Rz. 9

Abs. 2 räumt seit dem 1.1.2004 allen Versicherten die Möglichkeit ein, anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung zu wählen. Wurde das Wahlrecht entsprechend ausgeübt, können sich die Versicherten also auf eigene Rechnung behandeln und die Kosten später in der durch Gesetz und Satzung festgelegten Höhe von ihrer Krankenkasse erstatten lassen. Durch die Entscheidung für die Kostenerstattung löst sich der Versicherte aus den öffentlich-rechtlichen Bezügen des Sachleistungssystems. Er verschafft sich die erforderliche Behandlung stattdessen als Privatpatient durch Abschluss eines privatrechtlichen Behandlungsvertrages, der – anders als im Sachleistungssystem – auch eine Vergütungsverpflichtung beinhaltet, während im Sachleistungssystem zwar ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag zwischen Vertragsarzt und Versichertem zustande kommt, ein Vergütungsanspruch des Vertragsarztes aber ausschließlich gegenüber der Krankenkasse entsteht. Versicherte, die sich für die Kostenerstattung entschieden haben, sind vergütungsrechtlich im Verhältnis zum Vertragsarzt Privatpatienten, denen die ärztlichen Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in Rechnung zu stellen sind (§ 13 BMV-Ä). Die praktische Bedeutung der Kostenerstattung nach Abs. 2 ist daher äußerst gering, weil die hiervon Gebrauch machenden Versicherten im Regelfall Kosten tragen müssen, die ihnen von der Krankenkasse nicht ersetzt werden, da die Abrechnung nach der GOÄ erfolgt und überdies von der Krankenkasse noch Abschläge für den höheren Verwaltungsaufwand vorgenommen werden müssen. Demgegenüber haben die Versicherten keinen Anspruch auf ein erweitertes Leistungsspektrum, weil ihr Anspruch trotz der Wahl der Kostenerstattung auf den Inhalt des normalen Sachleistungsanspruchs beschränkt bleibt.

2.2.1 Ausübung des Wahlrechts

 

Rz. 10

Das Wahlrecht steht allen Versicherten zu, also auch familienversicherten Mitgliedern. Die Ausübung des Wahlrechts erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige (öffentlich-rechtliche) Willenserklärung des Mitglieds gegenüber der Krankenkasse. Mangels spezialgesetzlicher Vorschriften sind für ihre rechtliche Behandlung die Vorschriften und allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts entsprechend anwendbar. Die Erklärung ist daher nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB auslegungsfähig. Eine bestimmte Form der Wahlrechtsausübung (z. B. Schriftform) ist im Gesetz nicht vorgeschrieben, sie kann jedoch durch die Satzung vorgeschrieben werden. Sie wird gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB mit dem Zugang bei der Krankenkasse wirksam und wirkt nur für die Zukunft, d. h. für laufende und zukünftige Leistungsansprüche. Bis zu ihrem Zugang bei der Krankenkasse kann die Erklärung frei widerrufen werden (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Danach ist das Mitglied für ein Kalendervierteljahr an seine Wahl gebunden (Satz 12).

 

Rz. 11

Das Mitglied und über dieses familienversicherte Personen müssen keine gleich lautende Entscheidung treffen. Vielmehr kann z. B. nur das Mitglied die Kostenerstattung wählen, während seine nach § 10 versicherten Familienmitglieder weiterhin Sachleistungen erhalten.

 

Rz. 12

Die Wahl der Kostenerstattung muss nicht für das gesamte Leistungsspektrum erfolgen, sondern es ist nach Satz 4 eine Beschränkung auf die 4 Leistungsbereiche ärztliche Versorgung, zahnärztliche Versorgung, stationärer Bereich oder veranlasste Leistungen möglich. Für die Bereiche, für die keine Kostenerstattung gewählt wurde, bleibt es beim Sachleistungsprinzip.

 

Rz. 13

Die Krankenkasse trifft im Zusammenhang mit der Ausübung des Wahlrechts nur eine Aufklärungs- und Beratungspflicht (§§ 14, 15 SGB I) hinsichtlich der entstehenden Risiken. Neben dieser nach allgemeinen Grundsätzen bestehenden Beratungspflicht bestand für die Krankenkassen früher auch die ausdrückliche Pflicht, ihre Versicherten über die Folgen einer Entscheidung für die Kostenerstattung aufzuklären. Diese Verpflichtung besteht bereits seit dem 1.1.2007 nicht mehr. Nunmehr ist nur noch eine Beratung durch Leistungserbringer vorgeschrieben, der den Versicherten darüber zu informieren hat, dass dieser die Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, selbst zu tragen hat.

2.2.2 Inanspruchnahme von nicht zugelassenen Leistungserbringern

 

Rz. 14

Nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkasse ist es Versicherten, die die Kostenerstattung gewählt haben, nach Abs. 2 Satz 5 auch möglich, nicht zugelassene Leistungserbringer in Anspruch zu nehmen. Hierbei dürfte es sich um einen der wenigen Vorteile der Kostenerstattung handeln. Der Krankenkasse obliegt aber insoweit eine Ermessensentscheidung, bei der sie medizinische und soziale Aspekte zu berücksichtigen hat. Eine Genehmigung ist nach Abs. 2 Satz 6 jedoch nur möglich, wenn eine zumindest gleichwertige Qualität der Versorgung wie bei zugelassenen Leistungserbringern gewährleistet ist. Denkbar ist z. B. der Fall, dass ein zugelassener Leistungserbringer mit entsprechender indikationsbezogener Qualifikation in angemessener Nähe nicht zur Verfügung steht (BT-Drs. 15/1525 S. 80). Nicht im Vierten Kapitel genann...

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