Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Grundleistung. Fortschreibung jeweils zum 1. Januar eines Jahres. Koppelung an die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a SGB 12. Erforderlichkeit einer vorherigen Entscheidung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber

 

Orientierungssatz

Die Erhöhung der Grundleistungen gemäß § 3 Abs 4 AsylbLG ist an die Erhöhung der Regelbedarfe nach dem SGB 12 gekoppelt. Soweit eine Leistungsveränderung nach dem SGB 12 feststeht, sind die Leistungen nach § 3 AsylbLG entsprechend anzupassen. Eine vorherige Entscheidung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber ist nicht notwendig.

 

Tenor

Unter Abänderung des Bescheides vom 1. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2018 wird der Beklagte dazu verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum von Juni bis August 2018 insgesamt weitere 18,00 EUR zu gewähren.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Der Kläger reiste 1998 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Dieser wurde rechtskräftig abgelehnt. Der Kläger legte keinen Pass vor. Seine Identität und Herkunft waren nicht feststellbar. Insgesamt hat er während seines Aufenthaltes sechs unterschiedliche Namen und mehrere Geburtsdaten angegeben. Der Kläger gab an, aus Sierra Leone zu stammen. Die entsprechende Botschaft kam nach einem Interview des Klägers jedoch zu dem Ergebnis, dass er höchstwahrscheinlich nicht Sierra-Leonischer Staatsbürger sei. Möglicherweise stamme er aus Guinea. Aufgrund der Passlosigkeit und der Unmöglichkeit der Identitätsfeststellung konnte der Kläger nicht abgeschoben werden. Er wurde daher seit 2000 geduldet. Auf seinen Antrag hin erhielt er Leistungen nach § 3 AsylbLG. Seit Bekanntmachung des Asylverfahrenbeschleunigungsgesetzes (AsylVfBeschlG) vom 20. Oktober 2015 wurde der notwendige Bedarf gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG nicht mehr angepasst. Der notwendige persönliche Bedarf nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG wurde zuletzt mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (AsylVfBeschlG II) vom 11. März 2016 neu gefasst. Mit dem Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes sollte eine Neufestlegung der Bedarfe nach § 3 AsylbLG zum 1. Januar 2017 anhand der Einkommens- und Verbraucherprobe 2013 erfolgen. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz allerdings nicht zu. Dieses Gesetz ist nach dem Grundsatz der Diskontinuität mit dem Ende der 18. Wahlperiode erledigt. In der Folge ist es nicht zu einer Anpassung der Leistungshöhe von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AsylbLG gekommen. Mit Bescheid vom 1. Juni 2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger für Juni 2018 Leistungen nach § 3 AsylbLG. Hiergegen wurde am 7. Juni 2018 Widerspruch erhoben. Im Juli und August wurde die Leistung in gleicher Höhe ohne den Erlass eines neuen Bescheides ausgezahlt. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2018 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Hiergegen hat der Kläger am 2. September 2018 Klage vor dem Sozialgericht Stade erhoben. Er ist der Auffassung, dass er einen höheren Anspruch auf Leistungen habe. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylbLG seien die notwendigen Bedarfe zum 1. Januar eines Jahres entsprechend der Veränderungsrate nach § 28a SGB XII in Verbindung mit der Verordnung nach § 40 Satz 1 Nr. 1 SGB XII fortzuschreiben. Da zum 1. Januar 2018 eine Erhöhung des Regelbedarfs nach dem SGB XII erfolgt sei, habe der Kläger einen entsprechenden höheren Anspruch auf Leistungen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Bescheides vom 1. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2018 den Beklagten zu verurteilen, ihm für den Zeitraum von Juni bis August 2018 weitere 18,00 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger keinen höheren Anspruch auf Leistungen habe, da der Gesetzgeber bisher versäumt habe, eine entsprechende Anpassung vorzunehmen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales müsse nach § 3 Abs. 4 Satz 3 AsylbLG eine entsprechende Verordnung erlassen. Dies sei nicht geschehen. Aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten sog. Wesentlichkeitstheorie könne weder die Sozialverwaltung des Beklagten als Exekutivorgan noch das erkennende Gericht als Jurisdiktion einzelfallbezogen eine vom Gesetzestext abweichende Grundleistung gewähren. Auf Aufforderung des Gerichts hin hat der Beklagte eine Probeberechnung entsprechend der Vorgaben nach § 3 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 AsylbLG durchgeführt. Da die Regelbedarfe nach dem SGB XII sich zum 1. Januar 2018 um 1,63 % erhöht haben, würde sich der persönliche Bedarf nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG von 135,00 EUR, auf 137,00 EUR und der notwendige Bedarf nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG von 219,00 EUR, auf 223,00 EUR erhöhen. Der Kläger hätte somit statt den bewilligten monatlichen 354,00 EUR einen Anspruch a...

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