Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mehrbedarf für gemeinschaftliche Mittagsverpflegung bei Besuch einer Tagesstätte als Leistung der Sozialen Teilhabe im Rahmen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Mehrbedarf nach § 42b Abs 2 SGB 12. Mehrbedarf bei Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Mehrbedarf bei unabweisbarem besonderen Bedarf

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 42b Abs 2 SGB 12 ist im SGB 2 nicht entsprechend anwendbar.

2. Ein Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB 2 kommt bei rein tagestrukturierenden Angeboten nicht in Betracht, weil es der Maßnahme an dem unmittelbaren Ziel der Eingliederung in Arbeit fehlt.

3. Die Mittagsverpflegung eines nach dem SGB 2 Leistungsberechtigten ist auch kein unabweisbarer Bedarf iS des § 21 Abs 6 SGB 2, wenn die Einnahme des Mittagessens nicht Teil der Maßnahme selbst ist. Es ist dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zuzumuten, diesen Bedarf aus dem Regelbedarf zu decken.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung eines Mehrbedarfs für gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in Werkstätten für behinderte Menschen und in vergleichbaren tagesstrukturierenden Angeboten (wie § 42b Absatz 2 SGB XII).

Die Klägerin ist 1986 geboren. Sie leidet unter einer Störung des autistischen Formenkreises. Die Klägerin bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II durch den Beklagten. Sie besucht seit dem 1.4.2019 die Tagestätte St. M (T.). Träger der Einrichtung ist der Caritasverband T. e. V. Die Tagesstätte bietet ein tagesstrukturierendes Angebot für psychisch kranke Erwachsene an. Hierbei erhalten Betroffene Hilfe und Unterstützung bei der Bewältigung ihres Alltags mit dem Ziel der psychischen und physischen Stabilisierung.

Durch den Bescheid vom 2.1.2020 wurde der Klägerin durch den Träger der Eingliederungshilfe - Stadtverwaltung T. - die Kostenübernahme für den Besuch der Tagestätte St. M. in dem Zeitraum vom 1.1.2020 bis 30.9.2021 bewilligt. Durch den Bescheid vom 21.9.20201 wurden auch für den Zeitraum vom 1.10.2021 bis 30.9.2023 die Kosten für den Besuch der Tagestätte St. M. für die Klägerin durch den Träger der Eingliederungshilfe übernommen. Die Bewilligung erfolgte auf der Grundlage der §§ 99, 102 Absatz 1 Nr. 4, 113 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 5, Absatz 3 in Verbindung mit § 81 iVm § 138 Absatz 1 Nr. 6 SGB IX als Leistung zur Teilhabe zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten.

Nach dem aktuellen Gesamt- und Teilhabeplan erhält die Klägerin aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 7.3.2023 durch den Träger der Eingliederungshilfe Assistenzleistungen der Eingliederungshilfe in Form von 8 Therapieeinheiten monatlich bei dem Anbieter Autismus T. Therapie gGmbH in dem Zeitraum vom 1.5.2023 bis 30.9.2024. Zugleich erhält sie Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme des Betreuten Wohnens.

Durch den Träger der Tagesstätte wird seit dem 1.1.2020 ausschließlich kostenpflichtige Mittagsverpflegung angeboten. Je Mittagessen wurde ab dem 1.1.2020 ein Betrag von 3,40 € erhoben, alternativ eine Monatspauschale in Höhe von 64,60 €. Die Klägerin unterschrieb die Vereinbarung am 17.1.2020.

Am 18.12.2019 beantragte die Klägerin die Gewährung eines Mehrbedarfes für die Mittagsverpflegung in der Tagesstätte St. M. (T-). Mit Schreiben vom 17.1.2020 bestätigte der Caritasverband T. e. V. den Besuch der Tagesstätte an fünf Tagen in der Woche mit Einnahme der Mittagsverpflegung.

Der Beklagte wies mit Schreiben vom 21.4.2020 darauf hin, dass das SGB II eine Rechtsgrundlage für die Kostenübernahme nicht vorsehe.

Auf gesonderten Antrag gegenüber dem Amt für Soziales und Wohnen vom 29.4.2020 zeigte dieses an, für Besucher einer Tagesstätte greife nicht die gesetzliche Fiktion der vollen Erwerbsminderung i. S. des § 41 iVm § 45 SGB XII. Daher seien Leistungen von dem Personenkreis der SGB II-Leistungsberechtigten - wie bisher, selbst zu zahlen.

Durch den Bescheid vom 25.5.2020 lehnte der Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs ab. In § 21 SGB II seien Mehrbedarfe für Mittagsverpflegung in einer Tagesstätte nicht normiert. Sie könnten daher auch nicht anerkannt werden. Die Regelungen des SGB XII (hier: § 42b Absatz 2) fänden keine Anwendung.

Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch. Sie mache den Mehrbedarf ab Januar 2020 geltend. Dieser sei nach § 21 Absatz 4 SGB II zu übernehmen. Dies folge auch aus § 33 SGB IX. Die Betreuerin der Klägerin, Frau C. M., wandte sich am 27.8.2020 an den Beklagten. Sie führte aus, die Klägerin habe die Maßnahme zum 14.8.2020 beendet. Der aktuelle Antrag auf Gewährung des Mehrbedarfs für die Mittagsverpflegung werde bis zum Austrittsdatum, 14.8.2020, weiterhin geltend gemacht. Am 30.9.2020 teilte die Betreuerin mit, die Klägerin habe den Besuch der Stätte fortgesetzt und beantrage weiterhin den Mehrbedarf für Mittagsverpflegung.

Durch den Widerspruchsbescheid vom 6.10.20...

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