Entscheidungsstichwort (Thema)

Genehmigungsfiktion eines Leistungsantrags des Versicherten bei nicht fristgerechter Bescheidung durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Stellt der Versicherte bei der Krankenkasse einen hinreichend bestimmten Leistungsantrag, darf er die beantragte Leistung für erforderlich halten, liegt diese nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Krankenversicherung und bescheidet die Krankenkasse den Antrag nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a SGB 5 ohne hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen, so gilt der Antrag als genehmigt.

2. Eine Schlauchmagen-Operation unterfällt grundsätzlich dem Leistungskatalog der Krankenversicherung.

3. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB 5 verschafft dem Versicherten sowohl einen Sachleistungs- als auch einen Kostenerstattungsanspruch.

4. Eine spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse lässt die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 02.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2015 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin aufgrund der gem. § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V eingetretenen Genehmigungsfiktion mit der beantragten Schlauchmagen-Operation als Sachleistung zu versorgen.

III. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin auf ihren Antrag vom 01.09.2015 hin mit einer Schlauchmagen-Operation als Sachleistung zu versorgen.

Die am XX.XX.1984 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin, hatte mit ihrem am 21.09.2015 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 01.09.2015 einen Antrag auf Kostenübernahme für eine bariatrische Operation (Schlauchmagen-Operation) bei der C. GmbH - Bauchchirurgie A-Stadt - gestellt.

Als Begründung gab sie an, sie wiege bei einer Körpergröße von 1,71 m momentan 140 kg, das ergebe einen BMI von 48 Kg/m². Die Knorpel ihrer Knie seien bereits geschädigt wegen der hohen Belastung durch das langjährige Übergewicht, Hüft- und Fußgelenke schmerzen nach längerer Belastung sehr. Darüber hinaus leide sie unter Wirbelsäulenproblemen, schmerzhaften Hautveränderungen an den Oberschenkelinnenseiten und Entzündungen in Hautfalten sowie einer Fettleber. Sie habe konservative Behandlungsmethoden ausgeschöpft, habe unzählige selbst initiierte Abnehmversuche mit Weight Watchers, Glyx Diät etc. unternommen und habe sich zur Gewichtsabnahme auch stationär in der Klinik H. in C-Stadt 1995 für 12 Wochen und in der A.- Klinik D-Stadt im Jahr 2013 für 10 Wochen aufgehalten. Bereits im Jahr 2007 habe sie sich einer selbst bezahlten bariatrischen Operation unterzogen und ca. 28 kg abgenommen.

Beigefügt hatte die Klägerin eine Aufstellung über ihr Gewicht und die Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung seit 1995, ein Ernährungstagebuch für den Zeitraum vom 13.07.2015 bis 26.07.2015, diverse Atteste der behandelnden Ärzte, u.a. der C. GmbH- Bauchchirurgie A-Stadt - (Dr. E.) bzw. des Orthopäden Dr. F. und des Dermatologen Dr. G. und eine Bescheinigung über die Teilnahme an er Integrierten Versorgung des Therapienetzes Essstörung für den Zeitraum von Dezember 2012 bis Dezember 2014, wonach trotz der Verbesserung des Essverhaltens bei der Klägerin eine nachhaltige Gewichtsreduktion nicht erreicht werden konnte (Bl. 4 ff. der VerwA).

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) am 22.09.2015 mit der Begutachtung und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21.09.2015 mit, dass für die weitere Bearbeitung eine gutachterliche Stellungnahme des MDK erforderlich sei.

Nach der medizinischen Stellungnahme des MDK Bayern vom 30.10.2015, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, fehlten zum Nachweis des Ausschlusses von Kontraindikationen auf kardiopulmonalem, gastroenterologischem und endokrinologischem Gebiet sowie ein nervenärztlicher Befund zum Ausschluss von Kontraindikationen auf psychiatrischem Gebiet. Es fehle auch der Nachweis eines mindestens 6-, besser 12-monatigen konservativen multimodalen Behandlungskonzepts (Ernährungs- und Bewegungs-, Verhaltenstherapie). Ferner fehle der Krankenhausbericht über den 10-wöchigen Aufenthalt aus dem Jahr 2013. Die vorgelegten Unterlagen reichten nicht aus, um eine Ultima Ratio Situation abzuleiten. Eine medizinische Notwendigkeit für die beantragte Maßnahme liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 02.11.2015 lehnte die Beklagte unter Bezugnahme auf die MDK-Stellungnahme den Antrag der Klägerin ab und verwies auf die Kriterien des BSG-Urteils von 2003 in Verbindung mit den aktuellen Leitlinien der einschlägigen deutschen Fachgesellschaften. Danach fallen bariatrische Operationen nur unter engen Voraussetzungen in die Leistungspflicht der GKV.

Die Klägerin ließ gegen diesen Bescheid am 05.11.2015 Widerspruch erheben.

Zudem ließ die Klägerin am 05.11.2015 eine Klage beim Sozialgericht München erheben, die zunächst gerichtet war auf Feststellung der Genehmigungsfiktion nach § ...

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