Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistungen. Grundleistungen. Höhe der Geldbeträge für den notwendigen Bedarf und den notwendigen persönlichen Bedarf. keine Neufestsetzung trotz Vorliegens der Ergebnisse einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Anspruch auf Fortschreibung. Erforderlichkeit einer vorherigen Entscheidung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber

 

Orientierungssatz

1. § 3 Abs 4 AsylbLG aF gewährt Beziehern von Grundleistungen einen einklagbaren Anspruch auf Leistungen in angepasster Höhe.

2. Aus § 3 Abs 4 S 3 AsylbLG aF folgt nicht, dass vor der Anpassung der Leistungshöhe eine Entscheidung des BMAS erfolgen muss.

3. Kommt der Gesetzgeber seiner Verpflichtung aus § 3 Abs 5 AsylbLG aF zur Neufestsetzung der Höhe des Geldbetrags für alle notwendigen persönlichen Bedarfe sowie der Höhe des notwendigen Bedarfs bei Vorliegen der Ergebnisse einer bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nicht nach, ist bis zu einer tatsächlichen Neufestsetzung weiterhin die gesetzlich vorgeschriebene Erhöhung nach § 3 Abs 4 AsylbLG aF durchzuführen.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2019 und der zugrunde liegenden Bescheide verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 11.06.2018 bis 24.09.2018 Leistungen nach § 3 AsylbLG unter Berücksichtigung eines monatlichen Regelsatzes iHv 327 € (Regelbedarfsstufe 2) für die Kläger 1) + 2), sowie 249 € (Regelbedarfsstufe 5) für den Kläger 3) zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten.

 

Tatbestand

Im Streit stehen höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) wegen der seit 2017 unterbliebenen Neufestsetzung bzw Fortschreibung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit vom 11.06.2018 bis 24.09.2018. Die Kläger sind Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland. Im Zeitraum 11.06.2018 bis 24.09.2018 war die Beklagte zuständig für die Gewährung von Leistungen nach AsylbLG. Ihre Zuständigkeit endete mit der kommunalen Zuweisung der Kläger nach Nettetal am 25.09.2018.

Seit Bekanntmachung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes (AsylVfBeschlG) vom 20. Oktober 2015 wurde der notwendige Bedarf gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG nicht mehr angepasst. Der notwendige persönliche Bedarf nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG wurde zuletzt mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren (AsylVfBeschlG II) vom 11. März 2016 neu gefasst. Mit dem Entwurf eines dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes sollte eine Neufestlegung der Bedarfe nach § 3 AsylbLG zum 1. Januar 2017 anhand der Einkommens- und Verbraucherprobe 2013 erfolgen. Der Bundesrat stimmte dem Gesetz allerdings nicht zu. Dieses Gesetz ist nach dem Grundsatz der Diskontinuität mit dem Ende der 18. Wahlperiode erledigt. In der Folge ist es nicht zu einer Anpassung der Leistungshöhe von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AsylbLG gekommen.

Entsprechend der in § 3 Abs 1 Satz 8 AsylbLG normierten Regelbedarfsstufen erhielten die Kläger zu 1) und 2) Regelbedarfsstufe 2 iHv 28,47 € wöchentlich Bargeld und der Kläger zu 3) die Regelbedarfsstufe 5 iHv 19,37 € wöchentlich Bargeld. Mit Widerspruch vom 15.05.2018 wandten sich die Kläger gegen die gewährten Leistungen iHv 75 € wöchentlich und begehrten die Neuberechnung aller bisherigen Bescheide und entsprechende Nachzahlung. Außerdem beantragten sie ab sofort die Gewährung von laufenden Leistungen unter Einbeziehung der Erhöhung nach § 3 Abs 4 AsylbLG.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2019 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass sich die aktuellen Regelsätze für die Auszahlung des notwendigen persönlichen Bedarfs gemäß § 3 Abs 1 Satz 5 AsylbLG aus § 3 Abs 1 Satz 8 AsylbLG ergeben. Die Fortschreibung der Regelbedarfssätze im AsylbLG sei Aufgabe des Bundes, der durch das zuständige Landesministerium mehrfach vergeblich deutlich angemahnt worden sei. Diese Aufgabe verschiebe sich weder auf die Länder noch auf die Bezirksregierungen oder auf die Kommunen.

Am 25.02.2019 haben die Kläger Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, dass sie einen höheren Anspruch auf Leistungen haben, da die notwendigen Bedarfe gem. § 3 Abs 4 AsylbLG zum 1. Januar eines Jahres entsprechend der Veränderungsrate nach § 28a SGB XII in Verbindung mit der Verordnung nach § 40 Satz 1 Nr.1 SGB XII fortzuschreiben seien.

Sie wiederholen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und berufen sich auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung. Wegen der unterbliebenen Neufestsetzung der Grundleistungen nach § 3 AsylblG habe zuerst das SG Stade und in einem Berufungsverfahren auch das LSG Niedersachsen-Bremen in einem obiter dictum entschieden, dass die seit 2017 der Höhe nach unveränderten Bedarfe nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (notwendiger persönlicher Bedarf) und § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG (notwendiger Bedarf) entsprechend der Vorgabe aus § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AsylblG jedenfalls fortzuschreiben sind. Für die Fortschreibung der Bedarfe nach § 3 AsylbLG a.F. sprächen ge...

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