Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Kostenübernahme für eine Schlauchmagen-Operation zur Behandlung von Übergewicht. Leistungsbewilligung durch Genehmigungsfiktion. Anspruch auf Kostenübernahme im Rahmen der Genehmigungsfiktion. Wirksamkeit einer Ablehnungsentscheidung nach Eintritt der Genehmigungsfiktion

 

Orientierungssatz

1. Die Genehmigungsfiktion bei nicht rechtzeitiger Entscheidung über einen Kostenübernahmeantrag durch die gesetzliche Krankenversicherung kann nicht nur einen Kostenerstattungsanspruch begründen sondern auch einen Sachleistungsanspruch.

2. Die Gewährung einer Schlauchmagenoperation durch die gesetzliche Krankenversicherung als Behandlungsmaßnahme bei starkem Übergewicht kann im Rahmen einer Genehmigungsfiktion bei nicht rechtzeitig erfolgter Entscheidung der Krankenkasse über einen Kostenübernahmeantrag erfolgen.

3. Eine nach Eintritt der Genehmigungsfiktion wegen nicht rechtzeitig erfolgter Entscheidung der Krankenkasse über einen Kostenübernahmeantrag erfolgte Ablehnung des Antrags berührt die Wirksamkeit der durch die Fiktion eingetretenen Genehmigung nicht mehr, so dass ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehen bleibt.

4. Der Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Versorgung, der aufgrund einer Genehmigungsfiktion wegen nicht rechtzeitig erfolgter Entscheidung über den Sachleistungsantrag entstanden ist, kann im Wege einer Leistungsklage gerichtlich geltend gemacht werden.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 11. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine stationäre Schlauchmagen-Operation als Sachleistung zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin auf ihren Antrag vom 2. April 2015 hin mit einer Schlauchmagen-Operation als Sachleistung zu versorgen.

Die am … geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie beantragte am 2. April 2015 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Adipositas-Chirurgische Maßnahme (Schlauchmagen). Zur Begründung führte sie aus, dass zur Behandlung ihrer Adipositas Grad III eine operative Therapie notwendig sei. Seit 20 Jahren sei sie extrem übergewichtig. Alle bisherigen Abnehmversuche seien gescheitert und ohne längerfristigen Erfolg geblieben. Dem Antrag beigefügt war u.a. ein Ärztliches Gutachten des Universitätsklinikums Heidelberg vom 16. Dezember 2014. Hieraus geht hervor, dass die Klägerin an Adipositas Grad III (aufgrund eines BMI von aktuell 46,6 kg/m²) leide. Zudem bestünden ein chronisches multikausales Lymphödem der Beine, ein Varicosis cruris v. saphena magna Insuffizienz, ein Lipödem des Beckengürtels, eine lavierte Depression, Zustand nach Choleszystektomie 2000, Fibromyalgie und eine pathologische Glukosetoleranz. Aufgrund der mehrfach durchgeführten und gescheiterten Versuche zur Gewichtsreduktion sei gemäß den Leitlinien der Deutschen Adipositasgesellschaft einstimmig die Indikation zum operativen Vorgehen gestellt worden.

Die Beklagte beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Erstellung eines Sozialmedizinischen Gutachtens im Hinblick auf die von der Klägerin beantragte Kostenübernahme für einen bariatrisch/chirurgischen Eingriff. Eine Mitteilung hierüber gegenüber der Klägerin erfolgte nicht.

Nachdem der MDK der Beklagten das Gutachten vom 6. Mai 2015 am 7. Mai 2015 vorlegte und ausführte, dass die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Maßnahme nicht erfüllt seien, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Mai 2015 den Antrag der Klägerin ab.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Juni 2015 Widerspruch ein. Auf Anforderung des MDK legte die Klägerin Aufzeichnungen ihre Ernährung betreffend vor. In dem sozialmedizinischen Gutachten vom 8. September 2015 hielt Dr. … an der bisherigen Beurteilung des MDK fest.

Am 4. November 2015 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim erhoben, die zunächst gerichtet war auf Feststellung der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Zur Klagebegründung führte die Klägerin im Wesentlichen aus, dass die Beklagte die Fünf-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V nicht eingehalten habe. Eine rechtzeitige schriftliche Mitteilung der Beklagten an die Klägerin, man könne die Fünf-Wochen-Frist nicht einhalten, wie sie § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V zwingend vorschreibt, sei gerade nicht erfolgt. Als Folge hiervon trete die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ein. Eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit finde dann - wie nach dem Erlass eines positiven Bewilligungsbescheides - nicht mehr statt. Die Norm gelte nicht nur im Bereich der Erstattungsansprüche, sondern auch im Bereich der Sachleistungsansprüche. Läuft die Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V ab, ohne dass die Krankenkasse eine rechtzeitige Mitteilung im Sinne des § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V gemacht...

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