Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung einer Rechtsverletzung bei der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen

 

Orientierungssatz

1. Beim Abschluss von Arzneimittelrabattverträgen handeln die gesetzlichen Krankenkassen als öffentliche Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 2 GWB.

2. Im Vergabenachprüfungsverfahren ist allein zu prüfen, ob der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten hat. Im Hinblick auf eine geltend gemachte Verletzung kartellrechtlicher Vorschriften ist der Rechtsweg in das Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren nicht eröffnet.

3. Die Berücksichtigung mehrerer Bieter ist vergaberechtlich nicht zwingend geboten. Es ist vergaberechtlich zulässig, Rahmenrabattverträge mit nur einem Vertragspartner zu schließen. Der Abschluss mit nur einem Unternehmen führt nicht zur Schaffung einer marktbeherrschenden Stellung dieses Unternehmens auf den jeweils sachlich und räumlich relevanten Märkten.

4. Eine von vornherein bestehende Verpflichtung zur Loslimitierung bei der Ausschreibung besteht nicht. Nur dann, wenn die ausschreibende Krankenkasse eine Loslimitierung vornimmt, führt dies zu einer entsprechenden Selbstbindung für die Vergabe.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 01.11.2010; Aktenzeichen 1 BvR 261/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 27.03.2009 (VK 3-46/09) wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen.

Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerinnen wird für notwendig erklärt.

 

Gründe

I.

Die Antragsstellerin und Beschwerdeführerin (AS), die u.a. nicht patentgeschützte Arzneimittel (Generika) produziert und vertreibt, begehrt - nachdem die Antragsgegnerinnen (AG) die Zuschläge auf die Rabattverträge gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erteilt haben - die Feststellung, dass sie durch das Vergabeverfahren in ihren Rechten verletzt worden ist.

Die Antrags- und Beschwerdegegnerinnen (AG) haben den Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 SGB V in einem EU-weit bekannt gemachten offenen Verfahren (Bekanntmachungsnummer 2008/S 154-20 79 65) für eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren ausgeschrieben. Gegenstand der wirkstoffbezogenen Ausschreibung waren nicht patentgeschützte Arzneimittel (Generika) in 64 Fachlosen (Wirkstoffe) und 5 Gebietslosen. Das Gebietslos 1 umfasste die AOK Bayern mit etwa 4,1 Millionen Versicherten, das Gebietslos 2 die AOK Rheinland-Hamburg und AOK Westfalen-Lippe (ca. 5 Millionen Versicherte), das Gebietslos 3 die AOK Hessen und AOK Plus (ca. 4,3 Millionen Versicherte), das Gebietslos 4 die AOK Baden-Württemberg, AOK Rheinland-Pfalz und AOK Saarland (ca. 5 Millionen Versicherte) und das Gebietslos 5 die AOK Berlin, AOK Brandenburg, AOK Bremen/Bremerhaven, AOK Mecklenburg-Vorpommern, AOK Niedersachsen, AOK Sachsen-Anhalt und AOK Schleswig-Holstein mit ca. 5,6 Millionen Versicherten.

Gegenstand der Ausschreibung waren (zunächst) die folgenden 64 Wirkstoffe:

Alendronsäure

Alfuzosin

Allopurinol

Amiodaron

Amisulprid

Amlodipin

Azathioprin

Bisoprolol

Bisoprolol + Hydrochlorothiazid (HCT)

Captopril

Captopril + HCT

Carvedilol

Cefaclor

Cefuroxim

Ciprofloxacin

Citalopram

Clarithromycin

Diclofenac

Doxazosin

Doxepin

Enalapril

Enalapril + HCT

Felodipin

Finasterid

Furosemid

Gabapentin

Glimepirid

HCT

Ibuprofen

Isosorbiddinitrat

Isosorbidmononitrat

Itraconazol

Levodopa + Benserazid

Levodopa + Carbidopa

Lisinopril

Lisinopril + HCT

Melperon

Metformin

Metoclopramid

Metoprolol

Metoprolol + HCT

Mirtazapin

Molsidomin

Moxonidin

Nifedipin

Nitrendipin

Olanzapin

Omeprazol,

Paroxetin

Ramipril

Ramipril + HCT

Ranitidin

Risperidon

Roxithromycin

Sertralin

Simvastatin

Spironolacton

Sumatriptan

Tamsulosin

Terazosin

Torasemid

Tramadol

Trimipramin

Verapamil

Hinsichtlich des Wirkstoffs Olanzapin wurde die Ausschreibung wegen eines bestehenden Patentrechts (vergl. insoweit Bundesgerichtshof (BGH), Urteil v. 16.12.2008 X ZR 89/07) aufgehoben.

Nach den Verdingungsunterlagen hatte jeder Bieter pro angebotenem Fachlos (Wirkstoff) und je Gebietslos einen "Rabatt-ApU" (Rabatt-Apothekenverkaufspreis) für alle Pharmazentralnummern (PZN) anzubieten, die er für den angebotenen Wirkstoff nach der "Lauer-Taxe" am 01. August 2008 (im Laufe des Ausschreibungsverfahrens geändert auf den 01.09.2008 - sog. Stichtag) im Sortiment hatte.

Die "Lauer-Taxe", auch ABDA-Artikelstamm oder große deutsche Spezialitätentaxe genannt, die in 14-tägigem Rhythmus aktualisiert wird, enthält die Daten aller bei der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten gemeldeten, in Deutschland zugelassenen Fertigarzneimittel unter Angabe der Arzneimittelbezeichnung, des Arzneimittelherstellers, des Wirkstoffs, der Wirkstoffmenge, der Darreichungsform und der Packungsgröße. Die jedem Fertigarzneimittel zugeordn...

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