97 Abs. 3 GWB der Maßstab für die Gebietslosaufteilung ist.

Bei einer wirkstoffbezogenen Ausschreibung von nicht patentgeschützten Arzneimitteln (sog. Generika) erfolgte eine Aufteilung des gesamten Bundesgebietes in 5 Gebietslose, da die Lieferkapazitäten mittelständischer Unternehmen bei einer bundesweiten Ausschreibung eines stark nachgefragten Wirkstoffes ggf. nicht ausreichen könnten. Die Gebietslose umfassten dabei jeweils zwischen 4 und 6 Mio. Versicherte. Ein mittelständisches Pharmaunternehmen beanstandete die Aufteilung in 5 Gebietslose als zu großteilig und damit mittelstandsfeindlich. Das LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss v. 8.10.2009, L 21 KR 39/09 SFB) sah in einer solchen Losbildung keinen Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften und stellte klar, dass weder § 97 Abs. 3 GWB noch § 5 Nr. 1 VOL/A eine Aufteilung in mehr als 5 Gebietslose vorschreibe. Die Aufteilung in 5 Gebietslose und in 63 Fachlose (Wirkstoffe) mache es vielmehr möglich, dass eine große Zahl von verschiedenen pharmazeutischen Unternehmen Angebote für ein oder sogar für mehrere Fachlose innerhalb eines Gebietsloses einreichen könnten. In diesem Regionalprinzip i. S. v. § 143 Abs. 1 sei ein legitimes Interesse zu sehen, da die Auftraggeber so optimale Rabattkonditionen erzielen könnten. Damit werde auch ein im Gemeinwohlinteresse liegender Zweck erfüllt, da die Erzielung von Arzneimittelrabatten der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung diene. In einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg (Beschluss v. 23.1.2009, L 11 WB 5971/08) wird dazu ausgeführt, dass die Losbildung für einzelne Bundesländer oder Regionen gerade nicht große Unternehmen bevorzuge, sondern durchaus auch für kleinere oder mittelständische Unternehmen eine Beteiligung bei umsatzstarken Wirkstoffen ermögliche. Falls die Unternehmen dennoch nicht in der Lage seien, die Versorgung der Versicherten innerhalb eines Gebietsloses allein zu bewältigen, müssten sie sich auf die Möglichkeit der Bildung einer Bietergemeinschaft verweisen lassen.

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