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Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) schützt die freie wissenschaftliche Betätigung. Gegenstand dieser Freiheit sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. u. a. Beschluss v.8.4.1981, BVerfGE 57 S. 70) vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe. Daher ist auch die Lehre als die wissenschaftlich fundierte Überprüfung der durch die Forschung gewonnenen Erkenntnisse ein Schutzgut von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Damit sich die Wissenschaft ungehindert an dem für sie kennzeichnenden Bemühen um Wahrheit ausrichten kann, ist sie zu einem von staatlicher Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung erklärt worden. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verpflichtet den Staat auch zu Schutz und Förderung der Wissenschaft durch funktionsfähige Institutionen und gewährt den in der Wissenschaft Tätigen Teilhabe an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs und an öffentlichen Ressourcen.

Die Hauptaufgaben der Universitäten liegen auf dem Gebiet der Forschung und Lehre, die sie als eigene Angelegenheiten wahrnehmen (Selbstverwaltungsangelegenheiten). Daneben steht die Krankenversorgung als eine vom Staat übertragene Aufgabe (Auftragsangelegenheit). Hier ist die Universität nicht nur der Raum für die sich in wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit vollziehende medizinische Forschung und Lehre, sondern auch Trägerin einer gesellschaftlichen Aufgabe. In der täglichen Praxis werden sich die wissenschaftlichen Aufgaben und die Aufgaben in der Krankenversorgung folglich oft vermischen. Verfassungsrechtlich folgt hieraus, dass das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch bei der Tätigkeit in der Krankenbehandlung und Krankenversorgung nicht gänzlich ausgeklammert werden darf.

Das BSG hat mit seinem Beschluss v. 27.6.2012 (B 6 KA 72/11 B) gegen die Nichtzulassung der Revision unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung dargelegt, dass § 117 den Hochschulambulanzen den Zugang zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung eröffnet, um die universitäre Forschung und Lehre zu unterstützen. Für die im Rahmen einer Ermächtigung erbrachten Behandlungen gelten aber uneingeschränkt die allgemeinen Regeln der vertragsärztlichen Versorgung.

Im Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts v. 29.12.2012 (1 BvR 1849/12 u. a., Rz. 11 zit. nach juris) wird dazu ausgeführt, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sei, Forschungs- und Lehraufgaben der medizinischen Fakultäten zu finanzieren. Zwar gehörten Universitätskliniken wegen des Funktionszusammenhangs mit Forschung und Lehre in der Medizin sowohl dem Gesundheitssektor als auch der Wissenschaft an. Die in den dazu ermächtigten Hochschulambulanzen erbrachten ambulanten Leistungen bleiben aber auch nach Aussage des BVerfG Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung und werden von der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechend vergütet. Dagegen erfolgt eine Mittelzuweisung für Forschung und Lehre auch im Bereich der Medizin durch den jeweiligen Träger der Hochschule und es werden andernorts Mittel für Forschungsvorhaben eingeworben. Die dem Staat obliegende Förderungspflicht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zugunsten der Wissenschaft führt dagegen nicht zu einem Anspruch auf Finanzierung des in Hochschulambulanzen erbrachten Teils der Lehre durch die gesetzliche Krankenversicherung. Zwar bezweckt nach Auffassung des BVerfG § 117 Abs. 1 einfachgesetzlich auch eine Förderung der Lehre, insofern Hochschulambulanzen auf Verlangen ihrer Träger zur ambulanten Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zu ermächtigen sind, um ein breiteres diagnostisches und therapeutisches Spektrum für Forschung und Lehre nutzen zu können. Doch hat der Gesetzgeber die Hochschulambulanzen nicht von dem in § 12 SGB V übergreifend statuierten Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Versorgung befreit, sodass die allgemeinen Regeln der vertragsärztlichen Versorgung bei der Leistungserbringung im Rahmen der Forschung und Lehre auch für die in Abs. 1 und Abs. 2 genannten Hochschulambulanzen sowie die in Abs. 3 aufgeführten Ambulanzen an Ausbildungsstätten nach § 6 PsychThG gelten.

Der Wegfall des möglichen Überweisungsvorbehalts bei Forschung und Lehre, der Überweisungsvorbehalt ist nur für die Behandlung des definierten Klientels verbindlich vorgeschrieben (vgl. Abs. 1 Satz 2 ), ermöglicht es Patientinnen und Patienten, im Rahmen von Forschung und Lehre (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) ohne Einschränkung unmittelbaren Zugang zur Behandlung durch Hochschulambulanzen zu erhalten. Dieser ungefilterte Zugang stärkt gleichzeitig auch die Tätigkeit der Hochschulambulanzen im Bereich von Lehre und Forschung.

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