Rz. 356

Die jeweils eigene Anordnung von Krankenversicherungspflicht für verschiedene Tatbestände schließt die Möglichkeit ein, dass grundsätzlich auch mehrfach Krankenversicherungspflicht bestehen kann, weil zeitgleich die Voraussetzungen mehrerer Pflichttatbestände erfüllt sind. Dabei ist die Feststellung der Versicherungspflichten vor der Beurteilung der Rangfolge vorzunehmen; die Regelungen zur Rangfolge beinhalten keine Kriterien für die Versicherungspflicht, sondern setzen diese jeweils voraus. Mit Abs. 6 bis 8a werden Regelungen über die Rangfolge mehrerer vorliegender Versicherungspflichten getroffen, die die Parallelität des Versicherungsschutzes ausschließen. Damit wird zumeist einer Versicherungspflicht Vorrang eingeräumt mit der Folge, dass auch die Beitragspflicht nur für diese vorrangige Versicherungspflicht besteht. Sofern keine solche Regelung nach den Abs. 6 bis 8 besteht, ist mehrfache Krankenversicherungspflicht mit entsprechender mehrfacher Beitragspflicht gegeben (so z. B. die Versicherungspflicht als Landwirt und nach Abs. 1 Nr. 2a, vgl. BSG, Urteil v. 27.6.2012, B 12 KR 17/10 R, SozR 4-5420 § 2 Nr. 2). Auch in anderen Gesetzen (KVLG 1989, KSVG) befinden sich derartige Rangfolgeregelungen, die nicht immer mit den Abs. 6 bis 8 abgestimmt erscheinen (vgl. Rz. 91 ff. und Rz. 113).

 

Rz. 357

Keine Regelung der Rangfolge besteht für die Versicherungspflichten als Beschäftigter und Arbeitsloser (Abs. 1 Nr. 1 und 2). Da neben einer Beschäftigung auch Leistungen wegen Arbeitslosigkeit gewährt werden können (Teilarbeitslosengeld gemäß § 162 SGB III; vgl. BSG, Urteil v. 6.2.2003, B 7 AL 12/01 R, BSGE 90 S. 270 = SozR 4-4300 § 150 Nr. 1) muss von einer auch mehrfachen Krankenversicherungspflicht ausgegangen werden. Auch in den Fällen, in denen Leistungen der Arbeitslosenversicherung wegen Beschäftigungsaufnahme zu Unrecht gewährt wurden, die Rückforderung der Leistung die Krankenversicherung nach Abs. 1 Nr. 2 jedoch nicht beseitigt, besteht eine mehrfache Versicherungspflicht (so schon BSG, Urteil v. 18.5.1983, 12 RK 28/82, USK 8390 zum früheren Recht des AFG). Die dadurch erfolgte mehrfache Beitragszahlung wird durch die Erstattungsregelung des § 335 SGB III, die dem Grunde nach einen Ersatzanspruch begründet, ausgeglichen, wenn die leistungsgewährende Krankenkasse mit der identisch ist, die die Beiträge des Arbeitsamtes erhalten hatte.

 

Rz. 358

Nicht in die Regelungen der Rangfolge einbezogen ist die Krankenversicherungsfreiheit, da diese als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal schon die Krankenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 3, 3a ausschließt. Auch nicht erwähnt ist die Befreiung von einer Krankenversicherungspflicht (§§ 8, 7 Abs. 2), die sich auf andere Krankenversicherungspflichten erstreckt, sowie die Nicht-Versicherungspflicht bei hauptberuflich selbständiger Tätigkeit nach Abs. 5, obwohl auch dieses in Teilbereichen eine Rangfolgeregelung beinhaltet.

2.4.1 Nachrang der Versicherungspflichten nach Abs. 1 Nr. 5 bis 8 (Abs. 6)

 

Rz. 359

Die Versicherungspflichten in den beschäftigungsähnlichen Betätigungen im Rahmen von Betreuungsverhältnissen als Jugendlicher, Rehabilitand oder behinderter Mensch nach Abs. 1 Nr. 5 bis 8 sind nachrangig gegenüber einer daneben bestehenden Versicherungspflicht als beschäftigter Arbeitnehmer oder bei betrieblicher Berufsausbildung nach Abs. 1 Nr. 1. Vorrang besteht insoweit auch für die zur Berufsausbildung beschäftigten Personen nach Abs. 4a.

 

Rz. 360

Im Verhältnis der Versicherungspflicht aufgrund der Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufsfördernde Maßnahmen) nach Abs. 1 Nr. 6 geht gegenüber den Versicherungspflichten als behinderter Mensch in Werkstätten, Anstalten oder Heimen nach Abs. 1 Nr. 7 oder 8 die Versicherungspflicht vor, aus der die höheren Beiträge zu zahlen sind. Dieses bestimmt sich danach, ob Übergangsgeld gezahlt wird, dieses höher als das Arbeitsentgelt in der Tätigkeit nach Abs. 1 Nr. 7 oder 8 ist und auch höher als 20 % der monatlichen Bezugsgröße als Mindestbeitragsbemessungsgrundlage ist (§ 235). Ansonsten besteht innerhalb der Versicherungspflichten nach Abs. 1 Nr. 5 bis 8 keine Rangfolgeregelung, obwohl denkbar ist, dass diese Tätigkeiten nebeneinander bestehen. Hier wird man wegen der Ähnlichkeit der Tätigkeiten mit Beschäftigungen eine mehrfache Versicherungspflicht annehmen müssen.

 

Rz. 361

Keine Rangfolgeregelung besteht für die Versicherungspflichtigen nach Abs. 1 Nr. 5 bis 8 im Verhältnis zur Versicherungspflicht als Arbeitsloser (Abs. 1 Nr. 2) oder selbständig Tätiger nach Abs. 1 Nr. 3 oder 4. Die Krankenversicherungspflicht als Arbeitsloser kann unter Berücksichtigung auch von Teilarbeitslosengeld (§ 162 SGB III) daher neben einer anderweitigen beschäftigungsähnlichen Tätigkeit bestehen. Für krankenversicherungspflichtige landwirtschaftliche Unternehmer bestimmt § 3 Abs. 2 Nr. 3, 4 KVLG 1989 den Vorrang der Versicherungspflicht nach dem KVLG 1989. Bei selbständiger künstlerischer oder publizistischer Tätigkeit dürfte die Anwendung des Abs. 5 dazu führen, dass die Versicherungspflicht nach d...

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