Rz. 71

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 darf das tägliche Krankengeld bei Arbeitnehmenden den auf den Kalendertag entfallenden Teil des (aus dem "laufenden" Arbeitsentgelt berechneten) Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen.

In der Praxis kommt es oft vor, dass neben dem "laufenden" Arbeitsentgelt auch anlassbezogene beitragspflichtige Einmalzahlungen gezahlt werden. Diese sind nach § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB V i. V. m. § 23a SGB IV bei der Regelentgeltberechnung zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten 12 Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit der Beitragsberechnung zur Krankenversicherung zugrunde gelegen haben (Hinzurechnungsbetrag; Rz. 47 ff.).

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 3 sind diese Einmalzahlungen unter den gleichen Voraussetzungen auch beim Nettoarbeitsentgelt zu berücksichtigen – und zwar gemäß folgender Vorgehensweise: Für die Berechnung ist der sich aus dem kalendertäglichen Hinzurechnungsbetrag (Abs. 2 Satz 6) ergebende Anteil am Nettoarbeitsentgelt mit dem Vomhundertsatz anzusetzen, der sich aus dem Verhältnis des kalendertäglichen Regelentgeltes zu dem sich aus diesem Regelentgelt ergebenden Nettoarbeitsentgelt ergibt.

Zusammengefasst wird zwecks Berechnung des Gesamt-Nettoarbeitsentgelts

  • im 1. Schritt das Nettoarbeitsentgelt aus dem laufenden Arbeitsentgelt (= ohne Berücksichtigung von Einmalzahlungen) ermittelt (Rz. 65 ff.),
  • im 2. Schritt zwecks Berechnung des auf den Kalendertag entfallenden Anteils der Einmalzahlung der tägliche Betrag der Brutto-Einmalzahlung (Brutto-Hinzurechnungsbetrag) ermittelt (Rz. 47 ff.),
  • im 3. Schritt der fiktive Hinzurechnungsbetrag beim Nettoarbeitsentgelt ermittelt, in dem der auf den Kalendertag umgerechnete Anteil der Einmalzahlung mit dem Verhältnis zwischen dem laufenden Netto- und dem laufenden Bruttoarbeitsentgelt multipliziert wird (das Ergebnis ist auf 2 Stellen nach dem Komma zu berechnen; dabei erhöht sich die 2. Stelle nach dem Komma, wenn sich bei der 3. Stelle nach dem Komma eine 5 bis 9 ergibt),
  • im 4. Schritt das "laufende" Nettoarbeitsentgelt mit dem fiktiven kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelt aus der Einmalzahlung (= kalendertäglicher Netto-Hinzurechnungsbetrag) zusammengezählt.

Man erhält so das kumulierte Gesamt-Nettoarbeitsentgelt.

Anmerkung: Für die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages (= 3. Schritt) ist das Höchstregelentgelt unerheblich. Das bedeutet, dass für die Berechnung auch dann das volle individuelle Regelentgelt herangezogen wird, wenn es das Höchstregelentgelt übersteigt. Anderenfalls würde die "individuelle Brutto-/Nettolohnrelation" verfälscht mit der Folge, dass der Netto-Hinzurechnungsbetrag zum Nettoarbeitsentgelt zu hoch wäre.

 
Praxis-Beispiel
 
Bruttoarbeitsentgelt (Monatsarbeitsentgelt) 1.500,00 EUR
Nettoarbeitsentgelt 1.000,00 EUR
Beitragspflichtige Einmalzahlungen in den letzten 12 Monaten (Weihnachts- und Urlaubsgeld je 2500,00 EUR): 5.000,00 EUR
Berechnungsschritte:  
1. Schritt:  
Berechnung des laufenden kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts:  
Nettoarbeitsentgelt täglich (1.000,00 EUR : 30 Tage =) 33,33 EUR
2. Schritt:  
Berechnung des Regelentgelts aus der Einmalzahlung gemäß § 47 Abs. 2 Satz 6 (Rz. 47 ff.):  
Brutto-Hinzurechnungsbetrag täglich (5.000,00 EUR : 360 =) 13,89 EUR
3. Schritt:  
Berechnung des fiktiven Hinzurechnungsbetrages beim Nettoarbeitsentgelt aus der Einmalzahlung (Verhältnis des Netto- zum Bruttoarbeitsentgelt):  
Regelentgelt (1.500,00 EUR : 30 Tage =) 50,00 EUR
Nettoarbeitsentgelt: (1.000,00 EUR : 30 Tage =) 33,33 EUR

Ermittlung des Netto-Hinzurechnungsbetrags:

(13,89 EUR × 33,33 : 50 = 9,26 EUR)
9,26 EUR
4. Schritt:  
Berechnung des kumulierten täglichen Nettoarbeitsentgelts:  
(33,33 EUR + 9,26 EUR =) 42,59 EUR
 

Rz. 72

Damit die Bezieher von Krankengeld gegenüber arbeitsfähigen Arbeitnehmenden keinen Vorteil erlangen, darf das Krankengeld gemäß § 47 Abs. 1 Satz 4 nicht höher sein als das laufende kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit, also das laufende Nettoarbeitsentgelt ohne Berücksichtigung des Netto-Hinzurechnungsbetrags. Vergleichsgrundlage ist dabei das laufende Nettoarbeitsentgelt des für die Krankengeldberechnung zugrunde gelegten Bemessungszeitraums (Rz. 9 ff.). Das unter Berücksichtigung des Hinzurechnungsbetrages berechnete kalendertägliche Krankengeld darf somit 100 % des sich aus dem laufenden Arbeitsentgelt ergebenden kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Zu dieser Begrenzung war der Gesetzgeber mit Blick auf die Begründung des Beschlusses des BVG v. 11.1.1995 (1 BvR 892/88) gezwungen worden.

 
Praxis-Beispiel

Werte aus dem letzten Beispiel:

  • Kumuliertes Regelentgelt: (50,00 EUR + 9,26 EUR =) 59,26 EUR
  • "laufendes" Nettoarbeitsentgelt täglich: (1.000,00 EUR : 30 Tage =) 33,33 EUR
  • Kumuliertes Nettoarbeitsentgelt (33,33 EUR + 9,26 EUR =) 42,59 EUR

Rechtsfolge:

1. Schritt: Berechnung des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2

70 % des kumulierten Regelentgelts sind (59,26 EUR x 70 % =) 41,48 EUR. Das Krankengeld ist jedoch begrenzt auf 10...

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