Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. keine Berücksichtigung von fiktivem Einkommen. Übergang der Antragsbefugnis bei Nichtbeantragung vorrangiger Sozialleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsvorschusses als Einkommen i.S.d. SGB II ist rechtswidrig.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 19. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. September 2011 wird aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum 01. Januar 2010 bis 30. September 2011 unter Aufhebung der Bescheide vom 09.09.2009, 26.02.2010, Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 09.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2010, des Bescheides vom 09.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2010, der Bescheide vom 08.07.2010, für den Zeitraum April bis September 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2010, der Bescheide vom 31.08.2010, 26.03.2011 (Zeitraum Januar bis März 2011) und 19.09.2011 insoweit Leistungen auf der Grundlage des SGB II ohne Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsvorschusses als Einkommen zu gewähren.

2. Der Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Leistungsgewährung auf der Grundlage des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum Januar 2010 bis September 2011 ohne Anrechnung eines fiktiven Unterhaltsvorschusses und unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide.

Nachdem die gesetzliche Vertreterin der am 2002 geborenen Klägerin, ihre Mutter, einen ursprünglich im August 2005 gestellten Antrag auf Leistungen nach dem SGB II zunächst zurückgenommen hatte, beantragte sie erneut am 20. September 2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Erstmals mit Bescheid vom 02. Oktober 2007 und fortan fortlaufend, bezüglich des hier streitgegenständlichen Zeitraums zuletzt mit Bescheid vom 19. September 2011, bewilligte der Beklagte die beantragten Leistungen in der Weise, dass er bei der Klägerin unter anderem die ihr fiktiv nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zustehenden Leistungen als Einkommen auf ihren Bedarf angerechnet hat. Bereits mit dem genannten Antrag aus September 2007 hatte die gesetzliche Vertreterin der Klägerin dem Beklagten mitgeteilt, dass sie über den Vater der Klägerin keine Angaben machen könne. Dabei reichte sie eine Kopie des von ihr im Unterhaltsvorschussverfahren beim Jugendamt eingereichten Schreibens vom 28. November 2005 zur Akte, in dem sie unter Ausführung der näheren Umstände ebenfalls dargelegt hatte, keine Angaben zum Vater der Klägerin tätigen zu können. Aus dem weiteren Verwaltungsvorgang ergibt sich, dass die gesetzliche Vertreterin der Klägerin im Rahmen des Verfahrens nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, in dem sie offenbar mehrfach zur weiteren Mitwirkung aufgefordert worden war, ihren dortigen Antrag schließlich zurückgezogen hatte. Die Klägerin erhielt zu keinem Zeitpunkt Leistungen auf der Grundlage des Unterhaltsvorschussgesetzes. Nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 02. Oktober 2007, führte die gesetzliche Vertreterin der Klägerin ein im Ergebnis erfolgloses Überprüfungsverfahren hinsichtlich aller Leistungsbescheide für den Zeitraum Oktober 2007 bis September 2009. Insoweit wird auf das zwischen den Beteiligten geführte Verfahren S 40 AS 4180/09 und den hierin am 29. September 2011 erlassenen Gerichtsbescheid verwiesen. Am 04. April 2011 beantragte die gesetzliche Vertreterin der Klägerin erneut die Überprüfung der Bewilligungsbescheide für den Zeitraum Januar 2010 bis September 2011 wegen Anrechnung von Kindesunterhalt für die Klägerin. Mit Bescheid vom 19. April 2011 stellte der Beklagte fest, dass die im streitgegenständlichen Zeitraum erlassenen Bescheide nicht zu beanstanden seien. Hiergegen legte die gesetzliche Vertreterin der Klägerin sowie die Klägerin selbst am 02. Mai 2011 Widerspruch unter Hinweis auf einen im Verfahren S 40 AS 4180/09 am 19. April 2011 durchgeführten Erörterungstermin ein, in dem das Gericht bereits darauf hingewiesen hatte, dass die Anrechnung von fiktivem Unterhalt bei der Klägerin rechtswidrig sein dürfte. Mit Widerspruchsbescheid vom 07. September 2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dabei verwies er insbesondere auf den damals noch offenen Ausgang des anhängigen Verfahrens S 40 AS 4180/09.

Hiergegen wurde am 07. Oktober 2011 in der Weise Klage erhoben, dass als Klägerin die Mutter der Klägerin im Klageschriftsatz aufgeführt wurde, zugleich aber die angegriffenen Bescheide mit eingereicht wurden, wo sich im Rubrum des Widerspruchsbescheides die Mutter der Klägerin auch als gesetzliche Vertreterin für die Klägerin findet. Auf einen entsprechenden richterlichen Hinweis erklärte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Eingang 27. Oktober 2011, es werde im Nachgang zur Klageschrift klargestellt, dass die Mut...

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