0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit dem Gesetz zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie zur Stärkung der über sie geführten Aufsicht (GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz) v. 21.2.2017 (BGBl. I S. 265) mit Wirkung zum 1.3.2017 eingeführt worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Mit der Neuregelung der Vorschrift ist für bestimmte Fallkonstellationen ein effektives, gestrafftes und klar umschriebenes aufsichtsrechtliches Verfahren vorgegeben worden. Im Bereich der Sozialversicherungsträger gibt es bereits spezielle Rechtsgrundlagen, welche z. B. die ersatzweise Vornahme von Beschlüssen bzw. Satzungsänderungen durch die Aufsichtsbehörde anstelle des Selbstverwaltungsorgans vorsehen (z. B. § 195 Abs. 2 Satz 2, § 114 Abs. 2 und § 147 Abs. 3 SGB VII).

Anlass für die Einführung der Vorschrift war die Erkenntnis, dass sich in der Praxis die Durchsetzung von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen bei unvertretbaren Handlungen insbesondere dann als ineffizient erwiesen hatten, wenn zur Behebung der Rechtsverletzung ein Beschluss des Selbstverwaltungsorgans erforderlich war. Die Durchsetzung von Verpflichtungsbescheiden gemäß § 89 SGB IV durch Anordnung eines Zwangsgeldes war in diesen Fällen wenig zielführend. Anstelle der Möglichkeit, bei solchen Fällen § 79a analog anzuwenden, sollten mit der Neuregelung für den Bereich der KBV bzw. der KZBV spezielle Ermächtigungsgrundlagen für aufsichtsrechtliche Maßnahmen mit einem klaren Anwendungsbereich und einem rechtssicheren Verfahren geregelt werden.

Im Verhältnis zu § 89 SGB IV sowie § 79a handelt es um (vorrangige) Sonderregelungen. In allen Fällen werden die KBV bzw. die KZBV zunächst durch die Anordnung mit Fristsetzung auf die Rechtsverletzung hingewiesen und ihnen die Gelegenheit gegeben, durch einen entsprechenden Beschluss im Wege der Selbstverwaltung die Rechtsverletzung zu beseitigen. Erst wenn die KBV bzw. die KZBV dieser Anordnung nicht nachkommt, kann das BMG als zuständige Aufsichtbehörde der KBV und der KZBV selbst handeln. Einer Anordnung mit Fristsetzung bedarf es jedoch nicht, wenn der Gesetzgeber eine Frist vorgegeben hat, in der ein Beschluss zu fassen ist. In diesen Fällen kann die Aufsichtsbehörde – nach Ablauf der gesetzlichen Frist – unmittelbar den Beschluss ersetzen.

2 Rechtspraxis

 

Rz. 3

Bereits in der Überschrift wird deutlich, dass die Aufsichtsmittel in besonderen Fällen nur bei den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, mithin bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und bei der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) anzuwenden sind. Die Anwendung bei den auf der Landesebene angesiedelten Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) oder Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) ist ausgeschlossen. Für die KBV und die KZBV ist das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die zuständige Aufsichtsbehörde.

Abs. 1 entspricht der bereits für die Krankenkassen geltenden Rechtslage in § 195 Abs. 2 Satz 2. Die Regelung gibt der Aufsichtsbehörde die Möglichkeit, notwendige Satzungsänderungen anzuordnen und ggf. durch Ersatzvornahme durchzusetzen, wenn die genehmigte Satzung sich als änderungsbedürftig erweist, weil einzelne Bestimmungen mit dem geltenden Recht nicht (mehr) vereinbar, obsolet geworden oder inhaltlich anzupassen sind oder weil eine notwendige Satzungsregelung von der KBV oder der KZBV nicht getroffen worden ist. Dabei ist unerheblich, ob die Satzung von vornherein nicht hätte genehmigt werden dürfen oder ob sie erst nach der Genehmigung änderungsbedürftig wurde.

 

Rz. 4

In Abs. 2 ist der Fall geregelt, dass zur Umsetzung gesetzlicher Vorschriften oder aufsichtsrechtlicher Verfügungen Beschlüsse der Vertreterversammlung der KBV oder der KZBV erforderlich sind. Fasst die betreffende Vertreterversammlung den notwendigen Beschluss nicht, kann die Aufsichtsbehörde anordnen, dass dieser Beschluss von der Vertreterversammlung innerhalb einer bestimmten Frist gefasst wird. Erst wenn diese Frist abgelaufen ist, kann die Aufsichtsbehörde den Beschluss der Vertreterversammlung ersetzen.

 

Rz. 5

Abs. 3 regelt die Fallkonstellation, dass ein Beschluss der Vertreterversammlung der KBV oder der KZBV gegen ein Gesetz oder gegen sonstiges für die Bundesvereinigungen geltendes Recht verstößt und daher ein Grund besteht, den Beschluss aufzuheben. Um zu verhindern, dass solche Beschlüsse trotz Beanstandung umgesetzt werden, wird durch Abs. 3 bestimmt, dass der Vollzug des rechtswidrigen Beschlusses mit dem Zugang einer entsprechenden Anordnung der Aufsichtsbehörde untersagt ist. Bereits getroffene Maßnahmen sind auf Verlangen der Aufsichtsbehörde rückgängig zu machen. Kommt die KBV oder die KZBV der Anordnung innerhalb der durch die Aufsichtsbehörde gesetzten Frist nicht nach, kann die Aufsichtsbehörde den Beschluss der Vertreterversammlung nach Abs. 3 Satz 4 aufheben.

Einer Anordnung mit Fristsetzung bedarf es nach Abs. 4 nicht, wenn ein Beschluss nach Abs. 1 oder Abs. 2 aufgrund gesetzlicher Regelungen innerhalb der im Gesetz...

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